Unter den Parlamentariern des NSU-Untersuchungsausschusses gab es nur ein Thema: Den Rücktritt des Verfassungsschutz-Präsidenten Heinz Fromm. Dieser wird sich am morgigen Donnerstag den Fragen der Abgeordneten aller Fraktionen zu der bekanntgewordenen Aktenvernichtung über V-Leute im direkten Umfeld der Zwickauer Nazi-Terrorbande „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) stellen. Am Dienstag standen bei dem Bundestagsausschuss zunächst Polizisten und Staatsanwälte aus Nordrhein-Westfalen Rede und Antwort. Die Abgeordneten, unter Vorsitz von Sebastian Edathy (SPD), warfen den Beamten vor, mit großem Aufwand in die verkehrte Richtung ermittelt zu haben.
Sprengsatz in Keksdose
Neben den Morden an zehn Menschen gehen auch zwei Bombenanschläge in Köln mit zahlreichen Verletzten auf das Konto der Terrorzelle. Am 19. Januar 2001 explodierte in einem Lebensmittelladen ein in einer Keksdose verstauter Sprengsatz, wobei eine Deutsch-Iranerin im Gesicht schwere Verbrennungen erlitten hatte. Vor dem Ausschuss erklärte der damals zuständige Kriminalhauptkommissar, Edgar Mittler, dass die Ermittlungen äußerst schwierig gewesen seien. Der Ladenbesitzer habe Probleme mit zwei türkischen Bauunternehmern gehabt und sein Sohn Kontakte zum Rotlichtmilieu in Köln gepflegt. Daher sei zunächst in diese Richtung ermittelt worden. Zeitweise hatte Mittler sogar den iranischen Geheimdienst in Verdacht, womit er bei vielen Parlamentariern Kopfschütteln auslöste.
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Bei Fragen, warum er nicht im Hinblick auf einen rassistischen Hintergrund ermittelt habe, verwies er auf die Zuständigkeit des Staatsschutzes und fehlende Spuren. „Zum Beispiel ein Hakenkreuz an der Wand sei für uns ein entscheidender Hinweis gewesen.“ Gegenüber SPD-Obfrau Eva Högl betonte Mittler zudem, dass seine Behörde sich auch nicht mit der linken Szene befasst habe.
Neben Mittler sagte der Kölner Kriminalhauptkommissar Markus Weber vor den Ausschuss aus. Er untersuchte als Chefermittler das Nagelbombenattentat vom 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße, für das inzwischen auch das Nazi-Trio verantwortlich gemacht wird. Bei dem Anschlag waren 22 Menschen verletzt worden. Weber: „In Richtung fremdenfeindlicher Hintergrund lief erst mal nichts.“ Erst im Laufe der weiteren Ermittlungen sei ein fremdenfeindlicher Hintergrund „ein Aspekt unter vielen“ gewesen. Eine von Linken-Obfrau Petra Pau zitierte Akte, wonach der Verfassungsschutz schon früh entsprechende Hinweise hatte, hatte Weber laut eigener Aussage nicht vorliegen. „Ich kann mich nicht erinnern, diese Informationen gehabt zu haben“, sagte er. Eine Fallanalyse des Landeskriminalamts, die Weber eindeutig gelesen hatte, sprach ebenfalls von einem fremden- oder türkenfeindlichen Hintergrund.
Laut einem Zeitungsbericht betonte Weber jedoch später in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“, dass die Tat nicht politisch motiviert sei. Er bestätigte, dass die Zusammenarbeit unter den Behörden nicht gut lief. Verschiedene Dienststellen hatten unabhängig voneinander verdeckt ermittelt. Weber sagte dazu: „Man kann sich dann natürlich ins Gehege kommen.“
Operation „Rennsteig“
Mit den V-Leuten des Verfassungsschutzes beschäftigen sich die Mitglieder des Untersuchungssauschusses heute. Erstmals sind ihnen alle Aktenordner zu der Geheimdienst-Operation „Rennsteig“ ohne geschwärzte Stellen zugänglich. Aufschluss erhoffen sich die Abgeordneten über einen unerhörten Verdacht. „Das Misstrauen ist da, dass im Umfeld der Zwickauer drei V-Leute geführt wurden“, sagt Grünen-Obmann Wolfgang Wieland.