Von Panikmache ist die Rede. Von einer bewussten Verunsicherung der Menschen. Zwar wird das neue Konzept zur zivilen Verteidigung erst an diesem Mittwoch im Kabinett besprochen und anschließend die Überarbeitung vorgestellt, doch bereits vorab ist die Aufregung groß. Die durchgesickerten Informationen erhitzen die Gemüter – bei den Abgeordneten, aber auch bei den Bürgern. Die Idee einer Wiedereinführung der Wehrpflicht etwa. Oder die Aufforderung an die Bürger, sich Vorräte für den Katastrophenfall zuzulegen. Die Bevölkerung soll „durch geeignete Maßnahmen angehalten werden“, zur Eigen- und Erstversorgung „für einen Zeitraum von fünf Tagen je zwei Liter Wasser pro Person und Tag in nicht gesundheitsschädlicher Qualität vorzuhalten“, heißt es in dem Entwurf. Nahrungsmittel sollen gar für zehn Tage ausreichen.
Vorräte anlegen? Der Supermarkt hat doch ohnehin sechs Tage die Woche geöffnet. Wir leben in einer Überfluss-Gesellschaft. Alles ist jederzeit verfügbar. Ein Luxus, der für viele zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Vor allem junge Menschen sind in einer Zeit ohne Entbehrungen aufgewachsen. Keine staatlichen Lebensmittelrationierungen, keine Ausgangssperren, keine Einschränkungen. 20 Jahre ist der Kalte Krieg vorbei, 70 Jahre herrscht Frieden in Mitteleuropa. Eine akute Bedrohung Deutschlands kann sich kaum einer vorstellen. Bis jetzt. Bis die Attentate in Würzburg und München gezeigt haben: Der Terror macht nicht an der deutschen Grenze halt.
Er hat die Bundesrepublik schneller erreicht, als viele dachten. Und Experten sind sich sicher: Es werden nicht die letzen Angriffe gewesen sein. Die Überarbeitung des Zivilschutzkonzepts steht nicht in direktem Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen. Doch diese machen deutlich, wie notwendig solche Strategien sind.
Seit Jahren wird etwa vor Cyberattacken gewarnt. Und selbst wenn es kein Angriff ist, sondern nur eine Störung des Stromnetzes, ein flächendeckender Stromausfall, die Folgen wären gravierend. 2011 stellte das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag einen Leitfaden zu den Folgen eines lang andauernden und großräumigen Stromausfalls vor. Elektrisch betriebene Geräte sind aus unserer Alltagswelt nicht wegzudenken – ob im privaten Haushalt oder im öffnenlichten Straßennetz. Kühlschränke, Computer, Ampelanlagen, Supermarkttüren – all das ist strombetrieben. Bei einem Stromausfall wäre ein Kollaps kaum zu verhindern.
In einer digitalisierten und globalisierten Welt darf sich die Politik nicht auf ein mehr als 20 Jahre altes Konzept verlassen. Aus einer Zeit, in der Zeitung und Fernsehen noch die wichtigsten Medien waren. Einer Zeit, in der kaum einer ein Handy hatte, von Smartphones ganz zu schweigen. Es wird höchste Zeit zu handeln. Eine Überarbeitung des Konzepts zur zivilen Verteidigung ist keine Panikmache. Es ist dringend notwendig.
Die Aufregung zeigt dabei vor allem eines: die Verunsicherung in der Bevölkerung. Die Bedrohung ist real geworden. Nun ist es an der Politik, Sicherheit zu schaffen. Den Menschen das Vertrauen zurückzugeben, dass sie in einem sicheren Land leben. Das gelingt nicht, wenn mit dem Zivilschutzkonzept Wahlkampf betrieben wird. Wir brauchen eine sachliche Debatte – ohne Hysterie und ohne Spott.