Glatte Haut statt störrischem Bart. Schwarzes Shirt statt weißem Kittel. Gelenkiger Hüftschwung statt steifem Gehabe. Jan Josef Liefers zeigte beim Würzburger Hafensommer, dass er mehr draufhat als den zynischen Rechtsmediziner Boerne im Münsteraner „Tatort“. Mit seiner Band Radio Doria spielt der 49-Jährige poetisch-poppigen Deutschrock und knackt sogar die skeptischen Franken.
„Mir hat jemand gesagt, die Franken seien anfangs immer noch etwas reserviert“, sagt Liefers zu Beginn des Konzerts. Noch haben sich erst knapp zehn – größtenteils weibliche – Fans in den Freiraum vor die Bühne getraut. Der Rest der rund 800 beobachtet den Auftritt des Schauspielers zurückhaltend von der Sitztribüne aus. „Mal sehen, wie lange ihr es da hinten aushaltet.“ Seit 2006 tourt er mit seiner Band immer wieder durch Deutschland. „Radio Doria ist der Sender, den man nachts hört, wenn man wieder einmal nicht schlafen kann“, erklärt der Sänger. Ein ihm nicht unbekanntes Szenario: „Ich bin seit 35 Jahren müde“, gesteht er. Für zwei Stunden wackeln, zappeln, schmettern und summen reicht seine Energie aber noch aus.
Nach dem „Soundtrack meiner Kindheit“, bei dem der Dresdener sein Leben in der DDR Revue passieren ließ, ist die sechsköpfige Gruppe erstmals mit einem komplett selbst geschriebenen Programm unterwegs. „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ heißt das Album, das im September erscheinen soll. Gesungen wird über verlorene Liebe, unbeschreibliche Erlebnisse und religiösen Fanatismus. Liefers ist ein Poet – nachdenklich und mit viel Gespür für die richtigen Worte. Nicht zu flach, nicht zu besserwisserisch, ein wenig philosophisch. „Der Weg ist das Ziel, doch dann steht das Ziel im Weg“, sinniert er. Der 49-Jährige erzählt Geschichten, die Bühne wird zum Theater. In kurzen Einschüben kritisiert er den Konsumwahn der heutigen Zeit („Nachrichten sind wie Fritten, wir stopfen immer mehr in uns rein, und man wird nie satt“) und spricht von seinem politischen Engagement in Krisengebieten.
Der vierfache Vater ist kein naiver Jugendlicher mehr, dementsprechend direkt sind seine Fragen ans Publikum: „Wer hier ist frisch getrennt?“ Zaghaft gehen ein paar Hände hoch. Man versteht die Texte des charmanten Grüblers, kennt die Gedanken, die sich Liefers mal leise und mal laut macht: „Die Sehnsucht ist lange verreist, manchmal schickt sie uns Karten.“ Die Songs liegen irgendwo zwischen dem poppigen Sound von PUR und den Hymnen von Coldplay.
Je dunkler der Himmel über den Mainwiesen wird, desto mehr Besucher trauen sich nach vorne – und ernten dafür lautstark Liefers' Anerkennung. Eng umschlungen tanzt er mit Fan Katrin über die Bühne, zum Abschied rennt er durch die Menge, schüttelt zappelige Hände und bedankt sich, ganz Charmeur: „Würzburg, es war schön, mit euch schlaflos zu sein.“