Oh my God“, ruft die Amerikanerin am Fenster begeistert und man muss ihr zustimmen, den Hals in die gleiche Richtung gereckt: Das, was da unter uns liegt, kann nur das schaumgeborene Paradies sein. Ein Schöpfungshöhepunkt mit „reinen, starken Farben, die einen Europäer fast blind machen“. Das schrieb der Maler Paul Gauguin, nachdem er Französisch Polynesien am anderen Ende der Welt für sich entdeckt hatte. Nach 30 Stunden Flug wischt man sich unwillkürlich die Augen, will man der Leuchtkraft von Inseln, Lagunen und Atollen widerstehen. Türkis und Indigo, dunkles Oliv und Goldgelb, eingebettet in einen Kranz aus strahlendem Palmengrün, Gischtweiß und Azurblau – faszinierende Farbkompositionen in der Eintönigkeit des pazifischen Ozeans.
„Tahiti & Französisch Polynesien“ – so stellt sich das Übersee-Territorium der Grand Nation dem Rest der Welt vor. Ein Land mit 118 Inseln in fünf Archipelen, die sich im Südpazifik über eine Fläche von halb Europa verteilen, aber nur 3500 Quadratkilometer Landmasse besitzen. Das ist viermal die Ausdehnung von Berlin. Die meisten sind menschenleere Atolle aus platten Korallenkalkringen mit Palmen darauf und einer Lagune in der Mitte sowie spärlich bevölkerte Vulkaninseln mit üppig bewachsener Bergszenerie und schützendem Riff drumherum. Tahiti mit der Hauptstadt Papeete ist unter letzteren die größte, Bora Bora die berühmteste. Ein Grund, weshalb sich gerade dort die meisten Hotels auf seinen motus (Riffinseln) reihen. Keines ohne Overwater Bungalows.
Das reizvolle Konzept, Gäste direkt übers lauwarme Meer zu betten, also Hütten auf Pfählen in die vor Pazifikbrechern geschützte Lagune zu pflanzen, stammt ursprünglich aus Ra‘iatea, historisches Herz des Archipels der Gesellschaftsinseln. Overwater Bungalows waren die zündende Idee von drei jungen Amerikanern. In den 60er Jahren legten sie damit im „Bali Hai“ den Grundstein für exklusiven Barfuß-Tourismus. Das legendäre Bora Bora Hotel der Amanresorts (zurzeit geschlossen) übernahm kurz darauf einen weiteren verrückten Einfall der vergnügten Jungs: eine Glasplatte zwischen den Holzplanken. In Bali-Hai-Prospekten hörte sich das so an: „Den schönsten Ausblick haben Sie bei uns durch ein Loch im Boden.“ 50 Jahre später genießt der Gast in allen Überwasserhäusern den Aquariumblick in die Korallenwelt. Nächtens mit Unterwasser-Illumination.
Zugegeben, für dieserart Südsee-Erlebnisse muss man tief in die Tasche greifen und doppelt so lange im Flugzeug sitzen wie beispielsweise zu den Malediven. Dafür erkauft man sich ein hohes Maß an Exklusivität. Weniger als 150 000 Gäste im Jahr, Kreuzfahrer mitgerechnet, verzeichnet das Land – die Zahl allein Beweis, dass es von Massentourismus Lichtjahre entfernt ist.
Buntes Naturspektakel
Die Hochstimmung dank des bunten Naturspektakels bleibt. Weil man auf dem hübschen Flughafen von Bora Bora in gut gelaunte Gesichter schaut. In die von ornamental tätowierten Burschen, die auf der Ukulele klimpern, und in die von jungen Frauen mit roter Hibiskus-Blüte hinterm Ohr, die Blumenkränze verteilen. Das Licht ist grell, laue Luft tätschelt die Haut, Palmen säuseln und das schnittige Motorboot, das uns zum Hotel bringen wird, dümpelt auf durchsichtigem Aquamarin. Glatt wie ein Spiegel kann man während der Fahrt Korallengärten auf hellem Sandboden erkennen.
Die Verlockung des Meeres ist stets präsent. Weich und badewannenwarm umspült es den Körper. Bunte Fischlein tummeln sich im seichten Wasser. Davon will man mehr sehen. Schnorchel-Maske auf und Flossen an. Und nicht panisch die Flucht ergreifen, wenn plötzlich Haie unter einem kreisen. Es sind junge Blacktips, Schwarzspitzenhaie, die an Schwimmern kein Interesse haben. Genauso wenig die imposanten Mantas, die wie Ufos durch strömungsreichere und tiefere Gefilde der Lagune schweben.
So abwechslungsreich die Unterwasserwelt, so unaufgeregt das Inselflair. Selbst in Vaitape, einzig größeres Dorf auf Bora Bora mit Kirche, Supermarkt und Souvenirläden, scheint das tägliche Leben vom Zeitlupentakt bestimmt.
