Die lustigste Zeit des Tages ist morgens zwischen fünf und zehn. Während Menschen aus dem Bett krabbeln, duschen, sich die Zähne putzen, frühstücken und zur Arbeit fahren, dudelt in Bädern, Küchen oder Autos das Radio – und die Moderatoren der Morgenshows überschlagen sich vor Heiterkeit. Ob die jüngsten Äußerungen von Angela Merkel, die neue Frisur von Heidi Klum, der peinliche Auftritt eines Hollywoodstars, ein überraschender Spielerwechsel in der Fußball-Bundesliga: Gewitzelt wird über alles und jeden, mal mehr und mal weniger lustig, aber immer in einem oder zwei Sätzen – One-Liner, auf Deutsch Einzeiler, heißen die kurzen Scherze nicht von ungefähr.
Die meisten der Gags sind nicht auf dem Mist der Moderatoren gewachsen, sie stammen aus der Feder von Autoren – viele Witze kommen aus Berlin, wo Markus Koch seit zwei Jahren die Agentur „Gag-Flatrate“ betreibt: Der 35-Jährige und sein Team beliefern 21 Radiostationen in ganz Deutschland jeden Morgen noch vor dem ersten Hahnenschrei mit einer wahren Flut von Scherzen.
Flipper Manni und Karl Lagerfeld
Gefrotzelt wird etwa über den merkwürdigen Namen Delphine Malou, den Sarah Connor ihrem dritten Kind gegeben hat: „Da hat die Kleine aber wirklich Glück gehabt, dass sie kein Junge geworden ist – sonst hätte man sie wahrscheinlich Flipper Manni genannt.“ Oder über die Meldung, dass Topmodel Claudia Schiffer ihr Landhaus in England mithilfe eines Exorzisten angeblich von unliebsamen Geistern säubern ließ: „Vielleicht würde es ja schon helfen, wenn sie einfach mal mehr als ein Salatblatt am Tag isst – dann verschwinden auch die Halluzinationen.“ Den Radioleuten, denen das nicht witzig genug war, stand an dem Tag auch der Satz zur Auswahl: „Die seltsame Erscheinung war gar kein Geist, sondern nur Karl Lagerfeld im Nachthemd.“
Von Montag bis Freitag liefern Markus Koch und eine Handvoll Mitstreiter per Mail täglich um die 100 Gags an die Sender, aus denen die Moderatoren auswählen – das macht viele tausend Scherze pro Jahr. Die Themenpalette umfasst alles, worüber Medien aktuell berichten: Politik und Sport, Klatsch und Tratsch, Promis und Peinlichkeiten. Krieg, Mord und Totschlag, blutige Tragödien und richtig Unappetitliches sind tabu: „Wir nennen das die Nutella-Probe“, sagt Koch. „Wenn ich mir vorstellen kann, ohne einen Anfall von akuter Übelkeit mein Nutella-Brötchen zu essen, während der Gag im Radio läuft, dann ist er okay.“ Damit die Witzware immer schön frisch, sprich brandaktuell ist, müssen Koch und seine Leute vor allem nachts ran und das Internet nach den Themen durchforsten, die am nächsten Tag in der Zeitung stehen: Um vier Uhr morgens gehen dann von Berlin aus die Mails mit den Spaßpaketen an die Radiosender, darunter große und kleine, öffentlich-rechtliche und private Stationen.
Scherze für Yanar und Schmidt
Was seine Kunden für die lustige Dienstleistung bezahlen, verrät Koch nicht. Er und seine Mitarbeiter können vom hauptberuflichen Witzeschreiben leben. Auf die Geschäftsidee kam der 35-jährige Berliner vor gut zwei Jahren. Als Comedyautor für Fernsehsendungen wie „Was guckst du?!“ mit Kaya Yanar, die „Freitag Nacht News“ oder die „Harald Schmidt Show“ hatte er sich da schon einen Namen in der Branche gemacht – für Schmidt, dem ein ganzes Heer von Gagschreibern zur Verfügung steht, dichtet er immer noch, für 105 Euro pro gesendetem Scherz.
Ursprünglich wollte Koch nur seine Witze, die es nicht ins Fernsehen schaffen, an Radiosender verkaufen. Doch schon bald erkannte er, dass das Medium Radio für Comedyautoren wie ihn ungleich lukrativer ist, denn anders als im Fernsehen kann ein und derselbe Gag mehrfach verkauft werden, da sich die Sendegebiete von Kochs Abnehmern überhaupt nicht oder nur kaum überschneiden.
Dass bei mehreren hundert Witzen pro Woche nicht alle spitze sind, räumt Koch freimütig ein, neben richtig guten Pointen finden sich im Angebot von „Gag-Flatrate“ auch Kalauer. „Oft werden aber gerade die Gags, die ich weniger gut finde, von den Sendern genommen – und umgekehrt“, wundert sich der 35-Jährige, der privat nicht den Scherzkeks spielt. „Ich glaube, ich bin privat schon ein lustiger Mensch. Aber ich erzähle keine vorgefertigten Witze.“