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"Ich bin Deutscher aus Rumänien"

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"Ich bin Deutscher aus Rumänien"

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    Hermannstadt in Rumänien ist neben Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt 2007. Die Stadt war früher
Zentrum der deutschen Volksgruppe und hat heute einen Bürgermeister aus der deutschen Minderheit.
    Hermannstadt in Rumänien ist neben Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt 2007. Die Stadt war früher Zentrum der deutschen Volksgruppe und hat heute einen Bürgermeister aus der deutschen Minderheit. Foto: FOTO DPA

    Rund 1200 Siebenbürger Sachsen leben im Raum Würzburg, etwa 280 000 in ganz Deutschland. Alfred Müller-Fleischer (67) ist seit 30 Jahren der Vorsitzende der Kreisgruppe Würzburg. "Ich würde mich freuen, wenn wir in Giebelstadt einen zivilen Flughafen bekämen, denn dann könnten meine Frau und ich direkt nach Hermannstadt fliegen", sagt er scherzhaft. Die Stadt mit 170 000 Einwohnern hat nämlich einen internationalen Flughafen. Hermannstadt ist die Boom-Region Rumäniens mit nur fünf Prozent Arbeitslosen und einem Wirtschaftswachstum von zwölf Prozent. Viele Rumänen sprechen deutsch, weil sie die deutschen Schulen in der Stadt besucht haben. Und die Investoren schätzen Mitarbeiter mit solchen Sprachkenntnissen.

    "Rumänien wird sich entwickeln"

    Müller-Fleischer besitzt mit der Familie seiner Frau zusammen ein Haus in Martinsdorf bei Hermannstadt und ist mehrmals im Jahr dort. "Rumänien ist ein interessantes Land. Ich bin zuversichtlich, dass es sich in der EU gut entwickeln wird", sagt er. Wunder Punkt sei die Korruption. Der EU-Beitritt konnte deswegen auch nur unter Auflagen erfolgen. Aber die Wirtschaft sei entwicklungsfähig. Das Land habe viele Bodenschätze und könnte seine Naturschönheiten viel besser für den Tourismus nutzen, ist er überzeugt.

    "Ich weiß, dass viele Bürger hier gegen den EU-Beitritt sind, aber wir als Landsmannschaft begrüßen ihn. Die Beziehungen werden sich verbessern und mehr unserer jungen Leute werden nach Rumänien zurückgehen." Schon jetzt kehren immer mehr junge Deutsche aus Rumänien in das "Land hinter den Wäldern", nach Transsylvanien, zurück: "Ein Ingenieur hat eine Firma mit 300 Mitarbeitern aufgebaut und liefert Airbags und Kabelbäume für die deutsche Autoindustrie." Freunde von Müller-Fleischer fertigen Pullover, die hier importiert werden.

    Ziel ist vor allem die Region um Hermannstadt. Bürgermeister Klaus Johannis ("ein tüchtiger Mann") ist Angehöriger der deutschen Minderheit. Der frühere Lehrer wurde 2005 mit 89 Prozent im Amt bestätigt. Und das, obwohl die Deutschen dort nur noch 1,6 Prozent der Einwohner stellen, die Rumänen 95 Prozent. Es ist eine widersprüchliche Situation, die die Veränderungen der letzten Jahrzehnte zeigt. Auswanderung prägte das Lebensschicksal von Alfred Müller-Fleischer - es ist typisch für die Siebenbürger Sachsen. Weil der Maschinenbauingenieur einen Vertrauensposten in der Industrie hatte, erhielt er keine Ausreise-Erlaubnis und floh 1973 nach Deutschland. Er traute dem unberechenbaren Diktator Nicolae Ceausescu nicht. Schikane war an der Tagesordnung: So musste seine Schwägerin das Elternhaus billig verkaufen, um ausreisen zu dürfen.

    Die Flucht hat die meisten Siebenbürger Sachsen nach Deutschland geführt. Sie sind längst gut integriert. "Viele sind wirtschaftlich erfolgreich. Als Aussiedler mussten wir immer besonders tüchtig sein, um bestehen zu können." Müller-Fleischer hat sich sehr für den Aufbau der Landsmannschaft engagiert, deren Aufgabe die Pflege der alten Kultur und Trachten, die politische Vertretung und die soziale Unterstützung ist. Denn: "Schäßburg ist meine Heimatstadt. Heimat hat man nur einmal. Hier in Würzburg, das ist meine Wahlheimat."

    Wahlheimat Würzburg

    Längst ist er mit seiner Familie glücklich in dieser Wahlheimat. Auch wenn Deutschland seine Landsleute vom Balkan nicht immer mit offenen Armen empfangen hat: Seit 1991 haben Deutsche aus Rumänien keine Vertriebenenrechte mehr. "Wer danach kam, wurde einfach als Ausländer behandelt: Er musste erst die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben und bekam keine Rentenansprüche anerkannt."

    Die Rente ist ein Zankapfel, das weiß er. Viele Einheimische ärgern sich über vergleichsweise hohe Renten der Aussiedler. "Aber wir haben den deutschen Staat keine Ausbildung gekostet, wir haben Kinder mitgebracht und fleißig gearbeitet." Die Kürzung der Fremdrenten um 40 Prozent unter Bundeskanzler Helmut Kohl habe das Bundesverfassungsgericht unlängst verworfen.

    Seine Seele gehört beiden Ländern. "Rumänischer Staatsbürger deutscher Nationalität" habe in seinem Pass gestanden, sagt Müller-Fleischer. Und so fühlt er sich auch: "Ich bin Deutscher aus Rumänien, nicht deutschstämmiger Rumäne."

    Im Blickpunkt

    Auswanderung aus Rumänien

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    Die Siebenbürger Sachsen sind im Mittelalter aus dem Rheinland nach Rumänien ausgewandert. Als Folge des Zweiten Weltkrieges wurden die Deutschen zunehmend diskriminiert. Bundeskanzler Hel- mut Schmidt vereinbarte in den 70er Jahren Ausreise-Kontingente - mit "Kopfgeldern" um die 12 000 Mark pro Person. Nach der Revolution 1989 kam es zur größ- ten Auswanderungswelle. Von einstmals 250 000 Siebenbürger Sachsen leben heute noch etwa 15 000 in Rumänien.

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