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Die Magie des Moments

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Die Magie des Moments

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    Farbenprächtig: Der Garten von Claude Monet in Giverny. Der Maler hat hier von 1883 bis zu seinem Tod 1926 gelebt.
    Farbenprächtig: Der Garten von Claude Monet in Giverny. Der Maler hat hier von 1883 bis zu seinem Tod 1926 gelebt. Foto: Fotos: Susanne Wiedemann

    Eisenbahn und Farbtube. Ohne diese beiden Erfindungen gäbe es keinen Impressionismus. Mit der Eisenbahn ging es raus aus der Stadt, die Tube ermöglichte es, unkompliziert im Freien, nicht im Atelier zu malen. Aber auch ohne die Industrialisierung, den Wandel der Gesellschaft, gäbe es keinen Impressionismus. Um Freizeit zu malen, muss es die Gegenwelt der Arbeit geben. Und um ins Freie zu wollen, das echte, ungeschminkte Leben sehen zu wollen, muss der ganze Gesellschaft-Konventionskram über Bord gehen. Revolutionäre waren die Impressionisten. Nicht nur in ihrer Art, die Dinge zu sehen, eine neue Farb- und Formensprache für eine neue Zeit zu finden. Oder in der Wahl der Motive und Formate ihrer Bilder. Nein, offenbar auch in der Art, wie sie Orte ausgesucht und umgekrempelt haben. Wenn das Pariser und amerikanische Künstlerleben über ein Fischerörtchen hereinbrach, zum Beispiel. Wenn in verschlafenen Dörfchen wie Giverny auf einmal Whisky getrunken und Tennis gespielt wurde, zum Ergötzen der „Ureinwohner“.

    Es muss eine faszinierende Zeit gewesen sein, damals um die Jahrhundertwende. Wahrscheinlich ärgern sich immer noch viele Dorfbewohner schwarz, dass sich der Urgroßvater standhaft geweigert hat, eines dieser komischen Bilder zu kaufen oder in Zahlung zu nehmen. Wären jetzt ein paar Millionen mehr in der Familienkasse.

    Die Normandie feiert bis 29. September die Impressionisten mit verschiedenen Ausstellungen. Hier zog es die Maler und ihr Gefolge hin, die Schriftsteller kamen oft im Schlepptau. Ein paar Stunden nur dauerte die Zugfahrt von Paris. Die Endstation Sehnsucht war oft das Meer. Warum, wird jedem klar, der in einem ehemaligen Fischerörtchen wie Etretat an der Alabasterküse an der Promenade steht und dem Wasser zuschaut, wie es sich verwandelt in Sekunden. Blau, türkis, grün, grau. Ein wundervolles Schauspiel.

    Claude Monet (1840-1926) hat hier gerne gemalt. Ein schönes Gefühl, den gleichen Blick zu genießen, die Felsen zu beobachten, das Spiel des Lichts. Man kann Monets Besessenheit verstehen, einen bestimmten Augenblick festzuhalten. Und die Faszination, die Etretat auf ihn und andere Maler ausgeübt hat.

    Faszinierend könnte auch eine Bootsfahrt zum Felsen mit dem schönen Namen Elefantenrüssel bei Etretat sein, der eine magische Anziehung auf die Maler hatte. Bei Wind und Wellengang kann's aber schon mal ungemütlich werden. Den seefesten Teil einer Gruppe schweißt's jedenfalls zusammen. Von Fécamp aus startet der Fischkutter zu den berühmten Felsen. Fécamp hat Jahrhunderte vom Fischfang gelebt. Bis nach Neufundland sind die Boote gefahren, Konservenfabriken brachten Wohlstand. Und dann die große Krise: Riesentrawler machen das Geschäft unter sich aus. Jetzt lebt man vom Tourismus und der Erinnerung an Claude Monet, Edouard Manet und Edgar Degas, die hier gearbeitet haben. Ein nettes Fleckchen für einen Urlaub.

    So wie die Normandie überhaupt. Wer will, findet Einsamkeit, Romantik, kann wandern, segeln. Oder an einer Uferpromenade flanieren, in Rouen, Caen oder Le Havre Stadt genießen, shoppen, sich im Museum das Bild zur Landschaft anschauen oder nett ausgehen. Impressionistisch, versteht sich. Zu Monets gesammelten Werken gehört auch ein Kochbuch. Der Meister war kein Asket, das zeigen Fotos und Filme. Viele Restaurants bieten passend zum Festival impressionistische Menüs an. Und wer es außergewöhnlich mag, kann zum Beispiel bei Regine Boidin in Le Havre oder in ihrem eleganten Herrenhaus auf dem Land nach Monets Rezepten kochen lernen. Mit viel Sahne, Wein und Calvados.

