Einst fand ich eine Anzeige in der Zeitung: "Ich höre Ihnen zu!" Darunter eine Zahl, der Lohn, dass einem diese Person etwas lieh, in diesem Fall ihr Ohr. Ich erinnere mich nicht mehr an die Zahl, aber ich war verwirrt. Der Preis dafür, dass da jemand saß, der einem einfach nur zuhörte, erschien mir verdammt hoch. Heute, mit dem Abstand von Jahren, würde ich sagen: Der Preis ist gerechtfertigt. Er müsste sogar um ein Vielfaches höher liegen.
Das hat weniger mit der rasanten Inflation zu tun, sondern eher mit dem auf diesem Gebiet besonders krassen Fachkräftemangel. Wohin man auch blickt: Es gibt in unserer verquatschten Gesellschaft Millionen von Menschen, die ihr Mundwerk aus dem Effeff beherrschen. Umgekehrt aber findet man schon seit Längerem kaum noch Menschen, die in der Lage wären, ganz Ohr zu sein. Zuhören ist aus der Mode gekommen.
Man könnte für den Anfang mal der Frage nachgehen: Wenn Reden Silber ist und Schweigen Gold, was ist dann Zuhören? Vielleicht liegt der Mangel an kompetenten Zuhörenden auch daran, dass man heute überall Kurse, Schulungen, ja ganze Wochenend-Seminare buchen kann, die einen befähigen sollen, ein guter Redner zu werden. Es gibt Rhetorik-Trainer, Rhetorik-Schulen und Rhetorik-Bücher. Aber noch nie habe ich von einem Vhs-Kurs über gutes Zuhören gelesen.
Dabei hat Zuhören etwas Magisches und Machtvolles. Wer zuhört, lernt sein Gegenüber kennen, manchmal besser, als diesem lieb ist. Wenn Sie selbst gerade niemanden haben, der Ihnen zuhört, rufen Sie gerne an. Über den Stundenlohn können wir reden.