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GÖTTINGEN: Vonne Endlichkait: Literarisches Experiment von Günter Grass

GÖTTINGEN

Vonne Endlichkait: Literarisches Experiment von Günter Grass

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    Vonne Endlichkait: Literarisches Experiment von Günter Grass
    Vonne Endlichkait: Literarisches Experiment von Günter Grass

    In seinem 87. Lebensjahr war Günter Grass immer noch der energiegeladene, politisch engagierte und um kein letztes Wort verlegene Zeitgenosse. Sein letztes Buch aber, das an diesem Freitag (28. August) mit einer Startauflage von 50 000 Exemplaren in den Buchhandel kommt, gewährt einen etwas anderen Blick in sein Leben.

    Die Zipperlein des Alters plagen ihn, er führt Selbstgespräche, klaubt noch einmal seine Liebesbriefe, die er an viele Frauen schrieb, mit denen er zehn Kinder zeugte, zusammen, und geht noch mal die Eifersuchtsdramen durch, die sein Liebesleben bestimmten, aber auch die Glücksmomente jeder Art, die ihn zeitlebens berauschten.

    Die Frage nach Gott

    Plötzlich steht auch die Frage nach Gott im Raum, das eigene Sterben wird bedacht und das, was danach kommen könnte. Deshalb gab Grass seinem Buch in preußischer Mundart den Titel „Vonne Endlichkait“, ins Hochdeutsche übersetzt „Von der Endlichkeit“. Als der Sohn einer Danziger Kaufmannsfamilie das fertige Manuskript an seinen Verlag geschickt hatte, ging es nur noch darum, das Buch mit Steidl druckfertig zu machen. Der Tod kam dazwischen. Am 13. April 2015 starb Günter Grass an einer Infektionskrankheit.

    Was wäre das für eine Wonne gewesen, hätte er selbst aus dem Buch vorlesen können. Der Nobelpreisträger für Literatur (1999) war ein begnadeter Leser, das Werk hätte auf Tonträger eingespielt werden können. Doch es war zu spät. Grass? Tochter Helene hat im Juni erstmals aus dem letzten Buch des Vaters in Göttingen gelesen, es soll eine bewegende Matinee gewesen sein. Den Umschlag von „Vonne Endlichkait“ hat Grass selbst gestaltet, wie bei allen seinen Büchern.

    Er war mit keiner Literaturagentur verbunden, machte lieber – bis ins hohe Alter auch als Bildhauer, Grafiker, Maler und Zeichner tätig – alles nach eigenem Geschmack. In die Gestaltung der 176 Seiten an Geschichten und Miniaturen war er bis zuletzt eingebunden.

    Grass, sagt sein Verleger Gerhard Steidl, dessen Verlag die Weltrechte am Werk des Literaturnobelpreisträgers besitzt, sei „stets fordernd, aber nicht anstrengend“ gewesen. Zugleich kündigte der Verleger an, dass sich im Nachlass weitere Manuskripte befänden, vor allem Lyrik. „Da gibt es noch einiges zu entdecken.“ Das letzte Werk von Grass könnte also auch sein vorletztes sein. Steidl: „Günter Grass hat uns mit dem Buch ein bewegendes Abschiedsgeschenk hinterlassen. Ich glaube, dass ihm noch einmal etwas Großes gelungen ist.

    Rhythmisierte Kurzprosa

    Das erscheinende Buch ist ein literarisches Experiment. Der Verlag wirbt, Grass habe „in einem beeindruckenden Wechselspiel aus Lyrik, Prosa und Illustration sein letztes Gesamtkunstwerk“ geschaffen. Neben pointierten Gedichtzeilen ist es eine rhythmisierte Kurzprosa, die das Buch bestimmt. Unter anderem schildert der notorische Pfeifenraucher im Text „Worin und wo wie liegen werden“ in seinem ganz eigenen Humor eher deftiger Art, wie ihn Altersbeschwerden quälen.

    Er hat einen zweiten Herzschrittmacher erhalten, aber der verweigert ihm seine Dienste. Die Lunge gilt nach jahrzehntelangem Rauchen als perforiert, durchlöchert, nur noch als Rest vorhanden. Grass beauftragt einen Tischler, Särge für ihn und seine Frau anzufertigen. Zum Probeliegen lässt er sie anliefern. „Wie seltsam, jeweils den Atem des anderen zu hören“, heißt es. Ute Grass bedauert nach der Prozedur, kein Foto vom Gatten in der Kiste gemacht zu haben. „Du sahst so zufrieden aus“, lässt Grass seine Frau in seiner Erzählung sagen.

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