Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport Obermain
Icon Pfeil nach unten

Der Club-Fan, der nicht verlieren kann

Lokalsport Obermain

Der Club-Fan, der nicht verlieren kann

    • |
    • |
    Von Anfang an mit Herzblut dabei: Der junge Fußballfan Christian Ehrenberg in den 1980-er Jahren.
    Von Anfang an mit Herzblut dabei: Der junge Fußballfan Christian Ehrenberg in den 1980-er Jahren.

    Freitagabend. Ich eile schnell in den Supermarkt, um ein, zwei Sachen zu besorgen. Zurück zum Auto kommt mir ein Mann entgegen. Moment, den kennst du doch. Ja, das ist Christian Ehrenberg. Der Christian Ehrenberg, mit dem ich als Zwölfjähriger auf dem Bolzplatz gekickt habe. Mit dem ich den ran-Bundesliga-Manager gezockt habe – auf einem Spielbrett, nicht an der Konsole. Und auf den ich nach Jahrzehnten aus Zufall beim Internetstöbern gestoßen bin: als ich mir den Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg angeschaut habe.

    Natürlich spreche ich ihn an, frage nach seinem Amt beim Club, sauge begierig jeden Satz auf, und stelle fest, dass die Freundschaft nach über 25 Jahren immer noch da ist. „Mensch, Christian, ich könnte dich doch mal porträtieren fürs OT. Was meinst du?“, frage ich, und mein Freund sagt sofort zu.

    Der 41-Jährige hat sein Büro im Dachgeschoss einer Villa aus der Gründerzeit. Idyllisch im Grünen gelegen, über einer Arztpraxis. Christian Ehrenberg ist Musik- und Filmmanager, Chef von drei Mitarbeiterinnen. Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht, erzählt er. Und ich erinnere mich, wie Christian vor Jahrzehnten vehement schimpfte, als jemand behauptete, Yoko Ono hätte die Beatles kaputt gemacht. Doch John, George, Paul und Ringo sind heute kein Thema. Der Club ist es, und an den hat Christian Ehrenberg sein Herz verloren, als er zehn Jahre alt wurde.

    „Mein Onkel hat mir zum Geburtstag einen Besuch beim 1. FC Nürnberg geschenkt. Bis zu dieser Partie war ich Fan des 1. FC Köln, weil der damals so oft die Bayern geschlagen hat“, erinnert sich der Kulmbacher. Das war Anfang der 1980-er Jahre, als Köln, der Hamburger SV, der VfB Stuttgart oder Borussia Mönchengladbach München das Siegen noch schwer gemacht hatten.

    Eigentlich hätte der zehnjährige Christian zufrieden sein müssen, „seine Kölner“ gewannen 3:1 im damaligen städtischen Stadion. Doch die Atmosphäre der Arena, die vielen Nürnberg-Anhänger, der ohrenbetäubende Jubel, als den Hausherren das zwischenzeitliche 1:1 gelungen war, all das ließ Christians Zuneigung zum „Effzee“ verglimmen, dafür die Liebe zum Club entflammen.

    Niederlagen zu Beginn

    Doch der belohnte diese Liebe erst mal nicht. Fünf weitere Niederlagen folgten, keine einfache Zeit für den ehrgeizigen Buben. „Ich konnte als Kind nicht mal bei Mensch-ärgere-dich-nicht verlieren, wollte immer nur gewinnen. Meine Mutter wundert sich heute noch, dass ich Anhänger von diesem Verein bin“, sagt der 41-Jährige und muss schmunzeln.

    Damals wunderte sich nicht nur seine Mutter, auch Christians Schulfreunde verstanden nicht, wieso man Fan eines Absteigers werden konnte. Und nicht einmal in Liga zwei legte der FCN einen Blitzstart hin. Doch im letzten Saisonspiel gegen Hessen Kassel gelang den Franken der sofortige Wiederaufstieg, mit einem jungen, talentierten, aufstrebenden Team. Dieter Eckstein, Stefan Reuter oder Roland Grahammer hießen die Helden und ließen Christian Ehrenberg jubeln.

