Der einstige AfD-Fraktionssprecher Christian Lüth hat das Erfolgskonzept seiner Partei einmal so auf den Punkt gebracht: "Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD." Tatsächlich leben die Rechtspopulisten stark von jenem Frust, den sie selbst systematisch schüren. Soweit nichts Neues. Nun aber kommt eine Studie nicht nur zur Erkenntnis, dass unzufriedene Menschen häufig AfD wählen, sondern dass umgekehrt auch Menschen, die sich der AfD anschließen, dadurch noch unzufriedener werden.
Das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin hat über mehrere Jahre hinweg mehr als 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer befragt, um herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen persönlicher Gefühlslage und der Präferenz für bestimmte Parteien gibt. Dabei hat sich die Vermutung bestätigt, dass Menschen, die mit ihrem Leben und ihren finanziellen Verhältnissen unzufrieden sind, besonders häufig ihr Kreuz bei der AfD machen. Die Forscher gingen aber noch einen Schritt weiter.
Die negative Rhetorik der AfD schadet dem Wohlbefinden
In einem zweiten Experiment untersuchten sie, ob diese Unzufriedenheit abnimmt, nachdem man sich zur AfD bekannt hat. Das Ergebnis: Genau das Gegenteil ist der Fall. Unter AfD-Anhängern wächst der Frust eher noch weiter. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Maja Adena und Steffen Huck führen das vor allem auf die aggressive und negative Rhetorik zurück, die bei Parteitagen, in Kampagnen oder in Reden von AfD-Politikern dominiert. Ihre These: "Wer sich der Partei zuwendet, setzt sich dieser Negativität stärker aus, und das schadet dem Wohlbefinden."
Extremismus-Experte warnt davor, die Tonalität der AfD zu übernehmen
Im Umkehrschluss heißt das: Die politische Konkurrenz erfüllt das Kalkül der Rechten, wenn sie sich deren Tonalität zu eigen macht. Der Extremismus-Experte Marcel Lewandowsky hat diesen Effekt im Interview mit unser Studie belegt: AfD wählen macht unglücklicher Redaktion so erklärt: "Wir wissen, dass die Aktivierung populistischer Einstellungen durch die Wahrnehmung von Krisen und Angst vor Statusverlust passiert – und rechtspopulistische Parteien haben ein Interesse daran, diese Wahrnehmung aufrechtzuerhalten." Seine Schlussfolgerung: Wer der Versuchung erliegt, die Erzählung der Populisten aufzugreifen, schwächt sie nicht, sondern bestätigt sie.
Die Berliner Forscher raten den anderen Parteien, Erfolge und konstruktive Ideen in den Mittelpunkt zu stellen, anstatt sich auf die negativen Themen der AfD zu fokussieren. „Die erfolgreiche Rückgewinnung von Wählern braucht andere, idealerweise positive Themen“, erklärt Adena. Oder um es mit Ex-AfD-Sprecher Lüth zu sagen: "Je besser es Deutschland geht, desto schlechter für die AfD."