Was ist das Faszinierende am Fußball? Keine Frage, es ist seine Verwurzelung in der abendländischen Zivilisation – sein System der Moral, der Philosophie und Antizipation. Die Mannschaft habe eine „tolle Moral“, lobt ein Trainer, sie fahre „mit der geeigneten Moral“ zum nächsten Spiel. „Mit dieser Moral wird es schwer, uns aufzuhalten“, erklärt ein Spieler. Bundestrainer Joachim Löw sagt, er wolle, dass seine Mannschaft „ihre eigene Philosophie durchsetzt“. Ein Trainer lobt „die grundsätzliche Philosophie“ seines Clubs. Ein Torwart bekennt, für ihn zähle nicht nur der Sieg, sondern auch „die Philosophie des Trainers“. Ein Spieler von RB Leipzig möchte „die Philosophie von Leipzig verinnerlichen“. Neuerdings wird auf dem Spielfeld nicht nur philosophiert, sondern auch antizipiert. Antizipationen der Wahrnehmung nennt Immanuel Kant jene Erkenntnisse, durch die das zur empirischen Erkenntnis Gehörende a priori erkannt und bestimmt werden kann. Ein Trainer sagt über einen seiner Spieler, dass er „gut antizipiert“. Ein Journalist schreibt über einen Spieler: „Er antizipiert auf dem Feld wie kaum ein anderer.“ Ein Torhüter sagt über sich, er sei einer, „der Bälle antizipiert, bevor sie gefährlich werden.“ Bestimmt kommt jetzt bald auch noch die Metaphysik ins Spiel. Dann wird es heißen, die Spieler hätten die Metaphysik des Trainers dialektisch umgesetzt und ihr metaphysisches Potenzial voll abgerufen. All das leistet der Fußball. Wäre also nur noch zu klären, was Kant zu den Abseitsregeln, Schopenhauer zur Viererkette und Hegel zum System der Manndeckung zu sagen haben.
Unterm Strich