    Im Laufe der Jahre besuchte der Kulmbacher, der eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann absolvierte, regelmäßig die Spiele der Franken. Beruflich nahm die zweite große Leidenschaft von Christian Ehrenberg einen immer bedeutenderen Raum in seinem Leben ein. Als Jugendlicher spielte in einer Band, merkte aber, dass ihm das Managen einer Gruppe noch mehr Spaß machte. „Ich wollte alles wissen!“, erklärt er. „Wie engagiere ich Künstler? Wie wird der erste Ton auf einer CD eingespielt? Wie kommt die CD ins Verkaufsregal? All dies Wissen habe ich mir angeeignet.“

    Im Jahr 2001 – zu dieser Zeit pendelte der 1. FC Nürnberg munter zwischen Erster und Zweiter Liga – machte sich der Kulmbacher selbstständig. Obwohl er das Business in München, Frankfurt und Trier ausgiebig kennengelernt hatte, und man annehmen könnte, von dort ließe sich ein Musikverlag lukrativer führen, zog es Christian Ehrenberg wieder zurück in die Heimat. „Dank Internet und E-Mail kann ich mein Geschäft auch aus der fränkischen Provinz führen.“ Derzeit betreut er drei Filmprojekte, darunter den aktuellen Streifen von Top-Violinist David Garrett.

    Dank seiner Selbstständigkeit ließen sich die Stadionbesuche ebenfalls besser planen. Der 41-Jährige: „Dieser Termin ein bisschen früher, und schon kann ich ins Frankenstadion. Am Freitag ein Treffen in Stuttgart? Klasse, dann steht dem Spiel am Samstag beim VfB nichts im Weg.“

    Doch nur ein Fan zu sein, reichte Christian Ehrenberg nicht mehr. Er wollte bei seinem Lieblingsklub etwas bewegen: Also trat er dem Verein bei. Das war 2007. „Denn wenn ich etwas mache, mache ich es mit Herzblut“, beschreibt sich der Kulmbacher.

    Also legte das frisch gebackene FCN-Mitglied los. Suchte Anschluss an engagierte „Clubberer“ und machte beim Arbeitskreis mit, der eine neue Satzung für 2010 ausarbeiten sollte. Beim „Bündnis aktiver Club-Mitglieder“ ergriff der Kulmbacher das Wort, machte inhaltliche Vereinsarbeit und sich einen Namen – und wurde im Jahr 2011 in den neunköpfigen Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg gewählt. „In meiner zweiten Sitzung diskutierten wir über den Wunsch unseres Abwehrtalents Philipp Wollscheid, nach Leverkusen zu wechseln. Da schreit der Fan in dir natürlich sofort auf, aber im Nachhinein war es richtig, ihn aus finanziellen Gründen abzugeben“, sagt Christian Ehrenberg und erklärt, dass der Aufsichtsrat bei jedem Spielertransfer ab einer gewissen Summe seine Zustimmung geben muss.

    Sein Ehrenamt startete übrigens kurioserweise wie seine ersten Monate als FCN-Fan: mit einer Pleitenserie. „Acht Spiele blieben wir ohne Sieg“, erinnert sich der 41-Jährige; fast drei Jahrzehnte zuvor waren es sechs Niederlagen in Folge. Doch dann stabilisierte sich das Team, schaffte trotz eines vergleichsweise geringen Budgets in den Jahren 2011, 2012 und 2013 jeweils sicher den Klassenerhalt.

    Der wurde 2014 verpasst. Wieso? Der Kulmbacher holt tief Luft. Ein Schatten legt sich auf sein Gesicht. In der letzten Saison lief einfach alles schief, sagt er. FCN-Fans wissen nun sicher, was der 41-Jährige aufzählt: die Hinrunde ohne Sieg, die an den Nerven der Spieler zehrte; die vielen Pfosten- und Lattentreffer; sieben bis acht verletzte Stammspieler; fragwürdige Schiedsrichter-Entscheidungen. Dann die Entlassung von Trainer Gertjan Verbeek, der erst im Herbst eingestellt worden war. „Wenn man eine Vorrunde ohne Sieg absolviert hat und selbst in der Rückrunde nur 15 Punkte holt, kann sich ein Verantwortlicher nicht hinstellen und sagen: ,War alles Pech!‘ Niemand von uns behauptet, wir haben alles richtig gemacht und am Ende fehlte einfach ein bisschen das Glück“, betont der 41-Jährige.

    „Die letzten fünf, sechs Spiele liefen alles andere als glücklich“, sagt Christian Ehrenberg und räumt ein, dass der Club in jüngster Zeit ein Stück weit seine Philosophie verloren habe. „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass unsere Fans, unsere Sponsoren, die Menschen in der Region wieder erkennen, wofür der 1. FC Nürnberg steht“, betont der Kulmbacher. So hoffe er beispielsweise, dass demnächst das neue Nachwuchsleistungszentrum junge und hungrige Spieler für die 1. Mannschaft liefere.

