Gerade mal 50 Personen pro Tag dürfen sich in die Besucherliste der wohl gefragtesten Sehenswürdigkeit von Florenz eintragen: Mehr lässt die Museumsleitung nicht in den „Corridoio Vasariano“, den einstigen Fürstengang der Medici. Den Glücklichen zeigt sich Florenz aus der Perspektive von Cosimo dem Mächtigen.
Kein Stadtführer von Florenz lässt die Geschichte aus: Fürst Cosimo de Medici wollte sich einst nicht mehr unters einfache Volk mischen müssen, um von seinem Wohnpalast, dem Palazzo Pitti, in sein Büro am Palazzo Vecchio zu gelangen. Für die immerhin einen Kilometer lange Strecke ließ er sich 1565 von seinem Baumeister Giorgio Vasari einen Fürstenflur bauen, den Corridoio Vasariano. Weil am Boden auch damals schon kein Platz mehr und überdies ein ausgewachsener Fluss zu queren war, baute Vasari den Fürstengang kurzerhand in luftiger Höhe. Nun können sich auch Besucher fühlen wie die Medici: Der Corridoio Vasariano ist nach langer Schließung wieder für das Publikum geöffnet.
Der Kunstspaziergang über den Dächern bleibt freilich auch weiter nichts für Kurzentschlossene. Interessierte müssen sich bei „Polo Fiorentino Museale“ lange im Voraus anmelden, im Sommer sind sogar mindestens zwei Monate Voralufzeit einzukalkulieren. Auch ist der Besuch des Corridoio nicht gerade billig: Stattliche 21 Euro werden für die öffentliche Führung verlangt. Wer keine Karte mehr bekommen hat, dem bleibt als zweite Möglichkeit, sich einer „Exklusivführung“ eines Florentiner Reiseunternehmens anzuschließen. Das hat dann allerdings auch einen exklusiven Preis und ist dann fast 90 Euro teuer.
In jedem Fall bietet sich dafür aber ein bleibendes Erlebnis. Der Besuch beginnt in den Uffizien, der weltberühmten Gemäldesammlung. Einst Ämter- und Verwaltungsgebäude der Medici wurden sie später Heimstatt für ihre private Kunstsammlung. Für 45 Säle voller Kunst. Wer rein will, muss sich in Geduld üben und in der Hochsaison schon mal stundenlang anstehen. Als Karten-Vorbesteller freilich zieht man an den imposanten Warteschlangen elegant vorbei. Im dritten Stock, auf der Stirnseite mit dem prächtigen Blick auf Arno und Ponte Vecchio, macht der Guide einen ersten Stopp – nicht ohne Grund: Der Vasarigang verläuft nämlich über den Dächern der Ladenbrücke und ist vom Panoramafenster aus gut zu sehen.
Und dann öffnet sich eine unauffällige Holztür zwischen Raum 25 und Raum 34, die kleine Gruppe steht plötzlich mittendrin in dem Gang, der selbst ein Museum ist: Mehr als 700 Gemälde hängen an den Wänden, davon bildet ein Großteil die weltweit wichtigste Kollektion von Künstler-Selbstporträts – ein Steckenpferd der Medici, seit Kardinal Leopoldo de Medici damit begann.
Rembrandt, van Dyck und Rubens hängen unbeachtet da, hier lächelt Velasquez, dort Leonardo. Chagall hat sich verewigt, Tintoretto und natürlich der Baumeister Vasari selbst. Bis zum heutigen Tag wird die Kollektion erweitert, eine eigene Kommission wacht über den Ankauf.
Klassische Porträts sind zu sehen und ungewöhnliche: Ein gewisser Johann Vump hat sich 1650 beim Erstellen des Selbstporträts gemalt, wie er gerade in den Spiegel schaut und ist auf diese Weise dreimal zu sehen. Einige Selbstbildnisse hatten ganz profane Gründe. Da lächeln etwa die vier Töchter des Herzogs von Modena von der Wand. Die Bilder machten an einigen europäischen Fürstenhöfen mit Söhnen im heiratsfähigen Alter Station. Doch nur eine, Enriquetta Anna Sophia, fand auf diese Weise den Mann fürs Leben.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Trotz der hübschen Geschichte mit Cosimo war der historische Grund für den Bau des Vasarigangs ein anderer. Den Ausschlag gab die Hochzeit von Cosimos Sohn Francesco mit Johanna von Österreich. Die Gemäldesammlung im dritten Stock der Uffizien war gerade fertig geworden, das später von Buontalenti errichtete repräsentative Treppenhaus aber noch nicht. Und so bildete der eilig binnen fünf Monaten erstellte Gang einen standesgemäßen Zugang. Die Idee hatte Vasari übrigens geklaut, und zwar von keinem Geringeren als von Universalgenie Leonardo da Vinci. Der hatte bereits kurz vorher ein ähnliches Werk für die Fürstenfamilie Sforza in Mailand projektiert.
Der Corridoio Vasariano lohnt sich übrigens nicht nur der Bilder wegen. Selbst Florenzkenner werden fasziniert an den Fenstern stehen und wie einst die Medici über die Köpfe ihrer Untertanen blicken, auf der Brücke Ponte Vecchio dem Treiben unter sich zusehen, Einblicke durch Bullaugenfenster in die Florentiner Gassen gewinnen. Neben der bekannten Grotte von Buontalenti im Boboligarten kommt der Vasarigang wieder ans Tageslicht.
Jenseits des Ponte Vecchio zeigt sich zuvor noch die Macht der Medici: Der Gang verläuft teils quer durch die Wohnhäuser. Einmal trifft er sogar auf ein Gotteshaus: In der Kirche Santa Felicita streift der Fürstengang von Florenz die Empore, gibt durch Fenster den Blick frei auf die Betenden tief unten. Die Medici nutzten den Zugang auf ihre Art: Das menschenscheue Fürstengeschlecht ließ sich hier oben seine eigene Gebetsloge einrichten.
So kommt man rein
Der Corridoio Vasariano ist nur nach Voranmeldung zu betreten. Kartenbestellung über den Polo Fiorentino Museale, Tel. 00 39 / 055 / 29 48 83 (montags bis freitags 8.30 bis 18.30 Uhr, samstags 8.30 bis 12.30 Uhr); Internet: www.polomuseale.firenze.it Termine: Es gibt je zwei Führungen von Dienstag bis Freitag; dienstags und donnerstags um 9 und 11.30 Uhr, mittwochs und freitags um 14 und 16.30 Uhr. Die Führungen finden nur in italienischer Sprache statt. Pro Gruppe sind maximal 25 Personen zugelassen. Exklusiv: Außerhalb dieses allgemeinen Kontingents bieten einige Reiseunternehmen auch Exklusiv-Führungen an, buchbar zum Beispiel über die Webseite www.getyourguide.com. Die englischsprachige „Tour durch den Vasari-Korridor und zu den Uffizien“ kostet dort 89 Euro. Auch deutsche Reiseveranstalter wie Dertour etwa besorgen ihren Florenz-Gästen die Tickets.