Bremerhaven, 29. Dezember 2016: Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und dieser Donnerstag auch. Es geht auf Mitternacht zu, und Douglas Spradley versucht im Bauch der Bremerhavener Stadthalle, die Gründe einer Niederlage zu erklären. Mal wieder. Soeben hat er mit dem selbsternannten Play-off-Kandidaten s.Oliver Würzburg zum elften Mal in dieser Saison verloren, und die 88:93-Niederlage wird seine letzte als Cheftrainer des Würzburger Basketball-Bundesligisten sein. Ziemlich frustriert wirkt Spradley bei seinen Erklärungsversuchen, und auch ein wenig ratlos. Er ist lange im Geschäft, und die letzten Wochen haben viel Kraft gekostet.
Bestimmt ahnt Douglas Spradley in diesem Moment, dass dieses unwürdige Gezerre der jüngere Vergangenheit, ob er bleiben darf, oder ob er doch geschasst wird, nun ein Ende finden wird. Während der langen Busreise durch die Nacht von der Nordsee nach Unterfranken werden ihm vielleicht einige Situationen der vergangenen zweieinhalb Jahre durch den Kopf gegangen sein. Zum Beispiel die Feier nach dem Aufstieg in die Bundesliga 2015, in seiner ersten Saison mit den Baskets. Oder der Einzug in die Play-offs im Jahr darauf.
Am nächsten Morgen wird Bernd Freier, Boss des geld- und namensspenden Sponsors von Würzburgs Basketballern, Spradley anrufen. Der aber wird noch schlafen nach der Rückkehr aus Bremerhaven am frühen Morgen. Später wird Spradley sein E-Mail-Postfach öffnen – und die Nachricht finden, rausgeworfen worden zu sein.
Zurückgezogene Zusage
Selbstverständlich haben die Geschehnisse dieses Donnerstagabends und des Freitagvormittags Vorgeschichten. Zu denen gehört neben sinuskurvengleichen Schwankungen und mehrheitlich enttäuschenden Leistungen des Teams unter anderem auch die Tatsache, dass Spradley, der die Mannschaft freilich zusammengestellt hatte, relativ frühzeitig in der Saison ihr Gesicht wieder verändern wollte. Mitte Dezember dann warf er Vladimir Mihailovic hinaus – auch im Vertrauen auf die Zusage des Klubs, Ersatz nachverpflichten zu dürfen. Obwohl Spradley Kandidaten präsentierte, durfte er nicht einkaufen gehen, weil der für den wirtschaftlichen Bereich zuständige Geschäftsführer Gunars Balodis die Zusage zurücknahm.
Begleitete man die Baskets regelmäßig, konnte sich in den letzten sechs Wochen des vergangenen Jahres schon der Eindruck aufdrängen, dass der Klub seinen Trainer am langen Arm verhungern ließ. Und darauf wartete, durch die eigene Mannschaft genügend Argumente für eine Entlassung zugespielt zu bekommen. Das gestaltete sich allerdings etwas zäh, weil die Niederlagenserie nie länger als vier Spiele anhielt. Siege gegen Braunschweig und Göttingen verschafften Spradley eine Art kurze Schonfrist. Bis zum 30. Dezember.
Vechta, 8. Februar 2017:Rasta,Schlusslicht der Bundesliga, gibt die Verpflichtung von Douglas Spradley als Nachfolger von Andreas Wagner bekannt, der die jüngsten 14 Spiele am Stück verloren hat.
Würzburg, 21. März 2017: Es dauert nicht lange, bis er ans Handy geht: „Spradley.“ Ein wenig Smalltalk. Er klingt, als habe er ziemlich gute Laune. Kann er auch, vor allem nach dem jüngsten 89:76-Erfolg über Oldenburg am vergangenen Samstag, der erste Sieg nach 17 Schlappen. „Wir brauchen den Sieg zwar mehr als Würzburg, aber wir gehen das Spiel locker an“, sagt Spradley. Sicherlich auch im Bewusstsein, dass ihm heute Abend (19 Uhr) ziemlich viele Sympathien entgegenschwappen werden in der s.
Oliver Arena, wo seine Mannen mit ihrem dritten Saisonsieg ihre Hoffnungen auf einen Verbleib im Oberhaus nähren und dem Vorletzten Braunschweig (vier Siege) auf die Pelle rücken wollen.
Gegenseitige Wertschätzung
„Die Chance ist noch da“, sagt Spradley, der gute Chancen sieht, „wenn wir das Maximale rausholen“. Kein anderer in der Bundesliga kennt die Baskets so gut wie der 50-jährige gebürtige Amerikaner mit deutschem Pass. Vor allem deren Schwächen. „Ich freue mich sehr auf dieses Spiel und darauf, Freunde wiederzusehen.“
Trifft man sich mit Douglas Spradley auch mal außerhalb einer Sporthalle, sollte man Zeit mitbringen. Denn oft drehen sich die meist interessanten Gespräche dann nicht ausschließlich um Basketball. Auch dieses Telefonat dauert etwas, und natürlich sind auch seine Würzburger Zeit und sein Rauswurf Gesprächsthema. Obwohl Spradley die Umstände Ende letzten Jahres sicherlich geärgert haben – es fällt kein böses Wort, und man kann auch heraushören, dass er weder Groll hegt noch Verbitterung verspürt.
Würzburg, 22. März 2017: Die Baskets laden zum ritualisierten Medientermin vor ihren Spielen, bei dem stets Spradleys Nachfolger Dirk Bauermann und manchmal auch einige Spieler befragt werden können. „Ich verstehe, dass das die Medien interessiert, aber uns interessiert das gar nicht. Es ist vollkommen gleichgültig, wer der Trainer des Gegners ist. Uns interessiert nur, dass die Punkte in Würzburg bleiben“, sagt Dirk Bauermann, der auch verspricht, „bestimmt keine Geschenke zu verteilen, weil ein Ex-Trainer kommt“. Natürlich weiß auch der 59-Jährige, dass es für jeden Trainer etwas Besonderes ist, an seiner alten Wirkungsstätte aufzutreten – zumal „der Abstand zwischen der Entlassung und Rückkehr sehr kurz ist“, wie Bauermann sagt. 84 Tage sind es.
So unterschiedlich Douglas Spradley und Dirk Bauermann auch sein mögen – sie schätzen sich und wünschen sich gegenseitig alles Gute. Und wortgleich: „Nur am Freitag gegen uns natürlich nicht.“
Lamonte Ulmer ist wieder fit Basketball-Bundesliga: s.Oliver Würzburg – SC Rasta Vechta (Freitag, 19 Uhr, s.Oliver Arena) Als „sehr, sehr wichtiges Spiel für uns“ bezeichnet Baskets-Trainer Dirk Bauermann die Partie des Tabellenvierzehnten (12:36 Punkte) gegen das Schlusslicht Vechta (4:44). Er sei „sehr optimistisch“ und erwartet von seiner Mannschaft, „von Anfang an hellwach zu sein, um Vechta gleich den Zahn zu ziehen“. Dabei mithelfen kann auch wieder Flügelspieler Lamonte Ulmer, der seine Sprunggelenkverletzung auskuriert hat und wieder zu „100 Prozent fit ist“, so Bauermann. Weiterhin fehlen wird allerdings Mustafa Shakur, dessen Genesung sich vermutlich noch zwei, drei Wochen hinziehen wird. tbr