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Würzburg: "Klamms Krieg": Wenn das Klassenzimmer zum Schlachtfeld wird

Würzburg

"Klamms Krieg": Wenn das Klassenzimmer zum Schlachtfeld wird

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    Georg Zeies spielt den Lehrer Klamm, der sich selbst ins Unglück redet. 
    Georg Zeies spielt den Lehrer Klamm, der sich selbst ins Unglück redet.  Foto: Inka Bausewein
    • Was ist das für ein Stück? "Klamms Krieg" ist ein Theaterstück von Kai Hensel aus dem Jahr 2000, das für die Aufführung im Klassenzimmer geschrieben wurde. Meist wird es vor Schulklassen gespielt, das Mainfranken Theater hat es nun aber ins Abendprogramm genommen – zu erleben in einem Klassenzimmer des Röntgen-Gymnasiums.
    • Was passiert darin? Sein Deutsch-Leistungskurs hat dem Lehrer Klamm den Krieg erklärt, weil dieser einen Schüler mit einer schlechten Note in den Suizid getrieben haben soll. Klamm versucht mit allen Mitteln, sich zu wehren, die Lage in den Griff zu bekommen.
    • Ist das nur im Zusammenhang Schule interessant? Durchaus nicht. Zwar hat jeder Mensch Schulerinnerungen, an die das Stück anknüpft, dennoch geht es um Grundsätzlicheres: Wie kann es passieren, dass ein Mensch vollkommen den Kontakt zu anderen und zu sich selbst verliert?

    Sofort ist es wieder da, das Schulgefühl. Es scheint allen Besucherinnen und Besuchern so zu gehen: Sobald sie in dem Klassenzimmer des Röntgen-Gymnasiums Platz genommen haben, kommen Erinnerungen an die Schulzeit hoch – egal, wie lange diese zurückliegt. Bänke, Stühle, Pinnwand mit Karte der Regionen Frankreichs, vorne Lehrerpult und grüne Tafel, links neben der Tür das Waschbecken.

    Das beklemmende Gefühl, irgendwie beteiligt zu sein

    Und als Georg Zeies, der in dem Ein-Mann-Stück "Klamms Krieg" den Lehrer Klamm spielt, den Schwamm von der Tafelablage nimmt, rechnet man fast damit, dass er "Wer hat Tafeldienst?" ins Zimmer ruft. Tut er nicht. Trotzdem wird dieses beklemmende Gefühl, irgendwie beteiligt zu sein, während der knappen Stunde immer intensiver. Weil sich da vorne ein Mann ins Unglück redet, eine Brücke nach der anderen hinter sich abbrennt und dabei alle Stadien von der Drohgebärde ("Es kann in dieser Sache keine Einigung geben") über Anbiederung bis hin zur Selbstzerstörung durchläuft.

    Nach den Drohgebärden und der Anbiederung kommt die Selbstzerstörung: Georg Zeies in "Klamms Krieg".
    Nach den Drohgebärden und der Anbiederung kommt die Selbstzerstörung: Georg Zeies in "Klamms Krieg". Foto: Inka Bausewein

    Und weil Georg Zeies so nahtlos in diesen Klamm schlüpft, dass es kein Entkommen gibt. Der Schwung, mit dem er die schweinslederne Lehrertasche auf den Tisch pfeffert, die Routine, mit der er das gelbe Reklam-Heft aufschlägt, die Penibilität, mit der er seine Stifte ordnet. Vor allem aber die immer verzweifelter flehenden Augen, die fahriger werdende Körpersprache, die immer lauter werdende Stimme (Regie: Toomas Täht). Nichts bricht die Situation auf, nichts mildert das Bewusstsein, dass hier eine Katastrophe passiert. Unausweichlich, tragisch, unreparierbar. Unmittelbarer ist Theater kaum vorstellbar.

    Klamm ist gescheitert, lange bevor das Theaterstück einsetzt

    Schwer zu sagen, ob es eine Versöhnung mit der Klasse hätte geben können. Klamm jedenfalls stehen die pädagogischen und menschlichen Instrumente dafür nicht zur Verfügung. Er beharrt auf Lehrsätzen wie "Schule ist immer Zwang!" oder "Schule wird sich nie ändern!" In einer immer absurder werdenden Rechtfertigungsspirale versteigt er sich zu schrecklichen Sätzen wie "Sascha ist gestorben, weil mir das Abitur noch was bedeutet".

    Klamm ist gescheitert, lange bevor das Theaterstück einsetzt. Aber woran? Daran, dass er gleichzeitig geliebt und gefürchtet werden will? Dass er nicht zurecht kommt mit dieser eigenartigen Kombination aus Machtfülle und Verwundbarkeit, die jede Lehrkraft aushalten muss? Scheitert er an einem System, das Liberalität suggeriert, aber gnadenlos standardisierte Leistung einfordert? Das hehre Bildungsziele formuliert, letztlich aber nur so integer sein kann wie seine Vertreter?

    Das Stück beantwortet diese Fragen nicht. Sondern wirft noch einige mehr auf. Die wichtigste: Wie kann ein Mensch sich so sehr selbst verlieren?

    Weitere Termine: Freitag, 17., und Mittwoch, 22. Dezember, jeweils 20 Uhr, Röntgen-Gymnasium Würzburg. Karten: www.mainfrankentheater.de, Tel. (0931) 3908-124, karten@mainfrankentheater.de

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