Mit schnellen Schritten eilt der blonde Finn durch die hell erleuchtete Halle des Fahrradgeschäfts. Hunderte Räder der verschiedensten Größen, Farben und Ausstattungen reihen sich nebeneinander auf. Weitere zwanzig Räder hängen dahinter an einer hohen Wand. Es riecht nach Gummi und von weiter hinten hört man eine Klingel. Vor einem sportlichen schwarzen Rad mit orangefarbenen Griffen kommt der Junge zum Stehen. "Ah das Mountainbike kenn ich, Mama. Das hat mein Freund Lio. So ein Fahrrad will ich auch. Eins mit dem ich driften kann!"
Verena ist auf der Suche nach einem neuen Fahrrad für ihren siebenjährigen Sohn. Die dreifache Mutter hat bereits zwei Töchter großgezogen und begegnet der Aussage ihres Sohnes deshalb mit Gelassenheit. Sie schmunzelt über seine Ansprüche und antwortet dennoch bestimmt: "Du weißt, was wir ausgemacht haben. Dein Fahrrad soll nicht nur driften können, sondern auch sicher sein. Vor allem, wenn du nächstes Jahr allein zur Schule fährst."
Die Einwände von Verena sind nicht unbegründet. Laut Statistischem Bundesamt kamen im Jahr 2021 rund 22.300 Kinder unter 15 Jahren bei Unfällen im Straßenverkehr zu Schaden. Mit einem Anteil von 38 Prozent waren die meisten von ihnen mit dem Fahrrad unterwegs. Daher sind sowohl Eltern als auch Fahrradhändler in der Verantwortung, auf die verkehrssichere Ausstattung der Kinderräder zu achten.
Zur Bestimmung der Rahmengröße müssen Kinder gemessen werden
Um die Sicherheit im Straßenverkehr zu garantieren, sollte das Rad an den individuellen Bedürfnissen des Kindes ausgerichtet sein. "Am besten gehen Eltern auf der Suche nach dem passenden Kinderrad in den spezialisierten Fachhandel. In einem Fahrradladen mit Kinderrädern kann das Kind das Rad direkt testen", empfiehlt Laura Ganswindt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Das Kind werde direkt zu Beginn der Beratung gemessen. Auf dieser Grundlage könne der Fahrradverkäufer die passende Zollgröße des Kinderrads bestimmen. Meist fahren Kinder zwischen sieben und neun Jahren ein Fahrrad mit 20 oder 24 Zoll großen Rädern.
Finn wird ebenfalls zu Beginn des Fahrradkaufs gemessen. Mit 1,36 m ist er groß für sein Alter. Der Fahrradhändler schlägt die Größen 24 und 26 Zoll vor. Er hält das schwarze 26-Zoll-Rad mit den orangefarbenen Griffen am Lenker fest und Finn schwingt sich auf den Sattel. Als er schließlich sitzt, reichen seine Füße nicht bis zum Boden. Sein Oberkörper ist vollends in Richtung des weit entfernten Lenkers ausgestreckt. Der Verkäufer erkennt das Problem: "Das Fahrrad ist wohl doch noch zu groß". Bei Kindern sei verstärkt darauf zu achten, die individuell richtige Größe entsprechend der Körpergröße und Statur des Kindes auszuwählen. Experten raten ausdrücklich davon ab, ein Fahrrad zum "reinwachsen" zu kaufen. "Auf einem zu großen Fahrrad sitzt das Kind unbequem und unsicher im Sattel, es kann auch nicht richtig treten", sagt Laura Ganswindt. Zu lange Pedalkurbeln und ein zu breiter Lenker erschweren das Fahren zusätzlich und könnten das Kind somit in Gefahrensituationen zu schnell überfordern.
Bremsen und Licht am Kinderfahrrad müssen passen
Verena und Finn haben sich für das kleinere 24-Zoll-Rad entschieden. Ein sportliches Rad mit beigefarbenem Rahmen und blauer Aufschrift. Wie die meisten Mountainbikes ist auch dieses Rad noch nicht verkehrssicher ausgestattet. Laut dem TÜV Süd sollte das Kinderfahrrad neben einer helltönenden Klingel über zwei unabhängig voneinander funktionierende Bremsen verfügen. Ferner zwei rutschfeste und fest verschraubte Pedale, die mit je zwei nach vorn und hinten wirkenden, gelben Reflektoren ausgestattet sind. Am wichtigsten für die Verkehrssicherheit ist neben den Bremsen die Fahrradbeleuchtung. Vorgeschrieben sind ein weißer Frontscheinwerfer sowie ein rotes Rücklicht. Für gute Sichtbarkeit von der Seite sind wahlweise Reflektorstreifen an den Reifen oder gelbe Speichenreflektoren anzubringen.
Zusätzlich zu dem beigefarbenen Mountainbike kauft Verena deshalb noch eine schwarze Klingel und die Front-, Rück- und Seitenbeleuchtung für das neue Rad. Die übrige Ausrüstung für den Straßenverkehr hat sie bereits zu Hause. Neben einem festsitzenden Helm und einem kindergerechten Fahrradschloss besitzt Finn eine reflektierende Weste. So fällt er in der Dämmerung und Dunkelheit im Straßenverkehr deutlich auf.
Finn strahlt über beide Ohren und hüpft aufgeregt auf und ab als Verena das Fahrrad samt der neuen Ausrüstung in den großen Kofferraum des Autos einlädt. Sie hat ebenfalls ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht als sie die Kofferraumklappe schließt und sich auf den Fahrersitz niederlässt. "Da haben wir doch einen guten Kompromiss zwischen Spaß und Sicherheit gefunden."
Hinweis:Dieser Text ist im Rahmen eines Kooperationsprojekts unserer Redaktion mit dem Master-Studiengang Fachjournalismus der TH Würzburg-Schweinfurt entstanden.
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