Trübe Tassen senden starke Signale. Das wird immer beliebter, seit wir zuhause hocken und uns fragen, ob wir noch alle Tassen im Schrank haben. Inzwischen hält jeder, der eine Botschaft rüberbringen will, einen Kaffeebecher in die Kamera: „Hier trinkt der Boss“ oder „Dir würde ich auch mal einen einschenken“. Markus Söder nimmt eine Tasse mit der düsteren Botschaft „Winter is coming“. Dann schenkt er ein: Die Tasse verfärbt sich zu dem banal-apokalyptischen Schriftzug „Winter is here“. Was für ein Akt der Wirtschaftsförderung: Fans stürmen wie Elefanten die Porzellanläden. Zeitweise ist die Tasse ausverkauft. In der SPD-Parteizentrale wirft Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit Tassen nach Genossen, weil sie die Idee nicht zuerst hatten. In Dresden kaufen 12 000 Glühwein-Trinker per Internet Gedenktassen für den Striezelmarkt – aus Wehmut, weil die Weihnachtsmärkte wegen Corona geschlossen bleiben. Ein Verlag in der Schweiz bietet „selbst bedruckte Tassen für die Jungfrau-Zeitung-Redaktion“. Im Jubiläums-„Tatort“ klaut ein Münchner Kommissar seinem Dortmunder Kollegen einen BVB-Humpen. Warum kriegt der im Gegenzug keinen Bayern-Schal? Völlig wahnsinnig wird es, wenn der „Tatort“-Kommissar aus Münster jetzt aus einer Frankentasse (!) schlürft. Vehement fordern Briefe an den BR-Intendanten den dauerhaften Einsatz dieses Requisits in künftigen „Franken“-Tatorten. Dabei hat der westfälische Kommissar Frank Thiel die Botschaft „Gott sei dank, ich bin a Frank“ auf sich bezogen. Eigentlich trinkt er aus einer Tasse des FC St. Pauli.
Unterm Strich