Das höchste deutsche Gericht dürfte einige Wochen für die Entscheidung brauchen. So herrscht fast bis zuletzt Unklarheit über die Neuwahl, die Kanzler Gerhard Schröder (SPD) bereits am 22. Mai vorgeschlagen hatte. Indessen heizten die Parteien den Wahlkampf an.
Der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz begründete seine Klage mit der Gefahr einer "Kanzlerdemokratie". Eine Neuwahl über die am 1. Juli wunschgemäß gescheiterte Vertrauensfrage von Schröder "wäre ein Stück Weimar in Berlin", sagte Schulz unter Verweis auf das Parlamentsauflösungsrecht des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik. Der Staatsrechtler Hans-Peter Schneider, der die SPD-Abgeordnete Jelena Hoffmann vertritt, sagte, wenn sich der Bundespräsident hinter dem Ermessen des Kanzlers verstecke, hätte man es mit einem Auflösungsrecht des Kanzlers zu tun.
Köhler hatte seinen Schritt mit den gewaltigen Aufgaben in Deutschland und dem von Schröder selbst beklagten mangelnden Rückhalt in der Koalition begründet. Schulz meint, für eine Bundestagsauflösung dürfe der Kanzler nicht mehr politisch handlungsfähig sein. Schröder sei aber immer in der Lage gewesen, auch für umstrittene Themen eine Mehrheit zu organisieren. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte, falls Karlsruhe die Neuwahl ablehne, träte eine schwierige Situation ein. Dann entschiede Karlsruhe gegen Bundestag, Bundeskanzler und Bundespräsident.
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Karlsruher Richter dem Bundespräsidenten folgen werden." CDU-Generalsekretär Volker Kauder nannte Köhlers Erklärung beeindruckend. Der Präsident habe klar gemacht, "dass jetzt der Wähler aufgerufen ist und er hat um einen fairen Wahlkampf gebeten".
Im Blickpunkt
Parteien klagen gegen Neuwahl
Bis Freitagmittag gingen beim
Bundesverfassungsgericht Klagen
der Partei Pro Deutsche Mitte -
Initiative Pro D-Mark (Pro DM) und
der Anarchistischen Pogo-Partei
Deutschland (APPD) gegen die
Neuwahl ein. Beide beziehen sich
auf die geforderten Unterschriften
und die knappen Fristen. Für eine
Wahlteilnahme müssen Unter-
schriften von 2000 Wahlberechtig-
ten aus jedem Bundesland einge-
holt werden. Die Ökologische
Demokratische Partei (ÖDP) will
kommende Woche klagen.