Wer sein Leben optimieren will, denkt an positives Denken. Die Psychotherapeuten Phil Stutz und Barry Michels in Los Angeles, die Menschen in ihren Seelennöten unterstützen, glauben dagegen an „drei Grundregeln des Lebens“. Die lesen sich anfangs erschreckend: Das Leben ist anstrengend. Du wirst Schmerzen erleiden. Das einzig Sichere ist die Unsicherheit.
Einst kamen aus den USA ganz andere Lebensglückstipps a la „Ich bin okay, du bist okay“, ein millionenfach verkaufter Ratgeber. Stutz und Michels trösten nicht billig, sie provozieren. Und setzen auf „The Tools“, Werkzeuge, die sie ihren Lesern an die Hand geben. Taugt das was? Ja, für Menschen, die einen Sinn für das Spirituelle haben, die in der Lage sind, sich neuen Gedanken und Einsichten zu öffnen.
Verborgene Kräfte des Menschen
Das kürzlich erschienene Buch hat es auf der Bestsellerliste der „New York Times“ ganz nach oben gebracht. In 30 Ländern ist es mittlerweile veröffentlicht! Für die Autoren spielt der Faktor Realness, Wirklichkeit, die größte Rolle. Ihre Tools haben sie nicht nur an Berühmten, darunter 13 Oscar-Stars, getestet, sondern überwiegend an normalen Zeitgenossen. Und dort, so beteuern sie, haben sie gewirkt.
Werkzeuge gehören in die Hände von Handwerkern, die holt man sich, damit sie technische Probleme lösen. Auch psychische Probleme drängen nach Lösungen. Das Autorenduo verspricht diese Lösungen, aber gebunden an Eigeninitiative. Der Mensch habe verborgene Kräfte, die er entdecken und nutzen kann, um sein Leben zu meistern. Jeder sei sein eigener Seelenhandwerker.
Als langjährige Therapeuten gehen Stutz und Michels mit ihrem Fach, der Psychotherapie, hart ins Gericht. Viele Analytiker gingen davon aus, werde die Ursache eines Problems identifiziert, löse es sich auf. Und dauere es noch so lange – Psychotherapeuten gehen bis in die Kindheit zurück, mitunter währt die Analyse Jahre –, das Problem müsse beseitigt werden. „Falsch!“ heißt es im Buch. Das Problem zeigt einen Weg der menschlichen Entwicklung, er muss bis zu Ende gegangen werden: hinein ins Innere, zu ungenutzten Kräften, die gefühlt, zu Lösungen, die erfahren werden können. Im Buch heißt es: „Ein wirklich gereifter Mensch akzeptiert, dass ein fundamentaler Unterschied besteht zwischen den Zielen, die uns das Universum setzt. Im Allgemeinen wollen Menschen in der Außenwelt Erfolg haben – zum Beispiel ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen oder einen Lebenspartner finden.“
Doch „dem Universum geht es nur darum, wer wir in unserm Innern sind. Widerstand ist das Einzige, wodurch das Universum unsere inneren Kräfte stärken kann.“ Die Tools sollen helfen, Denkweisen und Verhalten zu verändern. Darum kommt es, erstes Tool, auf die „Umpolung des Verlangens“ an. Fast alle Menschen verschanzten sich in einer Lebensweise, bei der Schmerzhaftes vermieden wird. Eine falsche Sicherheit. Wer aus ihr herausgehe, treffe „sofort auf den Schmerz“. Man solle in den Schmerz eintauchen wie in eine dunkle Wolke, ihn durchlaufen, „bis Sie mit ihm eins sind“, und fühlen, „wie die Wolke Sie ausspuckt und sich hinter Ihnen wieder schließt“. Willenskraft werde zur Umwandlung in Energie. Wer die drei Sätze „Schmerz, komm her!“, „Ich liebe Schmerz“ und „Der Schmerz befreit mich“ ausspricht, erlebe Befreiung.
Das zweite Tool ist die „aktive Liebe“. Wir alle ärgern uns über Menschen, die uns schlecht behandeln. Besser sei, ihnen mit einem geöffneten Herzen zu begegnen, so lange, bis die Liebe daraus die andere Person, das jeweilige Ärgernis, als Energie erreicht. Dann komme es auf kurz oder lang zu einer Veränderung, das beseitige den Ärger und mache geistig unabhängig. Das dritte Tool ist die „innere Autorität“. So werde allgegenwärtige Unsicherheit überwunden – privat wie beruflich. Die innere Autorität sei wie ein Schatten, der neben einem steht. Mit ihm schwinde die Angst, man werde an seiner Seite immer furchtloser. Das vierte Tool ist das „dankbare Herz“. Negative Gedanken und chronische Sorgen blockieren unsere Gefühlsströme, so die Autoren, sie führten zu exzessiver Selbstkritik oder Verurteilung anderer. Dankbarkeit im Herzen leite da wie ein Strom heraus. Täglich alle Dinge aufzählen, die dankbar machen – bis die Dankbarkeit auch im Körper gespürt und als Quelle erfahren werde.
Selbstvertrauen durch Suggestion
Das fünfte Tool ist für Fortgeschrittene, es heißt „Leben oder Tod“. Man solle visualisieren, wie man auf dem Sterbebett liegt, um keinen Moment des Lebens zu verpassen. Keine einfache Übung, aber schon Sokrates empfahl, alles von seiner letzten Stunde her zu betrachten. So gewinne man Macht über sein Dasein.
Stutz und Michels lehren, Selbstvertrauen durch Suggestion zu entwickeln. Das kann erfolgreich sein, wenn man sich darauf wirklich einlässt. Es geht schief, wenn man es nur als Spiel sieht. Die Autoren sprechen von der „neuen Spiritualität. Sie verschafft uns Mittel und Wege, mit deren Hilfe wir die höheren Kräfte erforschen und ihr Wesen auf unsere Weise erfahren können“. Gemeint ist, dass es hilfreich sei, an Quellkräfte zu glauben, die mit Tools aus der Werkzeugkiste auch im Menschen aktiviert würden. So gelangten wir zum Wesentlichen, das Leben erhalte tieferen Sinn. „Wir sehen uns gern als Wesen, die aus sich heraus vollendet sind. Das sind wir jedoch nicht“, so die Autoren. „Vollendet sind wir nur, wenn wir mit etwas verbunden bleiben, das größer ist als wir selbst“, heißt es. Dann würden wir zum Schöpfer unserer selbst.
Phil Stutz, Barry Michels: The Tools (Arkana, München, 286 S., 18,50 Euro)