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Meiningen: Operette in Meiningen: Venedig, total durchkommerzialisiert

Meiningen

Operette in Meiningen: Venedig, total durchkommerzialisiert

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    Makkaroni al dente to go bei Koch Pappacoda (Giulio Alvise Caselli)
    Makkaroni al dente to go bei Koch Pappacoda (Giulio Alvise Caselli) Foto: Marie Liebig

    "Eine Nacht in Venedig" von Johann Strauss Sohn im Meininger Theater. Die Gretchenfrage an das Publikum in der jetzigen Phase der Pandemie: Wollt ihr nun für einen Abend unbeschwert durch den venezianischen Karneval tanzen? Oder wollt ihr einen satirischen Blick auf den Zustand des Weltkulturklischees Venezia werfen?

    Wenn es um komische Operette geht, ist dem Rezensenten in diesen Zeiten eher danach, in Melodien zu schwelgen. Wohlwissend, dass es sich in Meiningen um einen vorüberziehenden Traum handelt, wo nun die letzte Inszenierung der Ära Haag auf die Bühne kam, die bereits vor einiger Zeit für die Schublade geprobt wurde.

    Schlichtes Libretto, traumhafte Musik

    Regie in der Korngold-Fassung aus dem Jahr 1923 führt Thomas Weber-Schallerauer, den Premierenabend dirigierte Erster Kapellmeister Harish Shankar. Das Ursprungslibretto der turbulenten Verkleidungs- und Verwechslungskomödie ist von derartiger Schlichtheit, dass man sich gerne nur auf Musik, Gesang und venezianische Traumkulissen beschränken wollte.

    Verwirrung in des Investors Gemächern: Carolina Krogius, Stan Meus, Alex Kim und Monika Reinhard (von links)
    Verwirrung in des Investors Gemächern: Carolina Krogius, Stan Meus, Alex Kim und Monika Reinhard (von links) Foto: Marie Liebig

    Das gelingt mit dem Bühnenbild von Siegfried E. Mayer (auch Kostüme) anfangs nicht. Regisseure, die in der Gegenwart zuhause sind, bringen gerne aktuelle Bezüge ins Spiel. Also reicht es nicht, die Abstandsregeln auf der Bühne durch die Länge der Makkaroni auf einem monströsen Plastikteller zu unterstützen. Nein, der Markusplatz ist durch und durch kommerzialisiert. Hinterm Campanile schwebt eine Werbetafel "Welcome To Fabulous Venezia Italia".

    Anfangs arg bemühter Bezug zur Gegenwart

    Der lüsterne Herzog hat sich auch gemausert. Er ist jetzt Investor. Und die Senatoren bemühen sich trotz traditionellen Aufzugs um Aufsichtsratsposten in der Herzogsholding. Gäbe es nicht im zweiten und dritten Akt eine spürbare Entkrampfung, würde man wohl den nächsten Gondoliere mit umgeschnallter Gondel in den Canal Grande schubsen wollen.

    Der anfangs arg bemühte Bezug zur Gegenwart weicht einer flott getakteten Handlung. Vollen Herzens kann man sich auf den Melodien aus dem Orchestergraben davontragen lassen, obwohl sie eher nach Wien klingen als nach Lagune. Endlich aber kann man dem Wohlklang des Gesangsensembles lauschen. Und das mehrheitlich ältere Publikum ist ja mit diesem Melodienreigen aufgewachsen, mit "Alle maskiert", mit "Komm in die Gondel, mein Liebchen", mit "Treu sein, das liegt mir nicht" und "Ach, wie so herrlich zu schaun".

    Tanz auf dem nächtlichen Markusplatz – ganz ohne Touristenpulks vom Kreuzfahrtschiff
    Tanz auf dem nächtlichen Markusplatz – ganz ohne Touristenpulks vom Kreuzfahrtschiff Foto: Marie Liebig

    Trotz makkaronigemäßem Abstand kommen sich die Interpreten ideell sehr nahe. Alex Kim als souveräner Investor-Herzog, Rafael Helbig-Kostka als sein emsiger Leihbarbier, Giulio Alvise Caselli als stapfender Pappacoda, der unverwüstliche Komödiant Stan Meus als eifersüchtiger Senator und das bezaubernde Mädchen-aus-dem-Volke-Duo Monika Reinhard (Annina) und Carolina Krogius (Ciboletta), nebst Dorothea Gerber als Barbara, entzücken in ihrer Leidenschaft und Schläue. Auch die Auftritte von Chor und Chorsolisten (Leitung: Manuel Bethe) werden umso gewitzter, je mehr der Gegenwartsbezug in den Hintergrund tritt. Nur ein Mangel zieht sich durchs Geschehen: die sprachliche Verständlichkeit ist gewöhnungsbedürftig.

    Aber die Freunde und Freundinnen der Operette kennen ja die venezianischen Nächte und applaudieren am Ende stehend. Endlich wieder Melodien, die Herz und Seele entzücken, für den Augenblick. Und als Programmheft-Beigabe noch ein Rezept aus Pappacodas Küche: Venezianische Sardinen ohne Plastikteller. Buon appetito!

    Weitere Vorstellungen erst in der neuen Spielzeit. Kartentelefon: (03693) 451222. www.staatstheater-meiningen.de

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