Von Scharfmacherei nach dem Attentat in Würzburg will Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf einer Pressekonferenz Dienstag Mittag nichts wissen. Von einem Journalisten gefragt, ob die deutsche „Willkommenskultur“ mit dem Axt-Angriff in einem Regionalzug endgültig gescheitert sei, antwortete Bayerns Innenminister ruhig: „Ich halte nichts davon, einen Zusammenhang zwischen dem Flüchtlingsstrom im letzten Jahr und dieser Tat herzustellen.“
Natürlich könne man sagen: Der Täter war ein Flüchtling und wäre er nicht gekommen, wäre die Tat nicht passiert. „Pauschalurteile über Flüchtlinge“ dürfe man wegen dieser Tat aber keinesfalls fällen, mahnte Herrmann zur Besonnenheit – und erinnerte an den Amoklauf eines offenbar geistig verwirrten Deutschen vor einigen Wochen in einem S-Bahnzug in Grafing bei München. Dieses Attentat „hatte einen völlig anderen Hintergrund und war auch nicht zu verhindern“, so Herrmann.
Zwar müsse man inzwischen „davon ausgehen, dass es ein islamistisch bedingter und damit politischer Anschlag war“, sagte der Innenminister am Dienstagabend in einem Fernsehinterview.
Als gläubiger Muslim bekannt
Doch sei vor allem noch zu klären, wie ein bislang als eher ruhig und zurückhaltend beschriebener junger Mann sich „mutmaßlich binnen kürzester Zeit radikalisieren“ konnte: „Es gibt bislang keinerlei Indizien vor Ort, die auf eine Vernetzung mit islamistischen Netzwerken hindeuten“, berichtete der Innenminister. Zu einem vermeintlichen IS-Drohvideo des Täters wollte sich Herrmann zunächst nicht äußern, „weil wir dieses Video noch nicht analysiert haben“.
Der 17-Jährige sei als gläubiger Muslim bekannt gewesen, aber absolut nicht als radikal aufgefallen: „Der war nicht einmal jede Woche in der Moschee.“ Dass radikale Islamisten den jungen Afghanen trotzdem schnell als „IS-Attentäter“ bezeichnen, „haben wir so zur Kenntnis genommen“, sagte Herrmann kühl.
Auch, wenn viele Hintergründe noch nicht geklärt seien, gebe es mit dem Attentat von Nizza zudem eine schreckliche Gemeinsamkeit: „Wir erleben bei beiden Formen der Anschläge, dass hier ein Tathergang stattfindet, der nur sehr schwer zu verhindern ist.“ Mit dem Lastwagen in Nizza und der Axt im Regionalzug haben die Täter in beiden Fällen alltägliche Gegenstände als „Tatmittel eingesetzt, die nicht aus der Öffentlichkeit zu eliminieren sind“, warnte der Innenminister. Herrmann hält deshalb auch wenig vom Versprechen schneller Lösungen, wie verstärkten Kontrollen an Flughäfen oder Bahnhöfen oder mehr Sicherheitspersonal in Zügen. Solche Maßnahmen würden der Bevölkerung nur „vorgaukeln, dass wir solch eine Situation verhindern können“, warnte der Innenminister. Dies sei aber nicht der Fall: Denn wäre etwa der Zug mit einem Polizisten gesichert gewesen, hätte der Täter auch woanders zuschlagen können – „gleich auf dem Marktplatz in Ochsenfurt oder heute irgendwo in Würzburg“. Die bittere Wahrheit sei: „Ja, wir wollen die Polizei-Präsenz verstärken. Aber es wäre unredlich zu sagen, dass wir solche Taten verhindern können“, sagte Herrmann.
Untätig sein will die CSU-Staatsregierung aber nicht: „Beim Schutz unserer Bürger setzen wir auf einen starken Staat, der kraftvoll auftritt und unsere Sicherheit bestmöglich garantiert“, versprach Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nach einer Sitzung des Kabinetts. Auch der Amoklauf von Würzburg habe erneut gezeigt, „dass eine gut ausgestattete und handlungsfähige Polizei für unsere Sicherheit unverzichtbar ist“, sagte Seehofer – und dankte den Einsatzkräften ausdrücklich „für ihren entschlossenen und professionellen Einsatz“.
Bereits vor dem Attentat von Würzburg hatte das Innenministerium an einem neuen, personell verstärkten Sicherheitskonzept für Bayern gearbeitet. Die konkreten Pläne sollen nächste Woche auf einer Klausur des Kabinetts am Tegernsee öffentlich gemacht werden. „Wir werden weiter alles für die Sicherheit tun“, beteuerte Innenminister Herrmann. Doch der „Frontalangriff des radikalen Islamismus ist Fakt“.
Im Prinzip könnten an jedem Tag an jedem Ort weltweit solche Taten verübt werden: „Die Bedrohung ist da“, sagte der CSU-Politiker. „Wir müssen uns darauf einstellen, aber nicht damit abfinden“, forderte er. So könne er nur alle Bürger ermuntern, die Polizei bei verdächtigen Beobachtungen „lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig“ zu alarmieren.
Es dürfe aber nicht sein, dass Menschen wegen solcher Taten nicht mehr in einen Zug steigen oder nicht mehr an öffentlichen Festen teilnehmen, verlangte Herrmann: „Denn klar ist, dass wir uns von solchen Leuten unser Leben nicht kaputt machen lassen.“
Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) hat die Äußerungen der Grünen-Politikerin Renate Künast zum Polizeieinsatz gegen den 17-jährigen Amokläufer als „Unverschämtheit“ zurückgewiesen.
Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag hatte im Kurznachrichtendienst Twitter gefragt: „Wieso konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden???? Fragen!“ „Sie hat keine Ahnung von der Situation und verzapft schlicht und ergreifend Unsinn“, erregte sich Eck. Das sei unverschämt. Bevor Künast solche Fragen stelle, hätte sie sich erst einmal informieren müssen. Kein bayerischer Polizist schieße leichtfertig Menschen tot, so Eck im Gespräch mit der Redaktion.
Einsatz wird untersucht
Der 17-Jährige sei „mehreren Aufforderungen, seine Waffen niederzulegen“ nicht nachgekommen und sei dann auf die Polizisten mit Messer und Axt losgelaufen. Absicht der Polizisten sei es gewesen, den Mann kampfunfähig zu machen. Es sei aber auch darum gegangen, das Leben der Beamten zu schützen. Selbstverständlich werde der Einsatz am Mainufer nun konsequent, „wie in solchen Fällen üblich“, untersucht.
Auf die Frage, ob der islamistische Terror mit dem Amoklauf nun auch in Bayern angekommen sei, sagte der Staatssekretär: „Ja, der Terror macht auch vor Bayern nicht halt.“ Eine „hundertprozentige Sicherheit“ gebe es nicht, nicht einmal in Regionalzügen. Die Staatsregierung werde aber alles tun, „dass keine rechtsfreien Räume“ entstehen. Die Bedrohung sei eine Herausforderung, „aber wir geben nicht auf“, so der CSU-Politiker. Er warnte vor „Panik“ bei Großveranstaltungen. Für die Sicherheit beim Oktoberfest oder demnächst beim Rakoczy-Fest in Bad Kissingen werde „alles Menschenmögliche“ getan.
Gegenüber Überlegungen, in Zügen grundsätzlich auch Sicherheitsbeamte mitfahren zu lassen, zeigte sich Eck offen. Es dürfe aber keine Schnellschüsse geben.