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Kommentar: N-Wort in der Schullektüre: Wie geht man mit rassistischer Sprache um?

Kommentar

N-Wort in der Schullektüre: Wie geht man mit rassistischer Sprache um?

Felicitas Lachmayr
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    Rassistische Denkmuster, stereotype Charaktere und diskriminierende Sprache durchziehen die Weltliteratur – von Shakespeare über Defoe und Twain bis zu Kant.
    Rassistische Denkmuster, stereotype Charaktere und diskriminierende Sprache durchziehen die Weltliteratur – von Shakespeare über Defoe und Twain bis zu Kant. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa (Symbolbild)

    Rassistische Denkmuster, stereotype Charaktere und diskriminierende Sprache durchziehen die Weltliteratur – von Shakespeare über Defoe und Twain bis zu Kant. Das lässt sich nachträglich schwer korrigieren. Wörter können getilgt werden – in Kinderbüchern wurde das bereits erprobt. Aber damit ist nicht viel gewonnen, denn die zugrunde liegenden, rassistischen Vorstellungen werden nicht einfach ausradiert. Wie also umgehen mit Werken, die voll sind mit abwertenden Begriffen? Nicht mehr lesen? Umschreiben? 

    Ein Fall aus Ulm hat die Debatte neu entfacht. Eine Lehrerin will einen Roman der deutschen Nachkriegsliteratur nicht besprechen, weil mehrmals das N-Wort fällt. Man kann die Reaktion als übertrieben abtun und damit Umfragen des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung bestätigen. Demnach reagiert ein Großteil der Deutschen abwehrend, wenn Rassismus offengelegt wird und deutet dies als Einschränkung der Meinungsfreiheit. 

    Diskriminierende Sprache reproduziert rassistisches Denken

    Man kann aber auch respektieren, dass eine Lehrkraft ihre Betroffenheit äußert und ihr zuhören. Als Weiße oder Weißer in einer weißen Mehrheitsgesellschaft erlebt man Rassismus selten selbst. Aber Sprache kann verletzen und ein Buch, in dem dutzende Male unkommentiert das N-Wort fällt, ist als Schullektüre problematisch. Auch wenn es sich um große Literatur handelt, die wie bei Koeppen Rassismus abbilden will. 

    Der Begriff markiert eine vermeintliche Andersartigkeit, egal ob er bei der Buchbesprechung im Unterricht oder auf dem Pausenhof fällt. Die Verachtung, die in dem Wort steckt, wird reproduziert und Schülerinnen und Schüler of Color werden diskriminiert. Im didaktischen Kontext sollte eine Buchausgabe zumindest Fußnoten und Erklärungen enthalten. Denn Lehrkräfte sind oft nicht geschult, um für das Thema zu sensibilisieren. In der Ausbildung spielt Rassismuskritik kaum eine Rolle. 

    Das Rasse-Konzept konstruiert vermeintliche Überlegenheit

    Nicht nur an Schulen, auch im Alltag fehlt ein Bewusstsein dafür. Wir alle haben diskriminierende Denkmuster internalisiert. Fast die Hälfte der Deutschen glaubt an die Existenz menschlicher Rassen, obwohl es keine biologische Grundlage dafür gibt. Rasse ist ein ideologisches Konzept, um anhand willkürlicher Merkmale eine vermeintliche Überlegenheit zu konstruieren und die Unterdrückung anderer zu rechtfertigen. 

    Vor dem Gesetz sind wir alle gleich, doch im Alltag werden Menschen, die durch Aussehen oder Herkunft von einer vermeintlichen Norm abweichen, diskriminiert, bewusst oder unbewusst. Umso wichtiger ist es, Rassismus klar zu benennen und die Perspektiven von Betroffenen mit einzubeziehen. 

    Der Kanon der Weltliteratur ist weiß, männlich und eurozentristisch

    Literatur kann dabei helfen, denn sie eröffnet Einblicke in die Erfahrungswelten anderer, fördert die Empathiefähigkeit und schafft Raum für Debatten. Schwarze Autorinnen und Autoren wie James Baldwin, Toni Morrison, Percival Everett oder Zadie Smith waren und sind wichtige Stimmen im Kampf gegen Rassismus. Bleibt die Frage, warum ein Buch aus den 1950er Jahren herangezogen wird, um mit Schülerinnen und Schülern über Rassismus zu sprechen. Weil es ein Klassiker ist? 

    Dann muss man auch hinterfragen, welche Werke zur Weltliteratur gehören. Wessen Perspektiven werden da erzählt? Wer entscheidet darüber? Über Literatur wurden und werden Machtverhältnisse zementiert. Im englischsprachigen Kontext wird die Debatte längst geführt, auch in Deutschland wird sich der Blick auf den Kanon ändern. Denn der ist immer noch weiß, männlich und eurozentristisch. Im Kern geht es nicht um die Frage, ob Wörter aus Büchern gestrichen werden, sondern wie wir als Gesellschaft struktureller Ungleichheit entgegenwirken. 

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