Es ist eine schlechte Seifenoper, die Horst Seehofer zum Abschluss seiner langen Polit-Karriere derzeit zur Aufführung bringt: Erst nach stundenlanger Debatte ein angekündigter Rücktritt mit Drei-Tage-Ablauffrist. Dann ein 24-Stunden-Rückzieher als „Angebot“ an die angebotsunwillige Kanzlerin – welcher das seichte Drama zwischen Berlin und München nur unnötig verlängert. Wäre die Seehofer-Story ein Drehbuch für eine bayerische Version von „House of Cards“, es wäre als viel zu kitschig längst krachend durchgefallen.
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Zumal das Ende der Geschichte mit Seehofers Rücktrittsdrohung schon besiegelt war: Denn bliebe er trotzdem Bundesminister, wäre seine Glaubwürdigkeit endgültig dahin. Doch selbst ein Rücktritt, nur um dem Rauswurf zuvorzukommen, wird ihn nach dem Schauspiel der letzten Tage nicht mehr zum politischen Märtyrer machen.
Führungstrio hat die CSU in eine politische Zwickmühle geführt
Denn mit Unterstützung von Markus Söder und Alexander Dobrindt hat Seehofer durch die unnötige Zuspitzung des Streits um die Zurückweisung von Asylbewerbern die CSU in eine politische Zwickmühle geführt, aus der es auch ohne ihn so leicht kein Entrinnen geben wird: Schließlich muss die Partei in Berlin in der Regierung bleiben, um ihren Anspruch als erster Gralshüter bayerischer Interessen wahren zu können. Gleichzeitig kann die CSU aber nicht mehr Teil einer Merkel-Regierung sein, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht endgültig verspielen will.
Das Dilemma ist hausgemacht, auch wenn Merkel mit ihrer Unwilligkeit, neue politische Wege zu gehen, einen gehörigen Anteil an der Krise der Union hat. Das CSU-Führungstrio hat aber zugelassen, dass der Streit so eskaliert ist, dass nun die gesamte Regierung in Frage steht. Dabei ist die reale Bedeutung der umstrittenen Zurückweisungen an der Grenze eher gering. Doch für Seehofer wie Merkel ging es in diesem Streit nie um Fakten – sondern um den Symbolwert für die Zuwanderungspolitik.
Mehr Emotionen als der Politik guttut
Vor diesem Hintergrund konnte die CSU mit dem – in der Tat wachsweichen – EU-Paket der Kanzlerin gar nicht zufrieden sein. Andererseits war das Signal des Brüsseler Gipfels eindeutig: Die EU-Flüchtlingspolitik bewegt sich auch ohne Merkels Zustimmung auf den Abschottungskurs, den die CSU eigentlich will. Trotzdem blieb ein Kompromiss zwischen Seehofer und Merkel ausgeschlossen – weil zwischen beiden mehr Emotion im Spiel ist, als der Politik guttut.
Merkel trägt Seehofer offenbar bis heute seinen Widerstand gegen ihr „Wir schaffen das“ nach. Und Seehofer reagierte als Innenminister auf Merkels politische Nadelstiche mit Trotz statt Verstand. Getrieben von der Angst vor dem Verlust der alleinigen Macht in Bayern war zudem auch die gesamte CSU-Führung zum politischen Harakiri bereit.
Für die CSU und die Union insgesamt gibt es keinen guten Ausweg aus dieser Sackgasse: In Berlin droht ob der gegenseitigen Verletzungen selbst ohne Seehofer und Merkel eine dauerhafte Belastung der Partnerschaft, die immerhin siebzig Jahre lang großen Anteil an der politischen Stabilität in Deutschland hatte. Und in Bayern steht die Söder-CSU auf der Zielgeraden zur Landtagswahl vor der schweren Hypothek wochenlanger personeller Selbstbeschäftigung.
Die SPD hat sich schon in den politischen Keller gewirtschaftet. CDU und CSU könnten ihr nun folgen. Freuen kann sich über diese Selbstzerstörung eigentlich nur die AfD: Ein größeres Geschenk, als sich ausgerechnet über die Flüchtlingspolitik zu zerlegen, hätten die Konservativen den Rechtspopulisten gar nicht machen können.
In Bayern wollte die CSU für die Landtagswahl das zersplitterte bürgerliche Lager einen und die AfD an die rechte Wand drängen. Diese Strategie ist nun krachend gescheitert.