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REGENSBURG: Gut schlafen kann man lernen

REGENSBURG

Gut schlafen kann man lernen

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    Erholung in der Nacht: Fünf Stunden Schlaf hält Schlafforscher Jürgen Zulley für das Minimum.
    Erholung in der Nacht: Fünf Stunden Schlaf hält Schlafforscher Jürgen Zulley für das Minimum. Foto: Foto: Thinkstock

    Jürgen Zulley befasst sich seit Jahrzehnten mit dem Schlafen, hat zahlreiche Bücher darüber geschrieben, viele Preise für seine Forschungsarbeiten bekommen und eine Schlafschule gegründet: Kaum ein anderer Name in Deutschland ist so mit dem Thema Schlaf verknüpft wie der des 68-Jährigen. Lange Zeit hat der manchmal auch als „Schlaf-Papst“ bezeichnete Zulley das Schlafmedizinische Zentrum am Universitäts- und Bezirksklinikum Regensburg geleitet, inzwischen ist der Professor für Biologische Psychologie emeritiert. Doch das Thema Schlaf begleitet ihn weiterhin.

    Frage: Herr Professor Zulley, Sie haben im Jahr 2001 eine Schlafschule gegründet. Was war der Anlass dafür?

    Jürgen Zulley: Der Anlass waren meine Erfahrungen in der Behandlung von Patienten mit Schlafstörungen – und die Erkenntnis, dass es wichtig ist, zwei wesentliche Dinge zu vermitteln: einerseits Informationen über den Schlaf und andererseits Möglichkeiten des richtigen Umgangs mit Schlaf und seiner Verbesserung. Da kam mir die Idee, warum bietet man so etwas nicht der Allgemeinheit an, um zu verhindern, dass es überhaupt zu behandlungsbedürftigen Schlafstörungen kommt. Ursprünglich war die Schlafschule also als Präventionsseminar gedacht. Aber es ging dann auch in die Therapie hinein, weil so viele Menschen kamen, die schon seit vielen, vielen Jahren unter Schlafstörungen litten.

    „Man kann an einem einzigen Wochenende lernen, gut zu schlafen.“

    Jürgen Zulley, Schlafforscher

    Wie wurde die Schlafschule seither angenommen?

    Zulley: Sehr gut. Früher haben wir sie einmal pro Monat als Wochenseminar angeboten, jetzt sind es – etwas seltener, seit ich in Ruhestand bin – Wochenendseminare. In der Anfangszeit haben wir auch eine Qualitätskontrolle gemacht und die Teilnehmer drei Monate nach dem Seminar schriftlich befragt. Dabei erklärten 80 Prozent, dass sie deutlich besser schlafen. Das ist eine sehr hohe Zahl.

    Gut schlafen kann man also lernen?

    Zulley: Ja, und zwar erstaunlicherweise an nur einem einzigen Wochenende. Das ist auch für mich verblüffend.

    Was könnte der Grund dafür sein?

    Zulley: Information über den Schlaf scheint sehr wichtig zu sein – weil viele falsche Vorstellungen über den Schlaf existieren. Diese falschen Vorstellungen können so gravierend sein, dass sie Schlafstörungen hervorrufen. Ein klassisches Beispiel: Viele Leute erklären, sie wollten „endlich einmal durchschlafen“. Sie müssen informiert werden, dass es das nicht gibt – kein Mensch schläft durch, häufiges Erwachen ist ganz normal. Es ist nur oft zu kurz, um sich morgens daran zu erinnern. Wenn Betroffene das wissen, sagen viele, dass ihnen das Aufwachen nichts mehr ausmacht.

    Welche Fehler werden in puncto Schlaf denn häufig gemacht?

    Zulley: 42 Prozent der Bevölkerung sind unzufrieden mit ihrem Schlaf. Sie gehen zu Bett und sagen, „jetzt muss ich schlafen, damit ich morgen fit bin“. Das ist ein Riesenfehler. Wer so angespannt ist, schläft schlechter. Die meisten Menschen können nicht schlafen, weil sie nicht entspannen können. Falsch ist es auch, bis zum Schlafengehen vor dem Fernseher zu hängen, nichts, zu viel oder zu spät zu essen oder abends noch Probleme zu wälzen. Man sollte mit Gelassenheit zu Bett gehen – und außerdem einen klaren Trennungsstrich ziehen zwischen den Problemen des Tages, der Arbeit und dem abendlichen Zur-Ruhe-Kommen.

    Das ist leicht gesagt. Wie kann das gelingen?

    Zulley: Ideal wäre es, nicht zu denken – aber das geht nicht, man kann nicht nichts denken. Also muss man versuchen, das Denken zu kontrollieren und auf positive Inhalte zu lenken. Gut ist es auch, sich auf die Atmung oder auf leise, ruhige, klassische Musik zu konzentrieren, damit kein anderer Gedanke aufkommt. Auch über Fantasiereisen kann man bewusst ins Denken eingreifen.

    Wer sucht denn vor allem Hilfe in der Schlafschule, wer ist am häufigsten von Schlafstörungen betroffen?

    Zulley: Besonders betroffen sind Frauen, Großstadt-Bewohner und Menschen in den mittleren Lebensjahren, also von 30 bis Mitte 50. Aber in der Schlafschule hatten wir schon alle Altersgruppen, vom 18-Jährigen bis zum 92-Jährigen. Und: Sicherlich sind gestresste Berufstätige eine große Gruppe – wobei man Stress natürlich auch privat haben kann, nicht nur beruflich.