Ein Panorama zum Niederknien
In puncto Naturspektakel sind noch Steigerungen drin. Moorea, 17 Kilometer von Tahiti entfernt, das sich mit seinen furiosen Bergspitzen in jeder der drei Hollywood-Verfilmungen von „Meuterei auf der Bounty“ (1935,1962,1984) als dramatischer Hintergrund ins Spiel setzte, ist das wahre Juwel unter den Gesellschaftsinseln. Ein Garten Eden: Dicke Mangos baumeln an riesigen Bäumen, auf Feldern reifen Ananas dreimal im Jahr, aus dichtem Buschwerk leuchten gelbe, rosa und knallrote Blüten. Zum Niederknien das Panorama vom Aussichtspunkt Belvédere: Parallel greifen zwei Buchten tief ins Innere der Insel, dazwischen der gezackte Kegel des Mont Rotui, an den Ufern smaragdgrüne Hänge, im Vordergrund Palmen. Man kann sich gut vorstellen, warum die alten Polynesier just diesen Ort gewählt hatten, um ihren Göttern zu huldigen.
Von dichten Baumkronen beschattet reihen sich vier marae, aus Felssteinen geschichtete Zeremonial-Plattformen, entlang eines uralten Pfades. Die Erfrischung nach der Tour lockt gegenüber dem Parkplatz. Am Früchtestand des Lycée Agricole gibt es spitzenmäßigen Ananas-Saft – ein Geheimtipp. Das gilt auch für den Ort, wo sich Südsee-Romantik mit dem feinsten Poisson Cru vermählt: Der Rohkostsalat aus Fisch, in Limettensaft mariniert und mit Kokosmilch aromatisiert, ist traditionelle Spezialität in Französisch Polynesien. Am Kilometermarker 33 weist die Riesenskulptur eines tätowierten Kriegers auf die namenlose Strandkneipe unter schattigen Tamarinden und Mandelbäumen. Über die flache Lagune schauen, dem fernen Donnern der brechenden Pazifikwellen lauschen, weiße Seeschwalben beobachten – man könnte an diesem Plätzchen ewig weiter träumen.
Noch mehr Abgeschiedenheit gefällig? Dazu muss man ein Atoll erleben. Fakarava beispielsweise, zweitgrößter mit Palmen bewachsener Riffring im Tuamotu Archipel, eineinhalb Flugstunden von Tahiti entfernt und bei Veranstaltern selten im Focus. Gerade hier haben sich mehrere Deutschsprachler niedergelassen. Warum so weit weg vom Schuss? „Genau deswegen“, sagt der Schweizer Robert Jaeger, der sich mit seinem pittoresken Bungalow Hotel „White Sands Beach Resort“ einen Traum erfüllte. „Weil sich im klinisch reinen Wasser der Lagune meine Austern rundum wohlfühlen“, meint Günter Hellberg, der einzige Deutsche unter Polynesiens Schwarze-Perlen-Farmern. Die irisierenden Kugeln sind das kostbarste Mitbringsel aus der Südsee.
Aber es sind nicht nur die Schwarzlippen-Austern, die prächtig gedeihen. Aufgrund des außergewöhnlichen Artenreichtums unter Wasser unterliegt Fakarava als Biosphärenreservat dem Schutz der UNESCO. Grund genug für den Allgäuer Werner Lau, hier eine Tauchbasis zu eröffnen. Und tatsächlich: Wer hier taucht, erlebt unberührte Hartkorallenlandschaften, Barrakuda-Schwärme und jede Menge türkis-schillernder Napoleons. In einem Traum von Meer.
Tipps zum Trip
Informationen: Tahiti Tourisme, c/o Eyes2market GmH, Fasanenstraße 2, 25462 Rellingen; Tel. (04 101) 6 96 88 02, Fax 37 07 33. Internet: www.tahiti-tourisme.de Anreise: Ab Paris fliegt Air Tahiti Nui mit Zwischenstopp in Los Angeles nach Papeete, im Januar ab circa 1810 Euro. Internet: www.airtahitinui.com Innerhalb der Inselwelt verkehrt Air Tahiti. Beim Besuch mehrerer Inseln lohnt ein Airpass ab 278 Euro. Internet: www.airtahiti.aero Veranstalter: Spezialist für die Südsee ist Meier's Weltreisen. Im Baukasten-Prinzip lässt sich der Urlaub in Französisch Polynesien individuell und budgetgemäß zusammenstellen. Informationen im Reisebüro Tauchen: Tauchschule auf Fakarava: www.wernerlau.com. Die Tauchbasis ist dem einzigen Hotel „White Sand Beach Resort“ angeschlossen (www.whitesand1.com) Tipp: Wer seine Reise selbst online organisiert, spart in der Regel Geld, wenn er Pauschalangebote der Unterkünfte inklusive Verpflegung und Transfers akzeptiert. Preise für Essen und Trinken sowie Taxis bzw. Motorboote liegen deutlich über den unsrigen. Der Zeitunterschied beträgt zwölf Stunden.