Es ist vor allem ein Thema, das den Experten beim aktuellen Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar unter den Nägeln brennt: die Nutzung von Smartphones während der Autofahrt und die damit verbundenen hohen Risiken. Die Dunkelziffer ist hoch, die Verstöße oft nur schwer zu belegen. Genau das treibt den Ingenieur- und Verkehrspsychologen und Leiter des Lehrstuhls für Psychologie an der TU Braunschweig, Mark Vollrath, seit Jahren um.
Vollrath, der in Würzburg studierte und habilitierte und einige Jahre an der Uni Würzburg lehrte, hat schon im Jahr 2000 mit Forschungsarbeiten zu diesem Thema begonnen. Die Ablenkung im Straßenverkehr durch die Nutzung von Mobilfunkgeräten war damals noch überschaubar. Heute, so sagt Vollrath auf Anfrage dieser Zeitung, müsse man doch nur mal in die Autos reinschauen, um zu sehen, was da passiere. „Freisprechanlagen sind doch die Ausnahme.“
Vollrath gehört zu den Referenten beim Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar und er bemängelt vor allem eines: eine unzureichende juristische Regelung, was das Hantieren mit dem Handy während der Autofahrt angeht. „Man muss mit dem Handy in der Hand erwischt werden – das heißt, wer beispielsweise sein Handy oder Tablet auf den Knien liegen hat und tippt oder liest, ist streng genommen nicht zu belangen.“ Dabei, so der Experte, sei das wesentlich gefährlicher, als zu telefonieren, denn da habe man den Blick wenigstens noch auf die Straße gerichtet. „Das muss juristisch geklärt werden, eventuell muss ein zusätzlicher Paragraf eingebaut werden“, so Vollrath. Vielen Verkehrsteilnehmern sei gar nicht bewusst, dass das Handyverbot am Steuer eben mehr umfasse als reines Telefonieren. Wer bei der Nutzung des Handys ertappt wird, zahlt 60 Euro und kassiert einen Punkt in Flensburg. Die Polizei tut sich allerdings schwer mit dem Nachweis. Denn die Aktivitäten sind häufig nur schwer von außen erkennbar. Die Verlockung, an einer roten Ampel oder in langsamem Tempo mal schnell eine SMS zu tippen oder eine Nachricht abzurufen, ist indes groß. Das haben Verkehrsteilnehmer in Studien bestätigt. Doch genauso groß ist das Risiko, in einem solch vermeintlich sicheren Moment die Kontrolle über das Fahrzeug oder das Geschehen im Straßenverkehr zu verlieren. „Ablenkung ist ein Problem – und dieses Problem wächst mit den weitreichenden Nutzungsmöglichkeiten von Navigationsgeräten und Smartphones“, sagt Mark Vollrath. Apps bieten den Fahrzeugführern Informationen über Staus, Blitzer oder Unfälle. Doch genau Letztere ereignen sich zunehmend wegen der damit verbundenen Unaufmerksamkeit. „Es würde sehr helfen, wenn man die Maßnahmen zur Überprüfung ausweiten könnte, etwa mittels Radar oder auch dem Hereinfotografieren in Fahrzeuge“, so der Professor. Die Fotos könne man ja gleich wieder löschen. „Aber wir brauchen im Forschungsbereich dringend belastbare Zahlen, damit man Forderungen untermauern kann.“
Während in den USA jährlich über 3000 Unfalltote durch „Ablenkung mittels Smartphonenutzung“ beklagt werden, liegen hierzulande valide Zahlen nicht vor. Fest steht nur: zwischen 2008 und 2013 ist die Zahl der Unfälle mit ungeklärter Ursache bundesweit um 56 Prozent gestiegen. Doch die Experten können der Politik nur Empfehlungen aussprechen, was von den Vorschlägen umgesetzt wird, entscheiden andere. Und es sind nicht nur Autofahrer, die negativ auffallen. Bei Fußgängern und Radfahrern kann die Fixierung auf das Smartphone ganz schnell lebensgefährlich werden. „Die Leute ignorieren, dass sie im Blindflug unterwegs sind“, klagt auch Reiner Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.