    Kompletter Neuanfang

    Auch den Unmut der Fans über die lange Zeit, die es dauerte, einen neuen Trainer für die nächste Saison zu finden, kann der Musikmanager verstehen. „Wir waren in den Verhandlungen mit Holger Stanislawski an einem Punkt, bei dem es nur noch um ein Detail ging“, erinnert er sich an den geplatzten Deal mit dem früheren St. Pauli-Coach. „Ein Kompromiss wäre möglich gewesen, doch dann wären wir beide, Trainer und Verein, mit einem Bauchgrummeln in die Spielzeit gestartet.“ Also sei man ohne böses Blut wieder auseinander gegangen. „Nach unserem Abstieg wollten wir einfach einen kompletten Neuanfang. Und dabei können wir uns nicht mehr mit 80- oder 90-Prozent-Lösungen zufrieden geben, sondern nur mit 100-Prozentigen.“

    Während er dies sagt, blickt Christian Ehrenberg immer wieder auf sein Mobiltelefon. Es ist Donnerstag, 5. Juni, Vormittag. Auf die Frage, ob denn die Gerüchte stimmten, dass der Wolfsburger Amateurcoach Valérien Ismael den Job als Trainer beim neunfachen Deutschen Meister übernimmt, muss der Kulmbacher grinsen. „Es sieht gut aus, dass der Kandidat bei uns landet“, sagt er, ohne einen Namen zu nennen und erklärt seine Zurückhaltung: „Wir neun FCN-Aufsichtsräte haben uns verpflichtet, keine Interna nach außen dringen zu lassen. Ganz einfach, um Unruhe im Club zu vermeiden.“ Übrigens wurde dann am Nachmittag Valérien Ismael offiziell als neuer Club-Coach vorgestellt.

    Christian Ehrenberg „hielt also dicht“ Statt Geheimnisse auszuplaudern, will er sich auf seine Hauptaufgabe als Aufsichtsratsmitglied konzentrieren: „Den Verein wirtschaftlich in ruhigen Gewässern halten und dafür sorgen, dass wir auch im Falle eines Abstieges ein gesundes Fundament haben.“

    Dieses sei gegeben, auch wenn der Kulmbacher einräumt, dass es jetzt schwieriger sei, junge Talente und gute Spieler nach Nürnberg zu locken. „Wir haben durch den Abstieg unsere Kernkompetenz als Erstligist verloren.“ Nur dadurch sei es bisher möglich gewesen, viel versprechende Kicker wie Josip Drmic oder Daniel Ginczek nach Franken zu holen.

    Apropos neue Spieler. Hier müsse ein verhältnismäßig kleiner Verein wie der Club besondere Sorgfalt walten lassen. So wurde beispielsweise der Tscheche Ondrej Petrák, den der FCN im vergangenen Winter verpflichtet hatte, 14, 15 Mal beobachtet, bevor man sich sicher war, den richtigen Spieler gefunden zu haben.

    Wer jetzt gerade gescoutet wird, mag der Club-Aufsichtsrat aber nicht verraten. „Ich könnte einen Erstligisten auf ein Talent aufmerksam machen, dass uns dann vor der Nase wegschnappt werden könnte.“

    Wiederaufstieg das Ziel

    Zweitligisten-Pech! Übrigens kostet der Abstieg dem 41-Jährigen zufolge den FCN alleine an Fernseh-Einnahmen einen unteren zweistelligen Millionenbetrag. Von Werbe- und Zuschauereinbußen ganz zu schweigen. „Trotzdem ist der sofortige Wiederaufstieg das Ziel!“, gibt sich der Kulmbacher selbstbewusst. Und auch ein Stadionneu- beziehungsweise -umbau ist trotz der bitteren Saison 2013/14 weiter geplant. „Aber nur, wenn wir an der Betreiber-Gesellschaft und damit an den zu erwartenden Erlösen beteiligt werden“, erklärt der Musikmanager, der sich in diesem Jahr erneut in den Aufsichtsrat wählen lassen möchte.

    Wiederaufstieg, neues Stadion und erneuter Einzug ins Aufsichtsgremium – Christian Ehrenberg will auch als gebeutelter „Clubberer“ endlich wieder gewinnen!

    „Wenn man eine Vorrunde ohne Sieg absolviert hat und selbst in der Rückrunde nur 15 Punkte holt, kann sich ein Verantwortlicher nicht hinstellen und sagen: ,War alles Pech!‘“

    Christian Ehrenberg FCN-Aufsichtsrat

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden