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"Italien ist auf dem Weg zur soften Mediendiktatur"

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"Italien ist auf dem Weg zur soften Mediendiktatur"

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    Udo Gümpel
    Udo Gümpel Foto: FOTO PRIVAT

    "Berlusconi Zampano" lautet der Titel eines Buches über den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Die beiden Autoren Udo Gümpel und Ferruccio Pinotti decken darin den schier unfassbaren Werdegang eines der reichsten Männer der Welt vom Staubsauger-Verkäufer, über Baulöwe und Medienmogul zum italienischen Regierungschef und dessen Verstrickungen mit der Mafia und der Geheimloge P2 auf. Anlässlich der bevorstehenden Parlamentswahl in Italien am 9. und 10. April sprach Udo Gümpel mit dieser Zeitung.

    Frage: Herr Gümpel, in Ihrem Buch beschreiben Sie unter anderem, wie sich Silvio Berlusconi unliebsame Journalisten vom Hals hält, haben Sie denn auch schon Probleme in Italien wegen Ihres Buchs bekommen?

    Udo Gümpel: Die Probleme fingen schon viel früher an. Kritische Journalisten werden in Italien knallhart geschnitten. Berlusconi selbst lässt schon lange keine ausländischen Korrespondenten mehr an sich heran. Bei ihnen müsste er fürchten, dass sie ihm Fragen zu Korruption und seine Verstrickungen mit der Mafia stellen würden.

    Bei der Lektüre Ihres Buches dachte ich, ich habe schon viel über Berlusconis korruptes Regime gelesen: Dass es aber so schlimm ist, hätte ich nie gedacht. Waren Sie selbst überrascht?

    Gümpel: Überrascht war ich davon, wie groß die Gruppe jener Menschen ist, die Berlusconi unterstützen. Und überrascht waren wir, dass wir auf der Suche nach den ersten Finanziers des jungen Unternehmers Berlusconi gar nicht auf die Mafia stießen, obwohl es genügend Kontakte dahin gab, sondern auf die katholische Hochfinanz. Das änderte sich erst Mitte der 70er Jahre. In einem Gerichtsprozesses in Palermo kamen die Richter im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass auch Gelder aus der Mafia an Berlusconi geflossen sein müssen.

    Viele Vertraute des Ministerpräsidenten wurden verurteilt wurden. Warum trifft es Berlusconi nie selbst?

    Gümpel: Einmal wurde er rechtskräftig verurteilt, wegen Meineids - er hatte vor Gericht über seine Mitgliedschaft in der P2-Geheimloge gelogen. Das Urteil wurde aber nie vollstreckt, sondern fiel unter eine allgemeine Amnestie und wurde somit ausgelöscht. Dazu kommt: Berlusconi hatte immer sehr gute Anwälte und vieles, was wir heute wissen, ist längst verjährt. So ist heute unstrittig, dass er einen ganz direkten Kontakt zur Mafia hatte - über ein Jahr lang lebte einer der höchstrangigen Mafia-Bosse, Vittorio Mangano, in dessen Haus, und zwar auf Vermittlung von Marcello Dell'Utri. Und jetzt stellen Sie sich vor: Keine Zeitung berichtet darüber, kein TV-Sender erwähnt dies, und Journalisten, die den Namen Mangano in den Mund nehmen, werden geschasst.

    Warum schreit Italien nicht auf?

    Gümpel: Der Autor Andrea Camilleri erklärt das Phänomen so: In Italien hat sich die Partei der Moped-Fahrer durchgesetzt. Moped-Fahrer dürfen zu dritt auf ihrem Fahrzeug sitzen, gegen die Einbahnstraße oder bei Rot über die Ampel fahren, und immer sagen die Menschen, "ach, das ist doch nicht so schlimm!" Die Gesellschaft ist geteilt: Der eine Teil der Italiener ist entsetzt über den Verfall der elementarsten demokratischen Werte, der Regeln des Rechtsstaates. Und wir haben eine andere Hälfte, der das völlig egal ist und hofft, im Windschatten des großen Moped-Fahrers täglich selbst die Regeln überschreiten zu können. Der andere ist die absolut deformierte Welt der Medien in Italien. Es gibt hier kaum unabhängige Zeitungen oder TV-Sender. Die Journalisten haben sich freiwillig einen Clan-Chef gewählt. Wer nicht zu einer Gruppierung oder einer Partei gehört, bekommt keinen Job. Die Folge davon ist: Journalisten gelten in den Augen der Bevölkerung als abhängig von Parteien und deren Führer, deswegen als wenig glaubwürdig. Das heißt: Schreiben Sie kritisch über Berlusconi, glauben die Anhänger des Ministerpräsidenten, sie würden von der Opposition bezahlt.

    Kann sich Italien von der Berlusconi-Ära überhaupt erholen?

    Gümpel: Bis Italien de-berlusconisiert ist, werden viele Jahre vergehen. Nötig dafür ist eine grundlegende Reform der politischen Kultur, dazu gehören unabhängige Medien, außerdem sollte der Einfluss der Parteien auf das staatliche Fernsehen auf Null gedreht werden. Wir brauchen ein öffentlich-rechtliches Fernsehen wie in Deutschland, England oder Spanien. Dazu unterstütze ich in Italien auch eine Initiative.

    Jetzt sieht es so aus, als würde Prodi die Wahl gewinnen. Was wird sich ändern?

    Gümpel: Zunächst gar nicht viel. Er steht vor der Situation, dass die Staatskassen absolut leergefegt sind. Die Sanierung kostet Popularität. Weiterhin sitzt er einer heterogenen Koalition vor, deren Streitigkeiten ihn wie vor neun Jahren zum Sturz bringen können. Berlusconi ist außerdem natürlich keineswegs politisch tot. Er hat nach wie vor eine unglaubliche Medienmacht, ist einer der reichsten Männer der Welt, und er wartet nur auf den Sturz Prodis.

    Warum schweigt Europa?

    Gümpel: Das ist für mich eine der bittersten Wahrheiten: Europa kümmert sich überhaupt nicht um den kranken Mann am Tiber. Der Fall Italien wird von deutschen Politikern, die eine große Verantwortung haben, ignoriert. Und die europäischen Politiker blenden völlig aus, um wen es sich bei Berlusconi handelt. Sie fassen ihn nicht an, in der Hoffnung, dass nichts passiert. Aber das ist ein großer Fehler. Italien ist ein Menetekel für ganz Europa: Italien demonstriert, wie schnell und wie weit sich ein demokratisches Land von seinen Grundwerten entfernen kann und sich auf den Weg zu einer soften Mediendiktatur begibt.

    Zur Person

    Udo Gümpel

    Der Journalist lebt seit 1984 zwi- schen Hamburg und Rom. Er ist Italien-Korrespondent für n-tv und Autor zahlreicher Dokumentar- filme bei ARD und ARTE, berichtet für "Kontraste" und "Monitor". Als Autor hat er sich einen Namen gemacht durch sein Buch "Der Vatikan heiligt die Mittel". Sein aktuelles Buch "Berlusconi Zampa- no" ist bei Riemann erschienen.

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