Fußballbationalspieler Mesut Özil galt bislang als Inbegriff gelungener Integration. Der Sohn türkischer Einwanderer, geboren in Gelsenkirchen, bekam dafür 2010 sogar einen Bambi. Der eher scheue Weltstar verdankte sein Image nicht zuletzt seinem eisernen Prinzip: Er sei Sportler, kein Politiker. Deshalb wolle er sich in politische Angelegenheiten nicht einmischen. Wäre der 29-jährige Weltmeister seinem Grundsatz doch bloß treu geblieben. Denn seit er vergangenen Sonntag gemeinsam mit seinem Nationalmannschaftskollegen Ilkay Gündogan, ebenfalls türkischer Abstammung mit Geburtsort Gelsenkirchen, den fatalen Schritt vom Rasenrechteck auf das politische Parkett wagte, hagelt es aus allen Richtungen Kritik an den beiden Kickern. Völlig zu Recht!
„Mit großem Respekt für meinen Präsidenten“
Wie dumm und politisch unbedarft muss man sein, zu glauben, man könne sich als weltweit bekannter deutscher Nationalspieler folgenlos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ablichten lassen? Ihm mitten im türkischen Wahlkampf werbewirksam Trikots mit Widmung zu überreichen (Gündogan: „Mit großem Respekt für meinen Präsidenten.“), ohne dass der Autokrat daraus Kapital schlägt? Will Ilkay Gündogan, der übrigens an der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg sein Abitur geschafft hat, uns tatsächlich weismachen, dass es „nicht unsere Absicht war, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen“? Es ist schwer vorstellbar, dass Gündogan und Özil nicht bewusst war, dass Erdogan sie mit dem Treffen in London für seine Zwecke instrumentalisieren wollte.
Jener Mann also, der im Umgang mit der Opposition und der Presse im Land alles andere als zimperlich ist. Der rechtsstaatliche Grundsätze mit Füßen tritt. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Frank Überall, hat Recht, wenn er darauf hinweist: „Özil sollte sich bewusst machen, dass ihm viele Journalisten in der Türkei nicht bei der Arbeit auf dem Platz zuschauen können, weil 'sein' Präsident dafür gesorgt hat, dass sie unter fadenscheinigen Begründungen hinter Gittern sitzen.“
Emre Can, Nationalmannschafts-Kollege vom FC Liverpool, ebenfalls mit türkischen Wurzeln, hat übrigens nach Informationen der Zeitung „Die Welt“ die Einladung des türkischen Präsidenten abgelehnt - und damit Gündogans Entschuldigung („Aber sollten wir uns gegenüber dem Präsidenten des Heimatlandes unserer Familien unhöflich verhalten?“) als Ausrede entlarvt.
Gündogan und Özil haben mit ihrem unsäglichen Präsidenten-Fotoshooting nicht nur dem DFB und seinen Integrationsbemühungen einen Bärendienst erwiesen. Das Duo, im Stadion oft Weltklasse, neben Erdogan aber leider nur willfährige Statisten, hat zugleich mächtig Öl ins Feuer der Diskussionen um Integration und doppelte Staatsbürgerschaft gegossen. Vor allem in den sozialen Netzwerken verschaffen sich mit ihrem rassistischen Schwachsinn gerade mal wieder jene besondere Aufmerksamkeit, die es schon immer gewusst haben wollen: „Solche Leute gehören nicht zu uns Deutschen.“
„Erdogan steht nicht für die Werte, die der DFB verkörpert.“
Der DFB hat sich klar von der Aktion seiner beiden Spieler distanziert und sie in den Senkel gestellt. Präsident Reinhard Grindel machte deutlich, dass Erdogan nicht für die Werte stehe, die der DFB verkörpere. Gleichzeitig warb er dafür, das Maß im Umgang mit den kritisierten Nationalspielern zu wahren.
Mezut Özil und Ilkay Gündogan haben einen Fehler gemacht. Die Welle der Empörung, die ihr Auftritt ausgelöst hat, sollte eine lehrreiche Lektion für sie sein. Damit ist es aber auch genug. Jetzt sollten sie schleunigst wieder das tun dürfen, was sie am besten können: Fußball spielen. Zum Glück hat Jogi Löw sie für den deutschen WM-Kader nominiert.
Mesut Özil veröffentlichte auf seinem Instagram-Account ein Bild des Treffens:
The (Premier) League of Extraordinary Gentlemen ????????? @ilkayguendogan @cenktosun14 Ein Beitrag geteilt von Mesut Özil (@m10_official) am Mai 13, 2018 um 2:29 PDT