Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

KLINGENBERG: Premiere bei Clingenburg-Festspielen: Der Jedermann als neureicher Schnösel

KLINGENBERG

Premiere bei Clingenburg-Festspielen: Der Jedermann als neureicher Schnösel

    • |
    • |
    Jedermann und Buhlschaft: Claudio Maniscalco und Eva Wiedemann in der Clingenburg-Inszenierung des Hofmannsthal-Klassikers.
    Jedermann und Buhlschaft: Claudio Maniscalco und Eva Wiedemann in der Clingenburg-Inszenierung des Hofmannsthal-Klassikers. Foto: Foto: appeal

    Eines vorneweg: Auf der Klingenberger Clingenburg steht kein starker Typ wie Curd Jürgens als Jedermann auf der Bühne, kein Klaus Maria Brandauer, die klassisch markanten Titanen für die ewig gültige Theatergeschichte des Hugo von Hofmannsthal. Bei der Untermain-Version des „Spiels vom Sterben des reichen Mannes“ hatte Festspiel-Intendant und -Regisseur Marcel Krohn keinen Helden im Blick, eher einen modernen, jugendlichen Endvierziger, der zum Charakter der schlanken Inszenierung passt.

    Der Clingenburg-Jedermann ist einer jener Kumpane, die ungerührt Botschaften ins mobile Telefongerät hacken, während der Mitmensch verzweifelt mit ihnen zu reden trachtet. Das „Spiel vom Sterben des neureichen Schnösels“ träfe die Sache insofern: „Hast wollen dich tränken an der Welt, da ward der Kelch dir weggestellt.“ Claudio Maniscalco verkörpert den überheblichen Pascha, der auf Gottes überraschendes Geheiß abzutreten hat und dies nach einer dem Sensenmann abgenötigten Stunde in mühseliger Demut auch tut.

    Den Sohn einer Sängerin und eines italienischen Polizisten aus Mölln in Schleswig-Holstein kennt der regelmäßige Fernsehkonsument vielleicht als „Tatort“-Verdächtigen, Filmpartner von Senta Berger, als „Magier Felix“ und skrupellosen Anwalt in Vorabendserien.

    Dass derweil im Programmheft – in Rücksicht aufs einheimische Klientel? – seine Paraderollen als Travestiekünstler im Hamburger Schmidt-Tivoli an der Reeperbahn oder als Roy Black in der Berliner Roy-Black-Revue charmant verschwiegen werden, wäre gar nicht nötig. Denn gerade wegen der bunten Vorgeschichte wird Maniscalco dem Jedermann-Anspruch überzeugend gerecht. Am besten ist der vielseitige Profi, wenn er den armen Nachbarn mit der Aldi-Tüte (Gernot Endemann) kühl und gnadenlos abserviert, wenn sein Grinsen beim Anblick der mahnenden Mutter im Rollstuhl (großartig: Sabine Schmidt-Kirchner) einfriert: „Mein guter Sohn, ich hab ein Ahnen, ich werd dich nimmer lang ermahnen.“

    Im roten Glitzerkleidchen

    Seinen eigenen Abschied im weißen Büßerhemdchen zum Adagio von Albinoni, die wahnhaften Glocken, die nur er selbst bei seiner lausigen Steh-Party mit orangefarbenen Deckchen, Bee-Gees- und Queen-Musik hört – all das kriegt er blitzsauber hin, trägt das Stück droben über dem Untermaintal: „Ein froher Mann und kerngesund, das warst Du bis zu dieser Stund.“

    Nicht ganz so aussagekräftig gerät im Vergleich zur männlichen Hauptperson die weibliche der Buhlschaft. Die junge Eva Wiedemann aus Düren, 2013 als Gretchen in „Faust“ und in den zurückliegenden 2014er Festspiel-Wochen erfolgreich auch als Pippi Langstrumpf auf der Clingenburg zu sehen, scheint sich zwar im roten Glitzerkleidchen so richtig wohl, aber im Drang um die Dramatik der Todesparty nicht ganz so sicher zu fühlen: „Dein Blick ist starr und fürchterlich, für was willst du mich strafen, sprich“ hört sich bei ihr zu mädchenhaft besorgt an und bietet Steigerungspotenzial zwischen einer liebreizenden Koketterie und wahrhaft entsetzten Liebhaberin.

    Indes setzt Regisseur Marcel Krohn, abgesehen von der Notwendigkeit der Jedermann-Prägnanz, ohnehin mehr auf zeitgemäßes Teamspiel als auf individuelle Gestaltungskraft. Darum ergibt sich Buhlschaft-unabhängig ein feiner, ein stimmiger Gesamteindruck der zeitlosen Geschichte um Reichtum und Tod. Und auch das Hofmannsthal-Kauderwelsch, mal österreichisch, mal mittelhochdeutsch, kommt gut an. Wie besuchenswert die Aufführung ist, weit über bisweilen gängigem Open-Air-Niveau, zeigt sich ganz am Ende: Während sich die Klingenberger bei „My Fair Lady“, dem ersten Stück der Saison, ob drei Stunden Dauer zu wenige Kürzungen vorhalten lassen mussten, haben sie nun den Text auf die Hälfte eingedampft.

    Jedermanns „O Herr und Heiland steh mir bei, zu Gott ich um Erbarmen schrei“ kommt überraschend früh schon, nach knapp eineinhalb Stunden. Man hätte gerne länger zugeschaut.

    Nächste Aufführungen: Täglich außer am Dienstag bis zum 3. August. Karten gibt es unter Tel. (0 93 72) 30 40 oder 92 12 59 sowie im Internet unter tickets@clingenburg-festspiele.de

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden