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Würzburg: Premiere trotz Corona. Zwei Würzburger Bühnen feiern – im Netz

Würzburg

Premiere trotz Corona. Zwei Würzburger Bühnen feiern – im Netz

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    Szenenbild aus "Frau ohne Reue" – wegen Corona ist die ganze Produktion ins Internet ausgewichen.
    Szenenbild aus "Frau ohne Reue" – wegen Corona ist die ganze Produktion ins Internet ausgewichen. Foto: Karin Amrhein

    Dieser Tage feiern die Würzburger Kleintheater trotz Corona gleich zwei Premieren – im Netz. Am vergangenen Freitag schaltete das Theater am Neunerplatz die "Frau ohne Reue" frei. Mittwoch, 22. April, folgt das Theater Ensemble mit seinem ersten Teil von Georg Büchners "Woyzeck". Die zwei Web-Publikationen erscheinen jeweils am Tag der geplanten und geplatzten analogen Theaterpremiere. Aber sie sind mehr als bloß Notlösungen oder einfach abgefilmte Auftritte. Wer gerne Internet guckt, erfährt beide Produktionen als kleine Kunstwerke für sich, die die Arbeit und den Stil ihrer jeweiligen Häuser konsequent fortsetzen.

    Für den Neunerplatz organisierte Erhard Drexler die Teilnahme an der Aktion "Würzburg liest ein Buch". Klar, dass es da nicht beim bloßen Lesen bleiben würde. Das Drexler-Team macht’s in der Regel mit Musik, vergisst darüber aber die Action nicht. Gesangsquartett, Filmeinspielungen, Instrumentalensemble: Max Mohrs Roman einer Frau, die in den 1920er Jahren ihren Weg zu gehen versucht, wäre ein echter Drexler geworden.

    "Auf die Band mussten wir verzichten", beginnt Erhard Drexler seinen Produktionsbericht am Telefon. Die knapp halbstündige "Frau ohne Reue" auf der Neunerplatz-Website kommt indes gut mit dem Pianisten Bernhard Kuffer aus. Der untermalt die kurzen Stummfilme mit Schlüsselszenen aus dem Roman – und mit Anne Hansen, Jörg Ewert, Britta Schramm und den genreüblichen Texttafeln. Hier geschieht es beim Internet-Gucken tatsächlich: Würzburg liest ein Buch. Die gesamte stadtweite Literaturaktion wird übrigens 2021 nachgeholt.

    Die Proben waren vor dem Shutdown schon weit fortgeschritten

    Vorteil der Produktion war: Die Proben waren vor dem Shutdown schon weit fortgeschritten, die Sänger, so Drexler, "lagen gut im Timing". Sie studierten drei Chansons von Friedrich Hollaender ein, die zum Thema passen. Deren Begleitung nahm Pianist Kuffer nun zuerst als Tondatei auf, die die Sänger nacheinander einzeln in ihrer Tonlage besangen. Drexler mischte die Spuren zwischendurch jeweils sauber ab.

    Nur ein Sänger lebt in der digitalen Steinzeit und besitzt lediglich ein Handy. Mit dem konnte er seinen Auftritt immerhin abfilmen. Über sein Festnetz-Telefon sang er dann Erhard Drexler auf Band, Zeitverschiebungen ließen sich korrigieren. Die vier Vokalistinnen und Vokalisten hatten sich absprachegemäß in schwarzer Kleidung vor weißem Hintergrund gefilmt. Leichte Lichtfilter tauchten sie schließlich in einen einheitlichen visuellen Raum.

    Theater Ensemble: Büchners "Woyzeck" als Episoden-Stück mit Soundeffekten

    Michael Jansky realisiert auf der Website des Theater Ensemble und in den Schablonen des Videokonferenzsystems Discord das Drama "Woyzeck" – mit einer "sehr feingliedrigen Mordsarbeit beim Soundschnitt", wie er sagt. Was typisch für das Theater ist, geht hier hinter den Kulissen vor: Die rund viertelstündigen Folgen sind ohne Unterbrechungen gespielt und in einem Take aufgenommen.

    Weil dabei die Mikrofone und Tablet-Lautsprecher die Stimmen der Beteiligten kreuz und quer durcheinanderwerfen, erfordert dieses Format die eingangs erwähnte aufwändige Säuberung der Tonspur. Dafür entschädigt sich Jansky mit "Soundeffekten, wie sie beim normalen Theater nie möglich wären". Überhaupt greift der Student der Luft- und Raumfahrt-Informatik die neuen Chancen beherzt auf. Vielleicht, so sinniert er, mache das Theater auch "nach Corona" Produktionen dieser Art mit Schauspielern in entfernten Städten.

    Die Technik ist kein Selbstzweck, sondern unterstützt die Regie

    Dabei sind die technischen Möglichkeiten kein Selbstzweck, sondern nutzen dem Inszenierungsansatz. Es geht Michael Jansky um die Innenperspektive des unglückseligen, psychisch kranken, möglicherweise schizophrenen Büchnerschen Titelhelden. Dieses Regie-Interesse rückt auch Woyzecks Geliebte Marie stärker in den Focus, als es die sehr textarme Rolle dieser Frauenfigur sonst hergibt.

    Die Technik begünstigt auch komödiantische Elemente. So kann in der Welt, wie Woyzeck sie subjektiv wahrnimmt, ein Rasiermesser auf ungeahnte Größe anwachsen.

    Das Ganze im Discord-Format, das dem verbreiteteren Zoom ähnelt, erforderte schon "eine große Eingewöhnungszeit", so Jansky: "Die feste Anordnung der Bildfenster wurde zu unserer digitalen Bühne." Aber während man sich auf der echten Bühne einfach in die Augen schaut, muss für ein Web-Video jeder Blickkontakt ganz genau kalibriert werden. Als das für die erste Episode bei den Proben endlich klappte, machte Discord blöderweise ein Update, bei dem die Fenster sich änderten. Also alles auf Anfang!

    Am 22. April kommt die erste Lieferung der kurzen Büchner-Szenen ins Netz. Ob das ganze Stück schließlich in drei oder fünf Episoden unterteilt wird, das wissen die Macher auch dann noch nicht. Jansky: "Das ergibt sich aus der Probenarbeit. Die Episoden sollen vor allem gut gelungen sein, nicht möglichst schnell oder nach einem festen Zeitplan erscheinen."

    So lohnen sich also immer ein Klick und ein Blick auf www.neunerplatz.de und theater-ensemble.net

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