Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Würzburg: Können Computer komponieren? Und wenn ja, taugt das was?

Würzburg

Können Computer komponieren? Und wenn ja, taugt das was?

    • |
    • |
    Ulla Hahn und Kit Armstrong auf der Bühne im Kaisersaal der Würzburger Residenz. 
    Ulla Hahn und Kit Armstrong auf der Bühne im Kaisersaal der Würzburger Residenz.  Foto: Dita Vollmond

    Maschinen bauen Autos und werden sie bald auch steuern. Maschinen schreiben Wetterberichte, gewinnen Schachpartien, malen Porträts, beeinflussen Konsumverhalten und Wahlen. Gut möglich, dass sie auch schon Trivialromane schreiben, die ja immer nach den gleichen Mustern funktionieren. Amazon arbeitet jedenfalls daran, wie man hört. Aber können Maschinen auch kreativ im künstlerischen Sinne sein? Können sie Werke schaffen, die die Menschen so bewegen, wie es Werke tun, die von Menschen geschaffen wurden? 

    Die Schriftstellerin Ulla Hahn hat im Auftrag des Mozartfests eine Erzählung geschrieben, die sich mit dieser Frage auseinandersetzt. Zusammen mit dem Pianisten und Komponisten (und Mathematiker) Kit Armstrong trug sie im Kaisersaal in einer szenischen Lesung das Ergebnis vor: "Die Klavierlehrerin und der weiße Arm".   

    Die Handlung ist schnell erzählt, aber die Fragen, die die Geschichte aufwirft, wirken fort: Beim Kompositionswettbewerb der "Internationalen Mozartvereinigung" einer mittleren fränkischen Großstadt siegt das Werk, das die Wertschätzung des prominentesten Jurors und die Herzen des Publikums gewinnt. Doch kaum haben die Honoratioren ihre Lobeshymnen beendet, outet sich die vorgebliche Komponistin: Das Siegerwerk, das alle so bewegte, hat nicht sie komponiert, sondern eine Künstliche Intelligenz.

    Künstliche Intelligenz ist längst an vielen Stellen Realität

    Nun hat eine erdachte Geschichte, so plausibel sie auch konstruiert sein mag, noch keinerlei Beweiskraft. Aber Ulla Hahn (76) hat sich intensiv mit Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt. Und sich auch der Nagelprobe gestellt, nämlich dem beliebten Spiel "Bot Or Not", das wiederum auf den Turing-Test zurückgeht. Beim Turing-Test, benannt nach dem Logiker Alan Turing (1912-1954), sollen Menschen bestimmen, ob eine Antwort auf eine gestellte Frage von einem Computer oder einem anderen Menschen gegeben wurde.

    Ulla Hahn: "Ich bin viel zu neugierig, um Angst zu haben."
    Ulla Hahn: "Ich bin viel zu neugierig, um Angst zu haben." Foto: Dita Vollmond

    Bei "Bot Or Not" (Bot ist die Kurzform für Robot) wiederum sollen Menschen erkennen, ob Gedichte von Menschen oder von Maschinen geschrieben wurden. Ulla Hahn hat sich daran versucht und mehrfach falsch gelegen, wie sie zugibt. Tatsächlich bleibt am Ende ihrer Geschichte das diffuse Gefühl, dass KI und ihre Förderer schon viel weiter in unser Leben eingedrungen sind, als uns das bewusst ist. Und das wiederum ist keine literarische Fiktion.

    Armstrong improvisiert genau so, wie man es einer Maschine zutrauen würde

    Kit Armstrong, selbst Forscher und Aktivist in Sachen KI, liefert die Musikbeispiele zum Text. Anders, als im Programm angekündigt, spielt er nicht Werke anderer, sondern improvisiert passend zum Text die Wettbewerbsbeiträge – alle irgendwie in mozartischem Ton, aber alle irgendwie unecht. Die auftrumpfende Fanfare des jugendlichen Bewerbers, den wilden Stilmix des seriösen Herrn oder eben das anrührende Stück der jungen Walburga (Ulla Hahn hat die Figur benannt nach Mozarts älterer Schwester Maria Anna Walburga Ignatia, genannt Nannerl). 

    Kit Armstrong: "Es wird spannend zu sehen, wann die KI so etwas wie eine Seele entwickelt."
    Kit Armstrong: "Es wird spannend zu sehen, wann die KI so etwas wie eine Seele entwickelt." Foto: Dita Vollmond

    Ein Glücksfall, denn so kommt das Publikum in den Genuss eines eigenen Bot-Or-Not-Tests. In diesem Fall aber kein Bot, sondern herausragendes Musikertum: Kit Armstrong, also ein Mensch, ist in der Lage, so virtuos mit Versatzstücken aus 250 Jahren Musikgeschichte zu jonglieren, dass etwas dabei herauskommt, das beunruhigend vertraut klingt und doch komplett neu ist. Also genau das, was Menschen sich unter der Komposition einer KI vorstellen.

    Die Moderatorin versucht beharrlich, den beiden Symptome der Furcht zu entlocken

    Ulla Hahn bereitet das sichtlich Vergnügen: "Ich bin aus Hamburg hergekommen, um Sie zusammen mit Kit Armstrong hinters Licht zu führen." In der anschließenden Podiumsdiskussion versucht Moderatorin Ursula Nusser beharrlich, den beiden Symptome der Sorge oder der Furcht vor Künstlicher Intelligenz zu entlocken. Ulla Hahn: "Ich bin viel zu neugierig, um Angst zu haben." Kit Armstrong ergänzt: "Ich glaube an den Fortschritt."

    Moderatorin Ursula Nusser (Mitte) versuchte ebenso beharrlich wie vergeblich, Armstrong und Hahn Symptome der Sorge oder der Furcht vor Künstlicher Intelligenz zu entlocken.
    Moderatorin Ursula Nusser (Mitte) versuchte ebenso beharrlich wie vergeblich, Armstrong und Hahn Symptome der Sorge oder der Furcht vor Künstlicher Intelligenz zu entlocken. Foto: Dita Vollmond

    Nusser führt ins Feld, dass Versuche, etwa Schuberts "Unvollendete" von Maschinen vollenden zu lassen, zu eher durchschnittlichen Ergebnissen geführt hätten. Armstrong kontert, das sei nur so gekommen, weil man der KI die Hemmnisse der Durchschnittlichkeit mitgegeben habe. Also Einschränkungen ihrer Kreativität. Hier müsse der Mensch lernen loszulassen. "Es wird spannend zu sehen, wann die KI so etwas wie eine Seele entwickelt."

    Dass dies passieren wird, daran haben wohl weder Armstrong noch Hahn Zweifel. Vermutlich, weil ihnen bewusst ist, dass der Mensch dann auch mehr über das Rätsel seiner eigenen Kreativität erfahren wird. Schließlich ist die romantische Idee der unerklärlichen Inspiration inzwischen leicht abgenutzt. Bliebe noch die Frage nach der Urheberschaft. Kann eine Maschine einen Kompositionspreis gewinnen? Wenn gehört ein Welthit, den eine Maschine komponiert? Und werden wir irgendwann auch auf diesem Gebiet den Kürzeren ziehen? Kit Armstrong bleibt auch hier gelassen: "Wenn mein Computer eine bessere Idee hätte als ich, würde ich diese Idee enteignen."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden