Drei von vier Rügen, die der Deutsche Presserat in seiner jüngsten Sitzung aussprach, richteten sich gegen das Online-Angebot der Bildzeitung. In zwei Fällen sah er den Opferschutz verletzt, in einem habe die Redaktion in einem Video die Dramaturgie des Täters übernommen, heißt es in einer Mitteilung. In Sequenzen konnten Zuschauer aus der Perspektive des Täters quasi live dabei sein. Seine Vorgehensweise war chronologisch vom Laden der Waffen bis hin zu den Sekunden vor und nach den Mordtaten aufgezeigt. Diese Darstellung gehe über das öffentliche Interesse hinaus und bediene überwiegend Sensationsinteressen.
Der Interessenskonflikt
Eine vierte Rüge traf mit dem Südkurier eine Regionalzeitung. Deren Redaktion hatte einen freien Mitarbeiter einen Artikel zu einem geplanten Windpark schreiben lassen. Bei dem Autor handelte es sich allerdings um einen Lokalpolitiker, dem aufgrund seiner Tätigkeit – auch im Aufsichtsrat der am Windpark beteiligten Stadtwerke - ein massiver Interessenskonflikt bei diesem Thema zu unterstellen war.
Die Redaktion hätte daher, so erklärt der Presserat, einen anderen Mitarbeiter beauftragen oder zumindest den Lesern den Interessenkonflikt offenlegen müssen. Dabei war die Qualität des Artikels unter der Überschrift „Betreiber wird Windkraftanlagen bauen“ unerheblich. Das Gremium betonte, dass bereits der Anschein, die Berichterstattung könnte interessengeleitet sein, geeignet ist, das Ansehen der Presse massiv zu schädigen. Schließlich haben sich Redaktionen auch zur Wahrhaftigkeit in ihrer Berichterstattung verpflichtet.
Strikte Trennung notwendig
Der Presserat stützt sich bei dieser Rüge vor allem auf Richtlinie 6 in seinem Kodex zur Trennung von Tätigkeiten. Sie lautet: „Übt ein Journalist oder Verleger neben seiner publizistischen Tätigkeit eine Funktion, beispielsweise in einer Regierung, einer Behörde oder in einem Wirtschaftsunternehmen aus, müssen alle Beteiligten auf strikte Trennung dieser Funktionen achten. Gleiches gilt im umgekehrten Fall.“
Diese Rüge ist deshalb einer Erwähnung wert, weil ich in dieser Kolumne am 12. Oktober 2019 einen Fall kenntlich gemacht habe, bei dem eine Mitarbeiterin den Bericht über ein Ereignis verfasst hatte, an dem sie sich selbst aktiv beteiligt hatte: „Wer im Gewand der Protestierenden kommt, sollte nicht der sein, der über den Protest berichtet.“ Auch hier lag eine Doppelfunktion vor, die man mindestens hätte kenntlich machen müssen. Noch besser wäre es allerdings auch hier gewesen, die Berichterstattung einem unabhängigen Journalisten zu übertragen.
Zur Mitteilung des Presserates: "Rüge für Täter-Video von Halle"
Zur Leseranwalt-Kolumne: "Eine Beteiligte hat berichtet" zum Zeitungsbeitrag vom 12.10.19
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auchwww.vdmo.de