Wahrheit oder alles nur Legende? Heiko Paeth ist Professor für Geografie mit Schwerpunkt Klimatologie an der Universität Würzburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem saisonale Vorhersagen und Statistik. Für uns hat er gängige Bauernregeln, die durch das Jahr führen, geprüft: Halten sie den wissenschaftlichen Erkenntnissen stand?
Januar: Je frostiger der Januar, desto freundlicher das Jahr.
An dieser Regel ist auf jeden Fall was dran. Es hat etwas mit der sogenannten „Nordatlantischen Oszilation“ zu tun, die bei uns das Winterwetter bestimmt. Zuerst muss man wissen: Im Sommer sorgen die Hochdruckgebiete für heißes Freibadwetter – im Winter hingegen für klirrende, trockene Kälte. Haben wir nun im Januar eine Hochdruckwetterlage, sind die Polarwirbel in der Stratosphäre ziemlich schwach und es gibt länger nur schwache Westwinde in Mitteleuropa. Dadurch kehrt auch ein bisschen Ruhe ein, das Wetter ist beständiger und die Hochdruckgebiete halten sich länger. Denn diese haben eine große „Erhaltungsneigung“ – und bescheren uns so freundliche Folgemonate. Zunächst heißt es dann aber erst noch Ausharren mit der Kälte.
Februar: Ist's zu Lichtmess klar und hell, kommt der Frühling nicht so schnell. (2.2.)
Mariä Lichtsmess am 2. Februar ist ein klassischer Lostag im Kirchenjahr. Und auch in diesem Spruch steckt Wahrheit. Klar und hell, das heißt: Hochdrucklage. Und die hat wieder eine große „Erhaltungsneigung“, weil die kalte und schwere Hochdruckluft aus Asien nur schwer wieder ausgeräumt werden kann. Warum aber fällt uns vor allem die Helligkeit so deutlich auf? Das liegt daran, dass die Anzahl der hellen Tagesstunden im Lauf des Jahres in einer Art Sinus-Kurve verläuft. In den Wochen um die Sommer- und Wintersonnenwende gibt es von einem Tag auf den nächsten keine großen Sprünge, weil wir uns, wenn wir uns eine Wellenlinie vorstellen entweder ganz am Gipfel oder ganz im Tal befinden. In den Monaten dazwischen befinden wir uns auf der Welle oder Kurve allerdings an den steilen Steigungen. Deswegen sind die Sprünge von Tag zu Tag größer und sie fallen uns mehr auf.
März: So viel Nebeltage im März, so viel Frosttage im Mai.
Für diese Regel gibt es sogar einen empirischen Befund: Sie stimmt in 60 bis 70 Prozent der Winter. In kalten Nächten (also Hochdruck) fließt kalte Luft von oben in die Täler. Dort sammelt sie sich und bildet einen richtigen „Panzer“ aus kalter Luft. Den möchte die Atmosphäre ausgleichen und leitet Wärmeströme mit hoher Luftfeuchtigkeit hinab. Und diese Feuchtigkeit kondensiert wiederum in der kalten Luft in Tälern wie bei uns im Maintal. Daraus entsteht der Nebel. Der ist nämlich entgegen weitverbreiteter Meinung kein aufsteigendes Wasser aus irgendwelchen Gewässern, sondern eben das Resultat der Kondensation – und die ist das Resultat des Hochdruckgebiets. Und das – das wissen wir schon – hat ziemliches Sitzfleisch.
April: April, April, der macht, was er will.
Wohl einer der bekanntesten Sprüche zum Wetter – mit einer einfachen Erklärung: Wir haben „Kernjahreszeiten“, also Sommer und Winter. Es gibt eben die Übergangsjahreszeiten, da findet über uns ein richtiger Kampf der Luftmassen statt, die Zirkulationszonen verschieben sich am stärksten. Das führt zu wechselhaftem Wetter. Es könnte genauso heißen „Der Oktober, der Oktober, der macht, was er will“. Aber das reimt sich ja nicht.
Mai: Pankrazi, Servazi, Bonifazi, sind drei frostige Bazi, und am Schluss fehlt nie die Kalte Sophie.
Es gibt unzählige Sprüche, die sich auf die Eisheiligen vom 12. bis zum 15. Mai beziehen. Und das ist nicht grundlos so: Auch der Mai fällt noch in die Übergangsjahreszeit. Ab Juni sind die polaren Luftmassen dann so weit nach Norden gedrängt, dass sie für das Wettergeschehen in Mitteleuropa schlicht nicht „angezapft“ werden. Zudem wird die Sonneneinstrahlung auch immer stärker. Das ist maximal bis zu den Eisheiligen möglich – und deswegen braucht man im Normalfall danach keinen Frost mehr zu fürchten, was vor allem heutzutage vom Klimawandel noch begünstigt wird.“
Juni: Das Wetter am Siebenschläfertag sieben Wochen bleiben mag.
