In den 1770er Jahren hatte die englische Kunstszene ihren Aufreger: Würden die Erben von Ex-Premier Robert Walpole dessen Gemäldegalerie verkaufen, vielleicht gar ins Ausland? Mit gut 200 Rembrandts, Poussins und allem Wertgeschätzten dazwischen war das die zweitgrößte des Landes, nach der königlichen! Kühlen Kopf behielt der Verleger John Boyden. Er schickte systematisch begabte Zeichner in das Walpole-Schloss Houghton Hall, um die Kunstschätze für den Fall der Fälle zu kopieren. Der Fall trat ein, kein geringerer als James Christie vermittelte die Originale an Zarin Katharina die Große. Der Handel legte den Grundstock für die St. Petersburger Eremitage.
Dieser großen Kulturpolitik näherte sich die Würzburger Kunstgeschichtsstudentin Annemarie Graf vom Kleinen her. Sie hatte in der Druckesammlung ihres Uni-Museums – des Martin von Wagner Museums in der Würzburger Residenz – ein Pferd entdeckt. Die Mähne lockte sich in fast dreidimensionalem Schwarz-Weiß. Faszinierend. Wenige Semester später schrieb Graf ihre Bachelor-Arbeit über die Verwandten dieses Tiers. Denn der Mezzotinto-Druck ist die Reproduktion eines Rubens-Gemäldes aus Houghton Hall.
Der dramatische Druck gehört zu insgesamt 13 Blättern, die die Würzburger Uni-Sammlung aus dem großen englischen Boyden-Rettungsunternehmen besitzt. Dem Verleger war es im Lauf der skandalumwehten 1770er Jahre gelungen, 129 Werke der Walpoleschen Galerie drucken zu lassen und somit für die westliche Kunstwelt verfügbar zu halten. Witzigerweise versteigert das Auktionshaus Christie’s heutzutage auch diese Prints zu ordentlichen Preisen.
Flächige Grautöne in allen Schattierungen
Doch zurück in die Würzburger Residenz. "Frau Graf hat die Medialität dieser Drucktechnik ernst genommen", sagte Kunstgeschichts-Professor Damian Dombrowski bei der Eröffnung der Ausstellung "Schwarzweiß gemalt" in der Flurgalerie des Martin-von-Wagner-Museums. Seine Studentin konzentrierte sich auf das Malerische der Mezzotinto-Technik, die auch flächige Grautöne in allen Schattierungen erlaubt.
Neun Beispiele dafür gibt die kleine Schau, daneben zeigen vier konventionelle Kupferstiche den Unterschied in der Wirkung, wenn dem Drucker statt Halbtönen lediglich schwarze Linien auf weißem Grund zur Verfügung stehen. Wie man solche "Schabedrucke" herstellt, erklären präzise Texttafeln der Studentin und Ausstellungsmacherin, die sich bei der bestens besuchten Vernissage für die "einmalige Chance, zu lernen" bedankte.
Ihre Ausstellung sieht nicht wie ein Gesellenstück aus, eher wie das Werk einer Meisterin. Was natürlich auch an den Exponaten liegt. Für Dombrowski ist die Schau zudem ein Vorspiel zur Piranesi-Ausstellung in diesem Herbst.
"Schwarzweiß gemalt" ist bis 18. August dienstags bis sonntags 10 bis 13.30 Uhr zu sehen, sonntags im Wochenwechsel mit der Antikensammlung.