Menschen, die in Autos liegen und gemütlich in einem Buch schmökern, während das Fahrzeug sie durch die Straßen manövriert: Was nach Science-Fiction klingt, könnte Wirklichkeit werden. (Teil)Autonome Autos werden künftig Alltag sein, sagt der Würzburger Sven Hötitzsch. Der Jurist erklärt, warum wir uns auch künftig dennoch nicht betrunken hinters Steuer setzen dürfen und wer bei einem Unfall haftet.
FRAGE: General Motor hat vor kurzem angekündigt, bis 2017 ein autonomes Auto auf den Markt zu bringen. Auch Google und andere Hersteller entwickeln entsprechende Modelle. Wird es mit selbstfahrenden Autos sicherer auf unseren Straßen?
Sven Hötitzsch: Grundsätzlich denke ich, dass es auf den Straßen sicherer wird. Derzeit sind Unfälle in über 90 Prozent der Fälle auf menschliches Versagen zurückzuführen, in nur etwa einem Prozent auf technisches Versagen. Je mehr Fahraufgaben dem Fahrer durch technische Systeme abgenommen werden, umso weiter tritt das menschliche Versagen als Unfallursache in den Hintergrund.
Der Anteil des technischen Versagens wird aber doch zunehmen?
Hötitzsch: Ja, das darf man nicht vergessen. Je mehr Technik man einsetzt, umso höher ist das technische Fehlerpotenzial. Allerdings: Automatisierte Steuerungen ermüden und trinken nicht und sind nie unaufmerksam.
Welche Vorteile sehen sie als Jurist in diesen Autos?
Hötitzsch: Die Unfallzahlen werden wahrscheinlich sinken, und vermutlich werden Unfallprozesse infolge dessen abnehmen.
Sie werden also arbeitslos?
Hötitzsch: Das glaube ich nicht. Dem Ganzen steht die Frage entgegen, wie mit technischen Fehlern umzugehen ist. Nur weil wir autonom oder hochautomatisiert fahren, heißt das ja nicht, dass wir Unfälle komplett vermeiden können. Daher wird es weiter Haftpflicht-Prozesse geben, und Schuldfragen an Unfällen werden zu klären sein.
Wird die Schuldfrage leichter zu klären sein, weil das Auto entsprechende Daten speichert?
Hötitzsch: Wenn eine eingebaute Blackbox Daten aufzeichnet, kann man Schuld- und Verantwortungsfragen unter Umständen besser und einfacher klären. Bei einem Unfall wird man die Daten vermutlich als Beweismittel zulassen. Anders ist es, wenn man verdachtsunabhängig ermittelt. Hier ist ein Zugriff grundsätzlich nicht zulässig.
Dürfen solche Daten überhaupt gespeichert und genutzt werden?
Hötitzsch: Das Datenschutzrecht zeichnet sich dadurch aus, dass eine Datenerhebung, -speicherung, -weiterverwendung von personenbezogenen Daten ohne Ermächtigung oder Einwilligung verboten ist. Allerdings darf jeder mit seinen Daten machen, was er möchte. Er darf diese also auch freigeben für wen er möchte. Bei einem autonomen Fahrzeug etwa könnte das Folgendes bedeuten: Wenn man eine Blackbox im Wagen hat, wird man vertraglich in deren Nutzung eingewilligt haben, und somit dürfen Daten erhoben werden.
Wer besitzt die Rechte an den Daten?
Hötitzsch: Die Rechte besitzt der Eigentümer des Unfalldaten-Datenspeichers. Das kann beim Kauf so geregelt sein, dass der Käufer des Fahrzeugs auch Eigentümer des Speichers ist. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, etwa dass der Betreiber Besitzer ist.
Wenn die Fahrt ins Büro, zum Bäcker oder zur Oma gespeichert wird, gibt es künftig ein digitales Bewegungsprofil?
Hötitzsch: Auch das hängt davon ab, ob man in die Nutzung der Daten eingewilligt hat. Wenn ja, dann darf der Betreiber diese Daten speichern. Ob er es auch ohne Einwilligung macht, wissen wir nicht. Ohne Einverständnis und Wissen einer Person ein Bewegungsprofil anzulegen, ist verboten, technisch ist es allerdings möglich.
Werden wir in Zukunft also noch mehr überwacht?
Hötitzsch: Die technische Möglichkeit und auf Schritt und Tritt zu überwachen, besteht schon jetzt, über das Smartphone, das viele immer bei sich tragen. Es ist wahrscheinlich sogar einfacher, eine Person darüber zu verfolgen als übers Auto.
Wenn mich mein Auto alleine heimfährt, kann ich mich dann nach einer langen Nacht betrunken hinters Steuer setzen?
Hötitzsch: Nach derzeitigem Recht definitiv nicht. Der Grund: Dem Fahrer werden bestimmte Sorgfaltspflichten auferlegt. Daran ändert sich auch, wenn man autonom fährt, nichts. Der Fahrer muss das Fahrzeug zu jeder Zeit beherrschen und auf die anderen Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen. Betrunken kann man das nur schwerlich.
Den Führerschein, brauche ich den noch?
Hötitzsch: Ja, nach derzeitigem Stand schon. Denn es kann natürlich immer sein, dass der Fahrer im Falle einer Fehlfunktion des Systems übernehmen und das Fahrzeug selbstständig führen muss. Jedoch wäre es möglich, dass sich die Anforderungen an den Führerschein verändern.
Sind Fahrerassistenzsysteme oder selbstfahrende Autos nach dem bestehenden Straßenverkehrsrecht überhaupt zulässig?
Hötitzsch: Meiner Ansicht nach ist jedes System insoweit zulässig, sofern der Fahrer noch immer die Kontrolle über das Geschehen hat. Und genau hier liegt der Knackpunkt: Liegt überhaupt noch eine Fahrereigenschaft vor? Laut Recht muss jedes Fahrzeug einen Fahrzeugführer haben. Wenn das Fahrzeug vollkommen autonom fährt, ist man eigentlich kein Fahrer mehr, sondern Beifahrer im eigenen Auto. Der zweite sehr kritische Aspekt ist das Beherrschen des Fahrzeugs. Je nachdem wie eng oder wie weit man diesen Terminus „beherrschen“ auslegt, würden Assistenzsystem oder hochautomatisierte Systeme zulässig oder nicht.
Ihre Prognose: Werden sich autonome Autos durchsetzen?
Hötitzsch: Ich denke schon. Technisch ist schon heute vieles möglich. Die Einführung von diesen automatisierten Systemen bringt einerseits einen Sicherheitsgewinn und andererseits einen Komfortgewinn, etwa wenn man im Stau steht, sich zurücklehnen und ein Buch lesen kann. Es wird zwar etwas dauern, bis diese in der Gesellschaft angekommen sind, aber auf lange Sicht werden sie den Fahrer entlasten.
Sven Hötitzsch
Der Diplom-Jurist hat in Würzburg studiert und arbeitet an der Forschungsstelle „Robotrecht“am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik. Der 23-Jährige promoviert zum Thema Haftung von automatisierten und autonomen Systemen im Straßenverkehr. Neben der haftungsrechtlichen Problematik werden auch Fragen der Verantwortung und der Zulassung thematisiert. Text: sas