Für Schulkinder ein wichtiger Lostag, gibt er doch Ausblick auf die Sommerferien: Nach der gregorianischen Kalenderreform 1582 ist der Siebenschläfertag von seinem ursprünglichen Tag am 7. Juli auf den 27. Juni vorgerückt. Die Tage sind aber noch nah genug beieinander, dass die Regel auch für Ende Juni anwendbar ist – und sie trifft vor allem hier in Bayern ziemlich genau zu. In München hat sie eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 80, bei uns immerhin noch zu 70 Prozent. Das Interessante: Das ist auch das Einzige, das wir wissen. Wir können sie zwar empirisch belegen, nicht aber wissenschaftlich erklären.
Juli: St. Jakobi klar und rein, wird das Christfest frostig sein.
Sagen wir so: Seit Jahrhunderten versuchen die Leute, das Weihnachtswetter vorauszusagen. Sie haben alle eines gemein: Sie schaffen es nicht. Prognosen vom Winter für den darauffolgenden Sommer aufzustellen, das ist besser möglich. Andersherum, am 25. Juli auf den kommenden Winter zu schließen, das geht einfach nicht in der chaotischen Wetterküche der mittleren Breiten.
August: Im August Wind aus Nord – jagt unbeständiges Wetter fort.
Grundsätzlich kann man sagen: Nordwind bringt beständiges Wetter. Das hängt mit den „Rossby-Wellen“ zusammen, planetarische Wellen, die unser Wetter bestimmen. Mit dem Nordwind stellt sich eine Zwischenhochlage ein. Im August wird das besonders deutlich. Meist wird es nach dem Nordwind zwar beständiger, aber leider auch deutlich kühler. Oft geht dadurch eine schwülwarme hochsommerliche Wetterphase zu Ende.
September: Regnet es am Michaelistag, folgt ein milder Winter nach. Wenn aber zu Michel der Wind kalt weht, ein harter Winter zu erwarten steht.
Auch wenn der Tag des heiligen Michaels am 29. September ein sehr wichtiger Losttag im Bauernjahr ist, lassen sich von ihm aus maximal für die nächsten zwei Wochen treffsichere Prognosen aufstellen. Selbst Ende September ist es noch zu früh, um auf den kompletten Winter zu schließen.
Oktober: Ist der Oktober rau, wird der Januar flau.
Hier kommt die Empirie der Erklärung zuvor: Es ist tatsächlich so, dass auf einen kühleren Oktober in zwei von drei Jahren ein milder Januar folgt. Eigentlich müsste man in dem Spruch aber den Januar durch den Februar ersetzen: Der wird sogar nach drei von vier rauen Oktobern ziemlich mild. Eine wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen gibt es bislang aber noch nicht.
November: Hat der November einen weißen Bart, wird der Winter lang und hart.
Ein Phänomen, das wir aus dem Sommer kennen: In weißer Kleidung oder in einem weißen Auto wird es nicht so heiß wie in einem schwarzen Hemd oder Auto. Denn die Farbe Weiß hat eine hohe Albedo, das heißt, ein hohes Rückstrahlungsvermögen. Sie lässt die Wärme quasi nicht an sich ran, sondern blockt sie ab. Genauso verhält es sich, wenn wir eine weiße Schneedecke haben: Sie wirft die wärmenden Sonnenstrahlen zurück und schirmt den Boden unter sich damit quasi ab.
So hat Schnee eine hohe Selbsterhaltungsneigung, auch wenn uns das bei uns nicht so vorkommen mag. Liegt Schnee schon im November, nimmt er dem Boden die Möglichkeit, letzte Wärme zu tanken. Und der Winter wird hart, weil die Energie verloren gegangen ist.
Dezember: Donnert's im Dezember gar, folgt viel Wind im nächsten Jahr.
Bis es bei uns im Winter richtig gewittert, braucht es schon ein ordentliches Tiefdruckgebiet. Die bringen Wind oder gar Sturm oder Orkan mit sich. Ein Winter mit vielen Tiefdruckgebieten ist Ausdruck einer starken Nordatlantischen Oszillation, und die hält sich häufig über viele Wochen oder gar Monate in diesem Modus. Und damit schließt sich der Kreis zur Erklärung der Wetterregel im Januar, wo die nordatlantische Oszillation im entsprechend schwachen Modus vorliegt.