Für den Leser ist das so, als wären Jahrzehnte des Kampfes für Gleichberechtigung und die Diskussionen um Frauen in Führungspositionen an der Redaktion vorbeigezogen – als machten Farbe der Handtasche und Form der Beine den Besuch einer Ministerin zum „perfekten Auftritt“. Er ärgert sich per E-Mail: „Im Superwahljahr keine Aussagen, keine Standpunkte <...>, dafür die Fähigkeit mit rechts Hände zu schütteln und dabei mit links die Tasche halten zu können.“
Ja, darüber liest man im Beitrag, der auf das Image eingeht, das der jungen Ministerin vorauseilt. Eigene Gedanken führt die Autorin mit Stimmungen vor Ort zusammen. Der Besuch sei „schon ein bisschen so wie 'Gala' lesen. Wie ist die Frau so? Wie sieht sie in echt aus und was hat sie uns zu sagen? <...> Schröder hat einiges zu sagen.“ Man liest, dass sie sich in ihrem Buch „Mama zahlt“ für gut bezahlte Teilzeitarbeit statt für Minijobs nach der Babypause stark macht. Vor Ort betont sie, dass alle, die um 17 Uhr gehen müssen, um ihr Kind abzuholen, effizienter arbeiten. Und die Autorin erkennt eine Symbolik für rote Handtaschen: Damit demonstrieren an jedem 23. März Frauen gegen Lohnunterschiede gegenüber Männern.
Der Kritiker weiß, dass Frauen seit Jahrtausenden unterdrückt werden, weil es sich bewährt habe. Dennoch schreibt er: „Ich und meine Frau“ haben trotz des traurigen Anlasses lange nicht mehr so gelacht. Auf die Weltgeschichte der Unterdrückungen gehe ich hier nicht ein, weil ich zumindest von Journalistin zu Ministerin keine erkenne, Sexismus, aktuell viel diskutiert, ohnehin nicht.
Der Bericht (hier können Sie ihn nachlesen) ist eine eher persönliche Begegnung mit der Wahlkämpferin. Das gefällt nicht immer, obwohl es gerade in Wahljahren solcher Darstellungen bedarf. Sonst dominieren alleine politische Reden, auch von Frau Schröder. Beobachtungen am Rande, weitere sollen folgen, können uns Politiker im Wahljahr näher bringen, näher als es ein Nachrichten-Einerlei vermag. So finden auch bei Männern Accessoires mal Aufmerksamkeit, etwa beim Besuch von Christian Ude (15.1.: ).
Denkbar ist, dass Frauen die Kritik des Lesers teilen. Deshalb ist sie wichtig. Mir bot sie Gelegenheit zu dieser Erklärung. Zu der gehört, dass ich unsere Redaktion nicht für frauenfeindlich halte, selbst wenn wir bei Frauen in Führungspositionen wirklich Nachholbedarf haben.