Als Kind hatte sie nicht den Traum, mal auf der Tennis-Tour als Schiedsrichterin zu arbeiten. Weil sie gar nicht wusste, dass es diesen Beruf gibt. Aber die Würzburgerin Miriam Bley wuchs in einer Tennis-Familie auf – und führt mittlerweile doch einen Traumjob aus. Als Schiedsrichterin reist sie mit den Stars des Tenniszirkus von Turnier zu Turnier. Und am Samstag beginnen für sie ihre dritten Olympischen Spiele. Nach Rio de Janeiro 2016 und Tokio 2021 ist Bley auch in Paris als Stuhlschiedsrichterin dabei.

Ihre Karriere als Unparteiische begann 2005, weil sie einen Trainerschein machte und es damals verpflichtend war, auch die unterste Schiedsrichterlizenz zu erwerben. Bley spielte bei TC Weiß-Blau Würzburg, wusste aber schnell, dass eine Saison in der zweiten Bundesliga dort für sie das höchste der Gefühle sein wird.
Also begann sie neben dem Lehramtsstudium in Würzburg ihre Weiterbildung als Schiedsrichterin. "Die Tennisregeln wirken auf den ersten Blick einfach, aber es gibt im Tennis fast nichts, was nicht passieren kann", erklärt die 39-Jährige. Sogar wie viel Werbung auf der Kleidung erlaubt ist, muss sie wissen – und Verstöße im Zweifelsfall auch beanstanden.
Bley ist mehr als der blonde Pferdeschwanz
2008 machte Bley ihre erste internationale Lizenz, 2019 erreichte sie das höchste Level. "Die wichtigste Eigenschaft ist Fingerspitzengefühl", sagt sie. Dazu kommt das Offensichtliche: Als Schiedsrichterin muss sie gut sehen. Einmal pro Jahr muss sie deshalb auch zum Sehtest.
Wie in anderen Sportarten ebenfalls üblich bereitet sich Bley auf die Spiele vor. Mittlerweile kenne sie alle Spielerinnen und Spieler auf der Tour, sagt sie. Und auch die Würzburgerin ist mittlerweile den meisten ein Begriff. "Ganz lange war ich die mit dem blonden Pferdeschwanz, aber davon gibt es einige. Das hat sich nun geändert", berichtet sie.

Ihr Traum ist es, einmal das Finale von Wimbledon zu leiten. Das geschichtsträchtige Turnier auf den Rasenplätzen in London ist eines der vier Grand-Slam-Turniere im Jahr. 2023 war Bley dort Schiedsrichterin beim Halbfinale zwischen Ons Jabeur und Aryna Sabalenka. "Das Match war perfekt. Das Stadion war ausverkauft und es war ein super spannendes Spiel über drei Sätze", erinnert sie sich.
Allerdings kann sie solche Partien nicht währenddessen genießen, weil die Anspannung zu groß ist. "Ich genieße das im Nachhinein, wenn ich es Revue passieren lasse. Damals hat es sich angefühlt, als würde ich fliegen", meint Bley.
Keine Angst, durch Technik ersetzt zu werden
Im Jahr 2024 war Wimbledon vor allem verregnet. Das Turnier ist für Bley trotzdem jedes Jahr der Höhepunkt des Kalenders, weil sie dort auch ihre ehemalige Gastfamilie trifft. Nach dem Abitur war Bley für ein Jahr als Au-pair in der Nähe von London. "Wir treffen uns jedes Jahr zum Essen und sie bekommen immer meine Tickets fürs Turnier", erzählt Bley.
Durch die Hawk-Eye-Technologie, eine Art Videoschiedsrichter, die beurteilt, ob Bälle im Aus waren oder nicht, hat sich das Schiedsrichterwesen im Tennis in den vergangenen Jahren nochmal sehr gewandelt. Bei zwei der vier großen Grand-Slam-Turniere wurden die Linienrichter bereits durch diese Technologie ersetzt. Angst, auch ersetzt zu werden, beispielsweise von einer künstlichen Intelligenz, hat Bley allerdings nicht. Unter Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern sei das aktuell kein Thema.
Stattdessen freut sie sich nun auf die Wochen in Paris, denn nicht nur für Athleten sind die Olympischen Spiele das größte und wichtigste Sportereignis der Welt. "Ich habe Karten für Beachvolleyball direkt am Eifelturm und kann wie 2016 wieder zur Eröffnungsfeier", freut sich Bley. Mindestens 27 Wochen im Jahr ist sie unterwegs, eher mehr. Ein Job, von dem sie nie geträumt hat. Und der trotzdem mittlerweile ein Traumjob ist.