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NEW YORK: Kurt Masur: Der Dirigent der deutschen Einheit ist tot

NEW YORK

Kurt Masur: Der Dirigent der deutschen Einheit ist tot

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    Kurt Masur
    Kurt Masur Foto: Hendrik Schmidt (dpa-Zentralbild)

    2012 dirigierte Kurt Masur in Berlin das London Symphony Orchestra. Bruckners 7. Sinfonie stand auf dem Programm, Saal und Orchester begrüßten den Maestro mit minutenlangem Applaus. Es fiel aber auf, dass der großgewachsene Dirigent geschrumpft wirkte, sich schleppte, ein Bein nachzog – und nicht den Taktstock halten konnte. Er dirigierte nur mit den Händen. Kurz danach ließ er verlauten, dass er an Parkinson leide, seine Lebens- und Schaffenszeit begrenzt sei und er sich zurückziehen werde.

    Kurz danach muss es Kurt Masur, der am Samstag im Alter von 88 Jahren in New York starb, noch einmal mächtig umgetrieben haben. Er spielte mit verschiedenen Weltklasseorchestern, in München etwa den ganzen Beethoven-Zyklus, auch in anderen Städten anspruchsvolle Kompositionen, in Paris, wo er sich das Schulterblatt, und in Tel Aviv, wo er sich die Hüfte brach. Zuletzt dirigierte er vom Rollstuhl aus. Der Dirigent mit den weit über 1000 Konzerten wusste um die gewaltige und unmittelbare Kraft der Musik, um ihre heilende Wirkung und wie sie Menschen aufrütteln konnte.

    Sohn eines Elektroingenieurs

    Masur war einer, der stark war. Das spürten die Eltern, Verwandten und Lehrer schon im schlesischen Brieg, südöstlich von Breslau, wo er im Juli 1927 geboren wurde. Seine Berufslaufbahn war vorgegeben, als Sohn eines Elektroingenieurs mit eigenem Fachgeschäft war klar, dass er die väterliche Tradition fortsetzte, im Geschäft stand, auf Masten kletterte, reparierte. Den Bezug zum Handwerk und zur praktischen Arbeit pflegte Masur später als Bastler.

    Die musikalische Anregung kam mütterlicherseits, in der Wohnung stand ein Klavier, eine Schwester bekam Unterricht. Den großen Jungen schickte man in die Kirche, wo er das Orgelspielen lernte – der gewaltige Klang tat es ihm an. Weil ein kleiner Finger seiner rechten Hand sich nicht strecken ließ, konnte er aber kein Organist werden. Also wählte er das Pult. Nach frühen Zweifeln an seiner Begabung wuchs er zur starken Führungspersönlichkeit heran. Er war eine Autorität, bodenständig, ein Macher. Ab 1946 studierte er in Leipzig, war in Halle, Erfurt, Dresden, bis er 1970 Gewandhauskapellmeister in Leipzig wurde. Er ging auf Tourneen, wurde auch im Ausland gefeiert, kehrte stets in die DDR zurück.

    Er fand Freiräume, wagte kühne Interpretationen mit dem Gewandhausorchester – die Funktionäre ließen ihn an der langen Leine, denn er war eine Berühmtheit. Und als die Montagsdemonstrationen begannen, wurde er zum Mediator.

    Lebenselixier und Leidenschaft

    Masur erfand die „Gewandhausgespräche“, es wurde über Demokratie diskutiert wie nie zuvor. Im November 1989 kam von Masur und anderen Intellektuellen der Aufruf „Keine Gewalt!“ Während die Menschen am Gewandhaus vorbei mit ihren Schildern liefen, dirigierte er drinnen. Musik war ihm Lebenselixier und Leidenschaft. Als das traditionsreichste Orchester der USA, die New Yorker Philharmoniker, einen neuen Maestro wollte, wählten sie Masur. 1991 bis 2002 war er Chefdirigent, eine Epoche des Ruhms. Beethoven war sein Leitbild, Masur, der vieles probierte, kehrte immer zu ihm zurück.

    Nur wenige Tage nach dem 11. September 2001 dirigierte er Brahms „Requiem“. New York dankte es ihm. Masur, dreimal verheiratet, zuletzt mit einer japanischen Musikerin, wollte sich durchsetzen, wo immer er es für nötig hielt – und er hat es meistens geschafft. Bundespräsident Joachim Gauck: „Wir trauern um einen brillanten Musiker, einen großen Humanisten und einen engagierten Kosmopoliten.“ Foto: dpa

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