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Faszination Führerbunker

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Faszination Führerbunker

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    Ein neues Berliner Touristenziel: Wo einst der Bunker Hitlers war, sind heute ein Park- und ein Kinderspielplatz, mit DDR-Plattenbauten im Hintergrund.
    Ein neues Berliner Touristenziel: Wo einst der Bunker Hitlers war, sind heute ein Park- und ein Kinderspielplatz, mit DDR-Plattenbauten im Hintergrund. Foto: Foto: dpa

    Annie und Will kommen aus Branston/Missouri – und wollen zu Hitler. Die Wasserstoffblondine mit Rucksack und der Turnschuhmann mit Kamera sahen in einer Zeitung Fotos vom Führerbunker im Zentrum Berlins. Da hinein wollen sie, um sich zu gruseln. „Where is it?“, fragen sie, wo ist er?

    Faszination Führerbunker. Warum wollen Menschen unbedingt sehen, wo der Diktator des NS-Reiches seine letzten Wochen verbrachte, bis er sich am 30. April 1945, als die Rote Armee Berlin zu umzingeln begann, das Leben nahm? Gemeinsam mit seiner Frau Eva Braun. „And his Dog“, ergänzt Annie, und seinem Hund. Es gibt offenbar ein elementares Bedürfnis, sich einmal im Kern des Bösen aufzuhalten. Das sei derzeit ein regelrechter Ansturm, sagt eine Fremdenführerin. Engländer, Polen, Spanier, Deutsche und andere suchen einen einst bombensicheren Bunker, den es gar nicht mehr gibt.

    Die beiden Amerikaner sind gerade durchs Holocaust-Mahnmal gelaufen, den Wald der Stelen, der an die ermordeten sechs Millionen Juden erinnert. Nun, 100 Meter weiter in der Straße In den Ministergärten, lesen sie aufmerksam den englischen Text in der verglasten Tafel „Mythos und Geschichtszeugnis Führerbunker“.

    Nahebei wurde Adolf Hitlers letzter Unterschlupf 1947 gesprengt, später zugeschüttet, im Kalten Krieg lag der Ort unerreichbar im Grenzgebiet. In DDR-Zeiten wurde er überbaut mit Plattenbauhäusern. Der SED-Staat wollte direkt an der innerdeutschen Grenze sein modernes Gesicht zeigen. Die Wohnungen waren für Funktionäre reserviert, die meisten wussten nicht, dass unter ihren Kellern einst ein Tunnelsystem den Führerbunker mit dem Bunker der Reichskanzlei verband.

    Was nicht einmal alle Fremdenführer wissen: Von Hitlers unterirdischer Zuflucht existiert noch ein Rest. Nach der Sprengung in DDR-Zeit blieb nämlich die Bodenplatte, also der erkennbare Grundriss, erhalten. Darüber liegen heute ein Kinderspielplatz und ein Parkplatz. Eine Öffnung und Ausgrabung würde, das wissen Archäologen, nichts bringen, weil nicht einmal mehr Relikte in Form von Knochenasche verblieben sind. Der Hauptstadt-Tourismus will mit einem Führerbunker-Tourismus nichts zu tun haben – man weiß von Hitlers Berghof beim bayerischen Berchtesgaden, der schnell ein Pilgerziel für Neonazis wurde.

    Wie ein Witz der Geschichte

    Es ist wie ein Witz der Geschichte, dass ein Ost-Berliner Fotograf vor 25 Jahren über die Baustelle keck in die unterirdische Welt hinabstieg, getarnt mit Blaumann und Helm, aus der Tasche ragte eine Thermoskanne, darunter verbarg er seine „Practica“-Kamera. 30 Mal schlüpfte Robert Conrad mit klopfendem Herzen in den Tunnel, stand manchmal bis zur Brust im Wasser und knipste im modrig riechenden Halbdunkel alles ab, was ihm vor die Linse kam: Entlüftungsanlagen, Duschen, leere Tresore, rostige Bettgestelle, Stromverteiler und meterdicke Decken. Genau das würde Will gern ebenso tun, das Herz des Bösen ablichten. „Was it comfortable in the Underground?“, fragt er, war es bequem da unten?

    Robert Conrad packte damals die Negative in eine Kiste. Bei einem Umzug stieß er darauf und ging an die Öffentlichkeit. Was folgte, war eine Riesenaufregung. Galerien aus den USA und der Schweiz stehen Schlange, um die Bilder auszustellen. Manche sagen, man solle einen Freedom Trail einrichten wie in Boston. Er könnte über den Erschießungshof an der Bendlerstraße über die unterirdischen Reste des Gestapo-Hauptquartiers Prinz-Albrecht-Straße, heute schon Museum, an der Bunker-Grube auf einen schnellen Blick vorbei und dann zum Holocaust-Mahnmal führen. Das wäre eine lehrhafte Führung bezüglich Ursache und Wirkung.

    Womöglich wird Hollywood das Thema aufgreifen, angeblich besteht Interesse. Offiziell nimmt niemand dazu Stellung. Aber für den Hauptstadttourismus wäre der Hitler-Bunker ein Supermagnet, auch wenn es ihn gar nicht mehr gibt.

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