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Würzburg: Samstagsbrief: Nein zum Gummibär, ja zum Joint? Sie sind auf dem Irrweg, Herr Lauterbach!

Würzburg

Samstagsbrief: Nein zum Gummibär, ja zum Joint? Sie sind auf dem Irrweg, Herr Lauterbach!

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    Passt die Legalisierung von Cannabis zum gesunden Lebensstil, den SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach den Deutschen regelmäßig ans Herz legt?
    Passt die Legalisierung von Cannabis zum gesunden Lebensstil, den SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach den Deutschen regelmäßig ans Herz legt? Foto: Hannes P. Albert, dpa

    Sehr geehrter Herr Lauterbach,

    wir leben in Zeiten, in denen unsere Regierungspolitiker uns und unsere Kinder vor Gummibärchen schützen wollen. Und vor Schokoriegeln. Vor Doppelkeksen. Vor dem Genuss aller Süßigkeiten also, die zwar gut schmecken, aber den Zähnen genauso schaden wie dem Gewicht, woraus ein höheres Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen folgt. Wenn es nach Ihrem Ministerkollegen Cem Özdemir von den Grünen geht, werden deshalb bald Süßigkeiten-Werbespots im Fernsehen verboten – und zwar von 6 Uhr früh bis 23 Uhr nachts.

    Sie, Herr Lauterbach, unterstützen das. "Kinder müssen geschützt werden“, haben Sie getwittert.

    Bisher galt der SPD-Minister als Gesundheitsapostel. Passt die Legalisierung von Cannabis dazu?

    Es ist nicht das erste Mal, dass Sie, Herr Lauterbach, uns fehlbare Bürgerinnen und Bürger vor einer schädlichen Lebensweise bewahren wollen. In Ihrer Funktion als SPD-Gesundheitsminister haben Sie uns schon zum Fleischverzicht aufgerufen, zum Radfahren animiert und sich dafür eingesetzt, Tabak und Alkohol aus dem Kassenbereich der Supermärkte zu verbannen. Man kann all diese Ihre Aussagen als hilfreich ansehen oder für Bevormundung halten. Sicher ist: Setzte man ihre alle Ihre Vorschläge um, lebte man gesünder.

    Einst Droge, jetzt Genussmittel: gelungenes  "Umstyling"

    Umso unverständlicher ist es daher, dass Sie als Gesundheitsapostel der Legalisierung von Cannabis Ihren Segen geben. Gerade haben Sie gemeinsam mit Özdemir die überarbeiteten Legalisierungspläne vorgestellt. Diese Pläne sind zwar weniger weitreichend als ursprünglich von der Ampel vorgesehen. Werden sie aber Gesetz, verwandeln sie nichtsdestotrotz eine bisher verbotene Droge in ein legales Genussmittel. Das ist ein totaler Imagewandel –ein "Komplett-Umstyling“, um mit Heidi Klum zu sprechen.

    Bisher "nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel" wird eine Art Lifestyle-Produkt

    Und das Cannabis-Umstyling, das Sie und der Bundesernährungsminister präsentierten, beschränkt sich ja nicht auf einen juristischen Paradigmenwechsel, sondern inszeniert das bisher "nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel“ als eine Art neues Lifestyle-Produkt. Dazu trägt die Idee von "Cannabis-Social-Clubs" bei. Denen dürfen bis zu 500 Mitglieder angehören, die gemeinschaftlich Cannabis anbauen und täglich in begrenzten Mengen an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben dürfen.  

    Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, werden Joints gesellschaftsfähig. Sie will "Cannabis-Social-Clubs" erlauben, denen bis zu 500 Mitglieder angehören dürfen. Dort darf gemeinsam Cannabis angebaut und in begrenzten Mengen an die Mitglieder für den Eigenkonsum abgegeben werden. 
    Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, werden Joints gesellschaftsfähig. Sie will "Cannabis-Social-Clubs" erlauben, denen bis zu 500 Mitglieder angehören dürfen. Dort darf gemeinsam Cannabis angebaut und in begrenzten Mengen an die Mitglieder für den Eigenkonsum abgegeben werden.  Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Ganz nebenbei  werden aus bisherigen Drogendealern über Nacht "Social-Club-Gründer" oder "Club-Präsidenten" – ein gelungenes Umstyling einstiger Krimineller. "Der Kriminalität den Boden entziehen", nennen Sie das. Kann man machen. Man kann aber auch verärgert auflachen.

    Künftig erlaubt: Mutti hegt ihre Hanfpflanzen, Papi geht in den "Cannabis Social Club"

    Für meinen Teil, Herr Dr. Lauterbach, kann ich nämlich nicht nachvollziehen, dass Sie einerseits Kinder per Werbeverbot vor Gummibärchen und Fleischfrikadellen schützen, andererseits Kinder künftig einem legalisierten Kiffer-Milieu aussetzen wollen. Ich stelle mir vor, wie – der Ampel sei's gedankt – Mutti künftig im Wohnzimmer ihre drei erlaubten weiblichen Hanfpflanzen gießt, beleuchtet, düngt und erntet, Vati derweil im Auftrag des "Cannabis Social Clubs" handliche 25-Gramm-Cannabis-Päckchen für die 500 Club-Mitglieder zusammenstellt. Und ich stelle mir auch vor, wie die Eltern dann, komplett legal, am Wochenende auf der Wohnzimmercouch kiffen, was das Zeug hält.

    Jetzt lernen Kinder, dass der Cannabisrausch voll legal ist

    Man könnte jetzt einwenden, dass Kinder cannabisaffiner Eltern auch in der Vergangenheit die Rauschzustände ihrer Eltern aushalten mussten. Der Unterschied ist nur: Jetzt lernen Kids, dass solche Rauschzustände unter dem Segen der Regierung stehen. Das ist ein fatales Signal, das dazu führen könnte, dass künftige Generationen sich eher und öfter ihre Joints drehen.

    Bisher verboten, künftig legal: Der Anbau von Hanfpflanzen ist künftig in begrenzten Mengen legal. 
    Bisher verboten, künftig legal: Der Anbau von Hanfpflanzen ist künftig in begrenzten Mengen legal.  Foto: Oliver Berg, dpa

    "Kinder müssen geschützt werden", haben Sie gesagt, als es um Gummibärchen ging. Aber Hanfpflanzen im Haus sind okay?

    Cannabis-Konsumenten haben ein höheres Risiko für Psychosen, Angststörungen, Depressionen

    Herr Dr. Lauterbach, Sie als Arzt wissen doch, dass auch legalisiertes und kontrolliertes Cannabis die berauschende Substanz THC enthält, die die Reaktionszeit, die Lernleistung und das Gedächtnis beeinträchtigen kann und die das Risiko, eine Psychose zu erleiden, deutlich erhöht. Dies gilt insbesondere bei jugendlichen Cannabiskonsumenten, die auch ein größeres Risiko für Angststörungen, Depressionen und bipolare Störungen tragen.

    Auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums wird vor Cannabis noch gewarnt

    Woher ich diese Infos habe? Von den Seiten Ihres Bundesgesundheitsministeriums. Passt nicht gut zusammen mit den Legalisierungsplänen, oder? Wie werden Sie damit umgehen, Herr Lauterbach? Überdenken Sie die Pläne vielleicht doch noch mal? Oder nehmen Sie einfach die Informationen über störenden Studien von Ihrer Website?

    Mit den besten Wünschen,

    Gisela Rauch, Redakteurin

    Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.MP

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