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Karl Mays Leben und Streben

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Karl Mays Leben und Streben

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    Legendär: Klassische Buchrücken von Karl-May-Bänden (oben), Illustration aus „Der Schut“ (unten links) und schließlich der Autor mal drei – als Schreiber, als Old Shatterhand und als Kara Ben Nemsi.
    Legendär: Klassische Buchrücken von Karl-May-Bänden (oben), Illustration aus „Der Schut“ (unten links) und schließlich der Autor mal drei – als Schreiber, als Old Shatterhand und als Kara Ben Nemsi. Foto: Fotos: Karl May Verlag, dpa, Schulmuseum LOhr

    Der bitterarme Weber-Sohn war ein Prahlhans. Zudem ein Dieb, der gefasst wurde und im Gefängnis auf die Idee kam, aus seiner wabernden Fantasie Profit zu schlagen. So sind bisher fast 80 Bände mit Reise- und Abenteuer-Geschichten erschienen, und ein Ende der Edition ist nach wie vor nicht abzusehen. Denn es gibt noch Material, das aufzubereiten ist. Die Weltauflage der Bücher von Karl May liegt bei 200 Millionen, allein im deutschsprachigen Raum sind davon 100 Millionen im Umlauf. May gilt als der meistübersetzte deutsche Schriftsteller, mehr als Goethe und andere.

    Nun ist einer seiner wichtigsten Texte veröffentlicht worden, „Mein Leben und Streben“, 1910 von ihm verfasst, zwei Jahre vor seinem Tod und mit der Absicht, späteren Generationen sein wahres Leben zu erzählen, aber auch Leser mit einer raffiniert arrangierten Selbstdarstellung zu betören. Selbst darin ist der Vielschreiber, der wie ein Besessener Buch um Buch produzierte – ob vom Westernhelden Old Shatterhand, dem aufrichtigen, aber tragischen Indianer Winnetou oder dem Orienterkunder Kara Ben Nemsi –, höchst unterhaltsam. Der sächsische Ich-Erzähler, der aus kleinsten Verhältnissen über viele Umwege zäh und beharrlich zu Weltruhm aufstieg, war ein begnadeter Selbstinterpret, ein Selbstdarsteller mit erheblicher Fortune, der andere immer neu verblüffte.

    Es ist bekannt, dass Karl May (1842-1912) seine „reißenden Märchen“ (Ernst Bloch) allesamt komplett erfunden hat, obwohl sie so geschrieben sind, als habe er sie persönlich miterlebt. Schon früh kamen daran Zweifel auf, zudem gab es Neider. Die großspurigen Fantasiegebilde des angeblich weltläufigen Abenteurers waren überaus spannend und fanden seit den 1870er Jahren ihre Leser, die immer mehr davon wollten. Es war die Schmähkampagne des Journalisten Rudolf Lebius in Mays letzten Lebensjahren, die ihn dann doch in höchste persönliche Bedrängnis brachte. Lebius schrieb nicht nur, Mays Bücher seien „verbrecherisch erstunken und erlogen“, sondern wies auch Plagiate und Ungereimtheiten nach.

    Mays bürgerliche Reputation und Glaubwürdigkeit war dadurch in Frage gestellt, er musste in irgendeiner Form darauf reagieren. Das tat er mit „Mein Leben und Streben“, darin auch „Meine Beichte“. Die Texte sind psychologisierende Rechtfertigungen für seine grandiosen Lügen. Sie verhalfen dem Fantasten zu einem Platz in der deutschen Literaturgeschichte. In der seit 1987 herausgegebenen Karl-May-Ausgabe der Karl-May-Gesellschaft, die neun Abteilungen umfasst, quellenkritisch ediert und wissensschaftlich fundiert, ist nun die VI. Abteilung („Autobiographische Schriften“) eröffnet worden. May gibt Auskunft über sich selbst, die inneren Motive des Schreibens und die Antriebe für ein großes, in sich geschlossenes Werk. Arno Schmidt sah in ihm einen „Großmystiker“. Dabei hatte er sogar seinen Doktortitel erfunden.

    Zusammengetragen haben Joachim Biermann, Geschäftsführer der Karl-May-Gesellschaft, und die Herausgeber Hainer Plaul, Ulrich Klappstein und Johannes Zeilinger Texte aus der Feder Mays, die er für Lexika oder andere Bücher verfasst hat. Sie zeigen, wie dieser Mann sich in Selbstmitleid suhlte, dabei aber originelle Gedanken entwickelte. Seine Realitätsschilderungen sind später immerhin selbst von Experten bestätigt worden, etwa den nordamerikanischen Indianern. Die Erscheinungsorte der Beiträge sind sorgfältig angegeben. Wer hieb- und stichfest wissen will, bei wem es sich um Karl May handelt, kommt an diesem Band nicht vorbei.

    Karl May: Mein Leben und Streben und andere Darstellungen. Historisch-kritische Ausgabe (Karl-May-Verlag, 500 Seiten, 39,90 Euro)

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