Die Rückwand der Posthalle kann variabel eingehängt werden. Die kleinste Version der Posthalle fasst 350 Leute und war am Donnerstagabend sehr gut zur Hälfte gefüllt. Zu einer Gruppenlesung gastierten Oliver Maria Schmitt, Martin Sonneborn und Thomas Gsella, die alle drei schon einmal die Geschicke der „Zeitschrift für Ideologiekritik“, Titanic, vom Chefsessel aus geleitet hatten.
Sonneborn, der Lange mit der Stirngletze, residierte in der Mitte des ausladend weiten Lesetischs und berichtete von seiner Arbeit als Europaparlamentarier für die Partei Die Partei.
Das Wahlvolk brachten sie aber dann doch nicht zum Grölen
Der Lauf des Abends bewies, dass Die Partei keine Spaßpartei auf allen Ebenen ist. Bis zur Pause nämlich stiegen Beifallsdichte, Lachbereitschaft und Elan der Vortragenden noch stetig an. Die Hörer hatten sich an die Franken-Beschimpfungen von der Bühne herab gewöhnt, außerdem nahmen die drei Satiriker zunehmend ganz Bayern in ihre Beleidigungen auf. Der Saal ging immer williger mit, der Abend gestaltete sich bunter und bunter.
Der zweite Teil lief dann lange an mit einer Projektion von sprechend aufgehängten Die-Partei-Wahlplakaten. Das alles war witzig durchdacht, aber der Politiker Martin Sonneborn hatte die Präsentation nicht so im Griff, dass er das kleine Wahlvolk zu seinen Füßen zum Gröhlen gebracht hätte. Das wäre in Brüssel vielleicht anders gewesen, aber da ist sein Publikum – wenn er denn mal ein Rederecht erwirken kann – in der Regel auch nur ein Zehntel so groß wie in Würzburg.
Zweiter Teil der Show auf wackligen Füßen
Kurz: Die frühen Memoiren dieses Europaparlamentariers setzten den zweiten Teil der Show auf wacklige Füße. Als dann noch ein Betrunkener in der Posthalle wiederholt laut und witzig sein wollte, fiel keinem der Drei auf dem Podium eine so überzeugende Pointe ein, dass der Schreihals beschämt verstummt wäre.
Deutsche und europäische Tagespolitik dominierte die Themen, Fußballgucken und Grillen schlossen sich als Lieblingsbeschäftigungen des Durchschnittsbürgers bruchlos an. Die Herren lasen mit guten Stimmen – allen voran Schmitt – aus ihrer gemeinsamen Werkesammlung, der älteste Report über 20 Jahre alt und inhaltlich unvergilbt, der jüngste Text aus der noch ungedruckten Oktober-Titanic. Jeder Vortragende erntete bisweilen heiter-irritierte Kollegenblicke. Offenbar verlief der Abend zu einem kleinen Teil improvisiert, freilich aus erprobten Profi-Hirnen.
Die Floskel vom Lachen, das im Halse stecken bleibt
Auf mainfränkische Lokalbezüge hatte sich das Trio mit Recherchen im Straßenatlas vorbereitet, auch der Name des Würzburger Oberbürgermeisters war den selbsternannten Satire-Zombies geläufig. Und sie beherrschten nicht nur ihr Handwerk, sondern auch den Tabubruch – falls der nicht zum Handwerk dazugehört: In seiner von hässlichen Schnappschuss-Dias begleiteten gereimten Philippika gegen das Fleischgrillen persiflierte Schmitt Paul Celans Gedicht „Todesfuge“, das die nationalsozialistische Vernichtung der Juden stark symbolisch in Worte fasst. Selten hat die Floskel vom Lachen, das einem im Hals stecken bleibt, eine größere Berechtigung als hier. Aber: Alles in allem in ziemlich lustiger Abend.