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Würzburg: Samstagsbrief: Herr Frankenberger, Ihre Moralkeule wird gebraucht

Würzburg

Samstagsbrief: Herr Frankenberger, Ihre Moralkeule wird gebraucht

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    Sebastian Frankenberger, damaliger Bundesvorsitzender ÖDP, 2012 auf dem Bundesparteitag seiner Partei in Erding. Er hat seither der Politik den Rücken gekehrt.
    Sebastian Frankenberger, damaliger Bundesvorsitzender ÖDP, 2012 auf dem Bundesparteitag seiner Partei in Erding. Er hat seither der Politik den Rücken gekehrt. Foto: Andreas Gebert, dpa

    Herr Frankenberger, ich möchte heute mit einiger Verspätung etwas Wichtiges nachholen: Ich möchte mich bei Ihnen bedanken! Dafür, dass ich seit zehn Jahren ins Café oder ins Restaurant gehen kann, ohne mit vollgequalmten Klamotten heimzukommen. Und dafür, dass ich davor geschützt bin, unfreiwillig zum Passivraucher zu werden. 

    Sie, lieber Herr Frankenberger, waren nämlich Initiator des bayerischen Volksbegehrens für ein absolutes Rauchverbot in Gaststätten, das am 1. August 2010 als Gesetz in Kraft trat. Damals sehr zum Ärger einiger Wirte und mancher Raucher, die kein Problem damit hatten, ihre Mitmenschen zu belästigen und das auch gerne so beibehalten hätten. Wie sich gezeigt hat, ist seither weder das Abendland untergegangen, noch unsere Gastronomie verödet. Jedenfalls nicht wegen des Rauchverbots. Und ein Lokal, dessen einzige Attraktion darin bestand, dass man dort rauchen durfte, war auch damals schon kein allzu lohnendes Ziel. 

    Jetzt soll das Rauchen in Autos verboten werden, in denen Kinder oder Schwangere sitzen. Im "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes (BNichtrSchG)", den der Bundesrat im Bundestag eingebracht hat und der wohl im März beraten wird, heißt es dazu: "Erwartungen, dass auf freiwilliger Basis auf das Rauchen im Auto in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren verzichtet wird, haben sich nicht erfüllt. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg schätzt, dass derzeit rund eine Million Minderjährige in Deutschland dem Tabakrauch im Auto ausgesetzt sind."

    Bad Kissingens Wirte erteilten Sebastian Frankenberger, dem Initiator des erfolgreichen Volksbegehrens "Für echten Nichtraucherschutz!", im Jahr 2010 Lokalverbot.
    Bad Kissingens Wirte erteilten Sebastian Frankenberger, dem Initiator des erfolgreichen Volksbegehrens "Für echten Nichtraucherschutz!", im Jahr 2010 Lokalverbot. Foto: Sigismund von Dobschütz

    Die Krebsforschung warnt schon immer vor den Gefahren des Rauchens, aber ohne Ihre Vorarbeit, lieber Herr Frankenberger, hätte es vielleicht nicht diesen breiten Bewusstseinswandel in Sachen Teer und Nikotin gegeben.

    Was sind Sie damals angefeindet worden. Sie wurden "Nichtraucherfaschist" genannt. Bad Kissingens Wirte erteilten Ihnen kollektiv Lokalverbot. In seiner Sendung bei N24 beschimpfte Michel Friedman Sie als "Spaßbremse", "Spielverderber" und "lustfeindlichen Menschen", der zum Schaden des freien, mündigen, aber eben rauchwilligen Individuums die "Moralkeule" auspacke. Der "Süddeutschen Zeitung" haben Sie erzählt, dass Sie sich bis heute ungern in München blicken lassen, weil dort immer noch Leute auf Sie losgehen würden.

    Dabei haben Sie in gemächlichem Niederbayerisch immer nur unermüdlich Fakten angeführt, die jedem einleuchten könnten. Zum Beispiel, dass in Italien schon nach drei Jahren Rauchverbot die Herzinfarkt-Rate um ein Drittel zurückgegangen sei. Ausgerechnet Italien, wo die Menschen bis dahin doch ununterbrochen rauchend in Bars und Cafés herumgehangen waren. So zumindest das Klischee.

    Es ist schon eigenartig, dass sich das Rauchen (ähnlich übrigens wie das Rasen auf der Autobahn) so besonders gut als Gradmesser für persönliche Freiheit eignet. Sie, Herr Frankenberger, haben grundsätzlich argumentiert: Warum muss etwas erlaubt bleiben, was so vielen Unbeteiligten schadet? Ganz einfach, eigentlich. Ebenso einfach wie die Erkenntnis, dass der Mensch nicht alles, was vernünftig wäre, auch zur Grundlage seiner Entscheidungen macht. Im Gegenteil: Hin und wieder wird sogar die Auffassung  vertreten, ein Tempolimit auf der Autobahn verstoße "gegen jeden Menschenverstand".

    Womit wir bei einem der größeren Popanze des Politdiskurses dieser Tage wären: beim "Verbotsstaat Deutschland". Tempo 220, Dieselmotoren, Fleischgerichte in der Kantine, Sonnenbänke – irgendwer (meistens die Grünen) will immer irgendwas verbieten, was Spaß macht. Ulf Poschardt, Chefredakteur der "Welt", attestiert den Deutschen sogar eine tiefe Sehnsucht nach Verboten, die wiederum einem "Freiheitsekel" entspringe. Ich persönliche finde volle Aschenbecher eklig, Freiheit eher nicht, muss ich sagen.

    Es gibt einen schönen Spruch, den man hin und wieder in Parks lesen kann: "Vernünftige fahren hier nicht Fahrrad. Allen anderen ist es verboten." Lieber Herr Frankenberg, von 2010 bis 2014 waren Sie Bundesvorsitzender der ÖDP. Inzwischen leben Sie in Österreich und haben der Politik den Rücken gekehrt. Hätten Sie nicht Lust, doch mal wieder ein bisschen die Moralkeule zu schwingen? Gegen alle, die unbedingt in Parks radeln müssen? Oder auf Autobahnen rasen? Oder im Auto mit Kindern rauchen? Ich würde mich freuen.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Mathias Wiedemann, Redakteur

    Einer bekommt Post: Der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den "Samstagsbrief" zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.

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