Schweinfurt Mit qualitativ zweifelhaften Bescheiden des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) schlägt sich der Schweinfurter Anwalt für Asylrecht, Joachim Schürkens, Tag für Tag herum. „Die Zahl meiner Mandanten hat stark zugenommen. Das hat auch mit der schlampigen und fehlerhaften Arbeit des Bamf zu tun“, glaubt Schürkens, der auch für den Bayerischen Flüchtlingsrat aktiv ist.
Frage: Sabotieren Asylanwälte wie Sie den Rechtsstaat?
Joachim Schürkens: Ganz sicher nicht. Wir gewährleisten mit unserer Arbeit erst, dass der Rechtsstaat tatsächlich funktioniert. Denn so wie jeder Deutsche gegen einen Bußgeldbescheid klagen kann, kann ein abgelehnter Asylbewerber gegen seinen Bescheid klagen. Nur dass es nicht wie beim Bußgeldbescheid um 40 oder 50 Euro geht, sondern im Zweifel um die pure Existenz des Klägers. Die hohen Erfolgsquoten vor Gericht verdeutlichen im Übrigen die inhaltliche Plausibilität vieler Klagen.
Übernehmen Sie auch offensichtlich unbegründete Klagen?
Schürkens: Nein. Ich lehne es fast durchgängig ab, Mandanten bei sogenannten Dublin-Verfahren zu verteidigen. Die Rechtslage ist hier derart eindeutig, dass ich kaum einen Ansatz für eine anwaltliche Betreuung sehe. Diese würde mich unnötige Zeit kosten und den Mandanten Geld.
Wer bezahlt Sie eigentlich?
Schürkens: Der Mandant selbst, und meist in Raten. Siegen mein Mandant und ich allerdings vor Gericht, übernimmt der Staat mein Honorar. Aber bevor Sie fragen: Reich wird man als Asylanwalt nicht.
Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit dem Bamf gemacht?
Schürkens: Die jetzt öffentlich gewordenen Zustände überraschen mich nicht. Das Verhängnis nahm meiner Einschätzung nach seinen Lauf, als sich das Bamf Unternehmensberater ins Haus holte, um die Abläufe zu beschleunigen. Fortan entschieden Mitarbeiter über Asylanträge, die allenfalls oberflächlich geschult worden sind. Auch viele Verwaltungsrichter klagen über die mangelhafte Qualität der Bescheide. Dass zum Beispiel über lange Zeit keine Fingerabdrücke genommen worden sind, wusste ich schon lange. Darüber hinaus sind Dolmetscher eingestellt worden, die weder ausreichend Deutsch sprachen noch die Landessprache des Antragsstellers. Das Desaster war vorprogrammiert. Es wurde von den Verantwortlichen zumindest willentlich in Kauf genommen.
Die Bamf-Mitarbeiter hatten also schlicht keine Ahnung?
Schürkens: Es fehlte oft das nötige Wissen über die politischen Hintergründe der jeweiligen Fluchtländer. Es fehlte auch daran, bestehendes Recht schlüssig auf den Einzelfall anzuwenden.
Im Fall der Bremer Bamf-Außenstelle geht es allerdings nicht um Inkompetenz, sondern um bewusste Manipulationen.
Schürkens: Zu den konkreten Vorwürfen bin ich überfragt. Fakt ist aber, dass inzwischen auch die Bescheide der Außenstellen in Zirndorf und Schweinfurt unter die Lupe genommen werden. Die dortigen Anerkennungsquoten liegen auffällig unter den bundesdeutschen Durchschnittswerten.
Müssten konsequenterweise auch abgelehnte Bescheide kontrolliert werden?
Schürkens: Zumindest stichprobenartige Überprüfungen halte ich für unbedingt angebracht.
Dagegen spräche, dass abgelehnte Asylbewerber doch ohnehin klagen.
Schürkens: Das ist kein stichhaltiges Argument. Viele können sich einen Anwalt gar nicht leisten.
Wären die geplanten Ankerzentren ein Weg, die Asylverfahren auf solidere Grundlagen zu stellen?
Schürkens: Nein, Ankerzentren wären eine Katastrophe. Gerade auch für den Rechtsstaat, weil Ankerzentren die Möglichkeiten einer vernünftigen Rechtsberatung stark einschränken. Außerdem pferchen Ankerzentren Tausende von Asylbewerbern auf engem Raum ein. Es ist vorhersehbar, dass es zu Aggressionen und Gewalt kommen wird. Die Bundespolizei weiß nur zu gut, warum sie für die Bewachung der Zentren nicht herangezogen werden will. Wir rennen auch mit den Ankerzentren sehenden Auges in ein Desaster.
Allerdings könnten Ankerzentren die Verfahren beschleunigen.
Schürkens: Es geht nicht um Schnelligkeit, sondern um Qualität: Das sollten doch alle spätestens aus der Bamf-Affäre gelernt haben. Zudem sind die Verfahren doch längst deutlich beschleunigt worden. In Schweinfurt vergehen zwischen Ankunft und Anhörung in der Regel zwei Wochen.
Kritisieren Sie das?
Schürkens: Die Beschleunigung hat jedenfalls zur Folge, dass sich die Antragssteller auf ihre Anhörung kaum mehr vorbereiten können. Sie kennen in der Regel weder die Sprache noch das Rechtssystem. Ich halte dies eines Rechtsstaates für unwürdig. Archivfoto: Ruppert