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Würzburg: BRK-Experte: "Dienstbekleidung wird als Feindbild empfunden"

Würzburg

BRK-Experte: "Dienstbekleidung wird als Feindbild empfunden"

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    Bezirksgeschäftsführer Harald Erhard.
    Bezirksgeschäftsführer Harald Erhard. Foto: Elisabeth Förster Sparkasse Mainfranken

    Anlässlich des Weltrotkreuztages an diesem Mittwoch ruft das Bayerische Rote Kreuz (BRK) zu mehr Anerkennung und Respekt vor Einsatzkräften auf. Unterfrankens Bezirksgeschäftsführer Harald Erhardaus Volkach (Lkr. Kitzingen) sieht die Probleme vor allem in der fehlenden Wertschätzung. Außerdem spricht der 56-jährige Betriebswirt und Rettungssanitäter über die jüngsten Vorfälle aus Rimpar (Lkr. Würzburg) und im Würzburger Stadtteil Versbach, bei denen Rettungskräfte bedroht und verletzt wurden.

    Herr Erhard, warum ist ein Aufruf zu mehr Anerkennung überhaupt notwendig?

    Harald Erhard: Weil sich die Gesellschaft schlichtweg geändert hat. Themen, wie die Vorfälle in Rimpar und Versbach, kommen heute durch unsere Social-Media-Welt viel schneller in die Öffentlichkeit. Probleme hat es früher auch schon gegeben, sie sind aber nicht so publik geworden. Heute hat es eine andere Qualität und Quantität. Die Hemmschwelle, respektlos mit Einsatzkräften umzugehen, ist deutlich gesunken. Dementsprechend sind die Vorfälle mehr geworden. Das stellt auch die Polizei fest. Alles, was eine Dienstbekleidung trägt, wird letztendlich als Feindbild empfunden.

    Warum werden Uniformen als Feindbild angesehen?

    Erhard: Das kann ich nicht sagen. Vielleicht gab es da einen Wandel im Denken der Gesellschaft. Aber man muss grundsätzlich festhalten: Menschen, die solche gewaltbereiten Handlungen gegenüber Einsatzkräften ausführen, sind nicht zurechnungsfähig. Durch Alkohol und Drogen kommt es zu Überreaktionen.

    Haben die Menschen keinen Respekt mehr vor Rettungskräften?

    Erhard: Die Hemmschwelle ist niedriger geworden. Früher war der Sanitäter oder der Polizist eine unangreifbare Person. Das ist, Gott sei Dank, in vielen Bereichen auch heute noch so. In vielen Fällen beruhigt alleine die Anwesenheit eines Sanitäters die Einsatzsituation. Aber man kann heute nicht mehr uneingeschränkt davon ausgehen. 

    Auf dem Rimparer Faschingszug trat ein Mann einem Sanitäter in den Bauch. In Versbach wurden die Rettungskräfte von Passanten bedroht. Wie haben Sie auf die Vorfälle reagiert?

    Erhard: Für mich war von Anfang an entscheidend, ob sich jemand um unser Team kümmert. Es war sehr wichtig, dass sich der jeweilige Kreisverband hinter seine Mitarbeiter gestellt hat. Das Zeichen war klar: "Wir stehen hinter euch und es ist nicht akzeptabel, was euch passiert ist." Es ist sehr traurig, dass ein immer größer werdendes Aggressionspotential nur noch mit Hilfe der Polizei in den Griff zu bekommen ist.

    Wie gehen Sie und Ihre Kollegen mit den jüngsten Vorfällen um?

    Erhard: Das Thema ist nicht neu. Das gab es schon vor zehn Jahren. Bei Fortbildungen konnten Mitarbeiter schon damals ein Deeskalationstraining machen. Dieses Training mündet auch in Selbstverteidigung. Wichtig ist das Bewusstsein, eben nicht mitten in der Nacht durch die Gegend zu rennen, weil jemand nach Hilfe ruft. Wenn Situationen von vornherein als kritisch eingeschätzt werden, sollten die Kollegen erstmal auf die Polizei warten. Außerdem sollten die Einsätze immer im Team gemeistert werden. Wenn trotzdem mal etwas passiert, dann müssen die Betroffenen offen damit umgehen. Nur so können sie die Hilfe in Anspruch nehmen, die es ja gibt. Da spreche ich auch von einem psychologischen Beistand, einer kirchlichen Notfallseelsorge oder einer psychosoziale Notfallversorgung. Bei den Vorfällen in Rimpar und Versbach wurde das natürlich auch angeboten.

    Gibt es keine Schutzkleidung für Sanitäter?

    Erhard: Nein. Das ist momentan auch nicht angedacht. Damals wie heute wird darüber diskutiert, ob man sie für Einsatzkräfte braucht. Für den Bereich, für den ich sprechen kann, stehen Schutzwesten oder ähnliches nicht im Fokus. Unter Abwägung aller Umstände stellt sich nämlich die Frage, ob eine solche Schutzkleidung vielleicht sogar hinderlich sein könnte. Sie könnte abschrecken und behindern. Wenn Sie mit einer Schutzweste einen Patienten reanimieren, kommen Sie ganz schnell ins Schwitzen. Aber diese Diskussion ist bestimmt nicht endgültig abgeschlossen und dazu gibt es auch andere Meinungen.

    Sicherheit und Deeskalation spielt also eine große Rolle. Ist es frustrierend, sich nicht mehr ausschließlich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren zu können.

    Erhard: Nein. Natürlich macht es einen nachdenklich, aber ich kenne keinen Kollegen, der sich aufgrund solcher Vorfälle von seiner Arbeit abgewendet hat. Der Wille zum Helfen hat sich nicht geändert. All den negativen Erfahrungen stehen auch positive gegenüber. Man muss sich mit der Thematik auseinandersetzen, aber das führt nicht zu einem Rückgang der ehrenamtlichen Helfer. Die Kollegen wissen, wo ihnen Gefahren drohen. Es klingt komisch, aber Gefahren gibt es auch durch Haustiere oder durch den Austritt von Kohlenmonoxid in Wohnungen. Die Gefahr durch gewaltbereite Menschen ist nun eine weitere Gefahr unter vielen. Man muss sich also ohnehin immer einer gewissen Gefahr bewusst sein.

    Sie machen einen aufgeräumten und optimistischen Eindruck. Machen Sie sich keine Sorgen um die Zukunft des Rettungsdienstes?

    Erhard: Mir ist nicht Angst und Bange. Wir müssen lernen, mit den Entwicklungen in der Gesellschaft umzugehen. Wir müssen uns der neuen Herausforderung stellen. Von einem Terrorangriff in Würzburg waren wir vor zehn Jahren auch noch weit entfernt. Und dennoch mussten wir damit umgehen. Auch jetzt müssen wir im präventiven Bereich neu dazulernen.

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