    Wie kann man guten Schlaf denn überhaupt charakterisieren?

    Zulley: Am besten über seine Auswirkungen. Wer am Tag überwiegend fit und ausgeschlafen ist, der hatte guten beziehungsweise erholsamen Schlaf. Ausreichend Tiefschlaf ist dabei sehr wichtig, mit nicht zu langen Unterbrechungen, und eine Mindest-Schlafdauer, wobei viele Menschen zu sehr auf die Schlafdauer fixiert sind.

    Wie viel Schlaf sollte man am Tag denn mindestens haben?

    Zulley: Ich würde das Minimum bei fünf Stunden sehen. Im Schnitt schlafen wir täglich sieben Stunden, wobei plus/minus zwei Stunden in Ordnung sein können. Hauptkriterium ist, wie schon gesagt, die Leistungsfähigkeit am Tag.

    Wann werden Schlafstörungen behandlungsbedürftig?

    Zulley: Wenn sie sich auf das Befinden am Tag auswirken und seit mindestens vier Wochen vorhanden sind.

    Gesetzt den Fall, es klappt nicht mit dem Schlafen: Kann oder sollte man im Notfall auch einmal zu Schlafmitteln greifen?

    Zulley: Ja – aber nur als letztes Mittel, zeitlich befristet auf maximal drei bis vier Wochen und nach Absprache mit dem Arzt. Eine medikamentöse Behandlung ist nicht ursächlich, das heißt, sie wird den Grund der Schlafstörungen nicht beseitigen. Sie hilft zwar schnell und kurzfristig, aber auf Dauer brauchen wir nichtmedikamentöse Verfahren wie die richtige Schlafhygiene. Man sollte sich zunächst einmal über Möglichkeiten der Selbsthilfe informieren – es gibt da auch viele gute Bücher – und gegebenenfalls verhaltenstherapeutische Hilfe durch einen Psychologen in Anspruch nehmen, bevor man zu Tabletten greift.

    Sie befassen sich seit Jahrzehnten mit dem Schlaf. Was fasziniert Sie besonders an diesem Thema?

    Zulley: Mich fasziniert, dass der Schlaf einerseits etwas ganz Alltägliches – und gleichzeitig bis heute so unbekannt ist. Eigentlich wissen wir gar nicht, was da alles abläuft. Wir sind für Stunden von der Außenwelt weggetreten, Tür und Tor nach außen sind zu – und drinnen, im Gehirn, wird so was von gearbeitet! Schlafen ist ein hochaktiver Prozess, er sieht nur von außen aus wie Ruhe.

    Das heißt, der Schlaf birgt noch viele Geheimnisse?

    Zulley: Ja. Er ist noch nicht so sehr gut erforscht, wir stören ihn ja zwangsläufig durch die Erforschung. Wir wissen zum Beispiel bis heute noch nicht, warum wir gähnen und was gähnen überhaupt genau ist. Das ist schon spannend.

    Was würden Sie gerne noch über den Schlaf wissen?

    Zulley: Mich würde wirklich interessieren, was Ein- und Durschlafstörungen, sogenannte „Insomnien“, die wir in der Schlafschule ja in erster Linie behandeln, überhaupt sind. Der Schlaf, den man bei den davon Betroffenen misst, unterscheidet sich ja gar nicht so sehr von demjenigen bei Gesunden. Außerdem würde mich besonders interessieren, wie wir im Schlaf lernen beziehungsweise wie wir am Tag Gelerntes im Schlaf abspeichern. Das ist in der Wissenschaft zurzeit ein großes Thema.

    Letzte Frage an den Experten: Wie schlafen Sie selbst?

    Zulley: Ich würde sagen, ich schlafe normal. Das heißt, ich habe zwar auch einmal schlechten Schlaf, aber es macht mir nichts aus. Wenn ich mal morgens um drei erwache, denke ich mir „toll, ich muss ja noch nicht aufstehen“. Das heißt, ich kann gelassen mit gestörtem Schlaf umgehen. Und das wäre auch meine wichtigste Empfehlung für andere: gelassen zu bleiben.

    Schlaflabore in der Region

    In der Bayerischen Gesellschaft für Schlafmedizin arbeiten Schlaflabore im Freistaat zusammen. Die Gesellschaft befasst sich mit der klinischen Diagnostik und Therapie von Schlaf-Wach-Störungen und informiert auch darüber. Im Internet:

    www.baygsm.de

    ; Links führen unter anderem zu Selbsthilfegruppen.

    Zur Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin geht es über

    www.dgsm.de

    In Unterfranken gibt es Schlaflabore in Kliniken und Facharzt-Praxen – zum Beispiel hier (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Universitätsklinik, Josef-Schneider Straße in Würzburg Missionsärztliche Klinik, Salvatorstraße 7 in Würzburg Thoraxzentrum des Bezirks Unterfranken, Am Michelsberg 1 in Münnerstadt In der Rotkreuzklinik in Würzburg und im Klinikum Main-Spessart in Marktheidenfeld gibt es Schlaflabor-Betten. Ebenso in Tauberbischofsheim (Main-Tauber-Kreis).

    Auch in Bad Neustadt und in Bad Kissingen gibt es Fachärzte mit Schlaflabor in ihrer Praxis. In Oberfranken gibt es unter anderem Schlaflabore im Bezirksklinikum Obermain-Kutzenberg in Ebensfeld, im Bezirkskrankenhaus Bayreuth und im Klinikum Kulmbach.

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