    Impressionen ganz anderer Art bietet Le Havre. Claude Monets Bild „Impression. Soleil Levant“, heute im Museum Marmottan in Paris, das der ganzen Bewegung ihren Namen gab, entstand hier 1872. Le Havre wurde im Krieg schwer zerstört, Auguste Perret baute es wieder auf: nach einem revolutionären Konzept, mit großen Komplexen, Wohn- und Lebensachsen. Das Material: Stahlbeton. Seit 2005 ist die Stadt UNESCO-Weltkulturerbe. Eine Musterwohnung im Stil des Wiederaufbaus ist originalgetreu eingerichtet im Stil der 1950er, gehört zu einem kleinen Museum. Mit pastellfarbenem Geschirr, Aschenbecher, gefährlich aussehendem Schnellkochtopf. Wer sich draußen vergeblich bemüht hat, die Schönheit von Stahlbeton zu sehen, ist drinnen begeistert. Schnitt, Einteilung, Größe der Wohnung: perfekt.

    Kontrastprogramm dazu: Honfleur. Ein bezauberndes Hafenstädtchen wie aus dem impressionistischen Bilderbuch. Courbet, Sisley, Jongkind, Monet, Pissarro, Renoir und Cézanne sind seinem Zauber verfallen. Am Wochenende ist hier die Hölle los, aber schön ist es trotzdem. Und wer am Montag in aller Frühe um das Hafenbecken spaziert, in dem sich Häuser und Boote spiegeln, hat einen dieser Momente für die Ewigkeit erlebt. Wer nur Zeit für einen Impressionisten-Ort hat, der muss unbedingt nach Giverny, in den Garten von Claude Monet. Die Atmosphäre ist magisch, trotz der vielen Menschen. Vor allem am Seerosenteich mit der japanischen Brücke, dem Poster-Motiv schlechthin. Schon ein bisschen ehrfürchtig schlendern die Menschen durch den Garten, genießen die Farben. Erinnern sich an die großen Seerosen-Bilder, die im MoMa in New York und in der Orangerie in Paris hängen, so wunderschön sind und so glücklich machen können. Auch wenn der Maler selbst kein leichtes Leben hatte, zwei Ehefrauen und einen Sohn verlor, am Ende seines Lebens sehr einsam war.

    Wahrscheinlich ist das das Revolutionäre am Impressionismus: Wem's reicht, der sieht in den Bildern einfach nur die Schönheit des Moments. Wer mehr will, nimmt sie mit, die Schönheit des Moments. Als Impression, als Eindruck, der bleibt. Und als Erinnerung daran, dass es möglich ist, alles mit eigenen Augen zu sehen. Man muss sich nur trauen.

    Tipps zum Trip

    Information: Comité Régional de Tourisme de Normandie, Internet: www.normandie- tourisme.de Infos über die Ausstellungen unter www.normandie-impressionniste.fr Die deutsche Internetseite des französischen Fremdenverkehrsamts Atout France: www. rendezvousenfrance.com

    Anreise: Am unkompliziertesten: Nach Paris fliegen und ein Mietauto nehmen. Die Fahrt vom Flughafen Charles de Gaulle nach Giverny dauert gut eineinhalb Stunden.

    Ausstellungen: In Giverny sind im Museum des Impressionismus bis 13. Juli Werke von Paul Signac zu sehen: „Signac, die Farben des Wassers“. Im Anschluss bis 31. Oktober Hiramatsu, der Seerosenteich. Hommage an Monet. Das Musée des Beaux-Art in Rouen zeigt bis 30. September „Die gespiegelte Farbe. Der Impressionismus auf der Oberfläche des Wassers“ Werke von Pisarro, Monet, van Gogh, Manet, Renoir und Sisley. „Pisarro in den Häfen“ ist der Titel der Ausstellung im Museum André Malraux in Le Havre (bis 29. September). Das Museum des Beaux-Arts in Caen widmet sich (bis 29. September) dem „Sommer am Wasser – Freizeit und Impressionismus.“ Zu sehen: Manet, Monet, Renoir, Cézanne – und ein Liebermann. „Die Frau und das Meer“ ist der Titel der Ausstellung im Musée Eugene Boudin in Honfleur. Sie läuft vom 22. Juni bis 29. September.

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