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LESERANWALT: Leseranwalt: Warum ein eingekerkerter Donald Trump auf der Titelseite der Zeitung zu verantworten ist

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Leseranwalt: Warum ein eingekerkerter Donald Trump auf der Titelseite der Zeitung zu verantworten ist

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    Foto auf der Titelseite der Main-Post vom 5. April 2023: Diese Aufmerksamkeit für den Ex-US-Präsidenten Trump geht einem Leser zu weit.
    Foto auf der Titelseite der Main-Post vom 5. April 2023: Diese Aufmerksamkeit für den Ex-US-Präsidenten Trump geht einem Leser zu weit. Foto: Anton Sahlender

    Trump hinter Gittern. Nicht wirklich. Aber auf einem Transparent ist er so dargestellt. Damit haben Anhänger des früheren US-Präsidenten, die genau das verhindern möchten, nahe dem Gericht in Manhattan demonstriert, in dem die Anklage gegen Trump verlesen werden sollte. Manch einer mag das im Bild gerne gesehen haben. Aber ein Leser stößt sich daran, dass ein Foto am 5. April prominent oben auf dem Titel der Zeitung das Transparent mit Trump hinter Gittern zeigt.

    Die Aufmerksamkeit für Donald Trump geht einem Leser zu weit

    „Entsetzt über die Sorglosigkeit, mit der über den Komiker Trump berichtet wird“, reagiert darauf Leser B.. Selbst wenn es „Sarkasmus oder gar Verhöhnung“ sein solle, gehe ihm diese Aufmerksamkeit zu weit.

    Ich greife diese Kritik auf, weil sich Zuschriften zunehmend mit möglichen Wirkungen von Beiträgen auf das Publikum auseinandersetzen. Das ist durchaus erfreulich. Denn darüber kann mehr Kompetenz für die Medien-Nutzung wachsen und vielleicht lernen Menschen auch, Fakes leichter zu erkennen. Schon deshalb lohnt es sich, immer wieder über die Wirkung eines Bildes zu diskutieren, auch wenn sie nur schwer konkret zu ermitteln ist.

    Von einer Nachricht und mehreren Botschaften

    Das fotografierte Transparent der Trump-Anhänger entspringt als solches der Wirklichkeit, gehört nicht zu seinen "alternativen Fakten". Es war bei der Demo zu sehen und wurde dabei fotografiert. Aber die tatsächlich darauf vor dem Ex-Präsidenten abgebildeten Gitterstäbe, die gab es nicht in der Realität.

    Mit Donald Trump, eingekerkert hergezeigt, wollten seine Anhänger wohl Empörung auslösen und ihn zum Opfer machen. Und Medien verbreiteten auch diese Nachricht mit dem Foto, mit dem durchaus noch mehr Botschaften bei Nutzern ankommen konnten. Herrn B. lässt uns wissen, welche ihn erreichten.

    Nicht konkret nachweisbare Vorwürfe lassen sich schwer entkräften

    Was nur als eine Vermutung von Leser B. durchgehen kann, ist seine Unterstellung, die Bildplatzierung sei „eine Art Meinungsmache“. Er folgert, Bericht und Foto hinterließen an dieser Stelle (also auf dem Titel der Zeitung) nachhaltigen Eindruck, würden das Übernehmen von Botschaften begünstigen und bis zur Einflussnahme reichen können. Das wäre hart.

    Meinungsmache und Einflussnahme können auch die Durchsetzung eigener Interessen oder gar unlautere Absichten in sich tragen. Sie stellen Wahrhaftigkeit von Bericht oder Bild in Frage. Die Crux: Solche Vorwürfe, die nicht konkret nachweisbar sind, lassen sich auch nur schwer entkräften.

    Aber: Platzierungen in der Zeitung dienen nie einer Meinungsmache, sondern entspringen in erster Linie der redaktionellen Bewertung von Relevanz und öffentlichem Interesse am Thema oder Ereignis. 

    Eine Botschaft aus der Zeitung, die zu verurteilen wäre

    Zweifellos ist es richtig, dass große Beiträge auf der Titelseite erhöhte Aufmerksamkeit erhalten. Das wird niemand leugnen. Deshalb will diese Platzierung gut überlegt vergeben werden. Welche Wirkung aber die Beiträge dort erzielen und die Botschaften, die von ihnen ausgehen, das bleibt weitgehend unsichtbar. Denn das hängt stark von der individuellen Einstellung ihrer Empfänger ab.

    Ich sag es mal etwas indirekt mit Goethes Faust: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Der fehlt nicht nur im Faust für eine Botschaft. Zu verurteilen wäre Meinungsmache als Botschaft einer Zeitung ohnehin, wenn es nicht für demokratische Grundwerte ist. Was zur Bildung eigener Meinungen beiträgt, das sollen Medien unterstützen.

    Die zeitgeschichtliche Relevanz des Geschehens in den USA und der Berichterstattung

    Nun dürfte hierzulande die Mehrheit der Leserschaft von Zeitungen die ablehnende Einstellung von Herrn B. gegenüber Trump teilen. So ist die redaktionelle Entscheidung für das Bild, wie es B. meint, kaum einem „Trumpismus“ nützlich, der auch auf das „Immer-wieder-berichten“ setze. Ohne Rücksicht auf Wahrheit.

    Das dürfte vorwiegend in den USA funktionieren, was eine Korrespondenten-Reportage im Inneren derselben Zeitungs-Ausgabe („Im Triumphzug zur Anklagebank“) durchblicken lässt. Sie offenbart zudem die zeitgeschichtliche Relevanz des Geschehens vor Gericht und der Berichterstattung. Dazu darf das Foto vom Trump-Transparent gezählt werden, das noch keiner künstlichen Intelligenz entsprungen ist, so dass es unsere Wahrnehmung erschüttern könnte.

    Unerlässliches Grundvertrauen der Redaktion in die Leserschaft

    Doch Leser B. sorgt sich: „Seriöse Leserinnen und Leser, die möglicherweise die Tragweite der Bildbotschaft nicht erkennen (wollen)“, hätten „solche Titelbilder in der deutschen Landschaft nicht verdient“.

    Ich versichere jedoch, dieses Bild, auf das ebenso gut hätte verzichtet werden können, ist trotzdem auf dem Titel einer Zeitung zu verantworten. Ein Grundvertrauen in das Verständnis der  gesamten Leserschaft, das auf Gegenseitigkeit beruhen sollte, war nämlich für diese und ist für alle Entscheidungen in Redaktionen unerlässlich. Daraus ist nicht abzuleiten, dass es für Beträge über Trump keine Grenzen gibt. 

    Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

    Weitere Leseranwalt-Kolumnen zum Thema Fotos:

    2018: "Liefern Journalisten nur das, was Konsumenten haben wollen?"

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