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QUEBEC: Im Land der Hunderttausend Seen

QUEBEC

Im Land der Hunderttausend Seen

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    Wälder, Berge und Seen soweit das Auge reicht – hier im Mont-Tremblant National Park in der kanadischen Provinz Quebec.
    Wälder, Berge und Seen soweit das Auge reicht – hier im Mont-Tremblant National Park in der kanadischen Provinz Quebec. Foto: Fotos: Anita Schöppner

    Charlotte. Charlotte.“ Immer wieder ruft Jonathan diesen Namen über den See. Mit frischen Birkenzweigen schlägt er vorsichtig auf die Wasseroberfläche. „Charlotte“, lockt er und pfeift. Die Frau, nach der der 30-Jährige so hartnäckig ruft, nähert sich vorsichtig von rechts. Langsam schwimmt die Biberdame Richtung Ufer. Jonathan pfeift wieder. „Das Pfeifen beruhigt sie“, erklärt der Tierexperte. Charlotte greift sich einen der Birkenzweige, den Jonathan in den schlammigen Boden gesteckt hat und lässt sich die grünen Blätter schmecken. Fasziniert beobachten die etwa 20 Touristen das Tier. Einen Biber in freier Wildbahn aus nächster Nähe zu beobachten, ist ungewöhnlich. Normalerweise verstecken sich die scheuen Nager in ihrem Bau oder schwimmen fast unerkannt durchs Wasser.

    „Wir haben Jahre gebraucht, um die Tiere soweit zu bringen, dass sie kommen, wenn wir sie rufen“, sagt Jonathan. Deswegen haben auch alle Biber in seinem Revier einen Namen.

    Eine Millionen Biber gibt es in Quebec – und ebenso viele Seen

    Während Charlotte an den frischen Blättern knabbert, bricht die Abenddämmerung über den kleinen See in Quebec herein. Abgestorbene Baumstämme ragen aus dem dunklen Wasser. Das Werk der Biber. In wenigen Stunden schaffen es die Nager, einen Baum zu Fall zu bringen. Die abgestorbenen Hölzer bilden oft Staudämme und schaffen so neue Teiche und Seen in den Wäldern Kanadas. Über eine Million Biber leben allein in der kanadischen Provinz Quebec. Etwa genauso viele Seen und andere Gewässer gibt es dort.

    Quebec liegt im Osten Kanadas und ist mit etwa 1,5 Millionen Quadratkilometern die flächenmäßig größte Provinz Kanadas. Über acht Millionen Menschen leben dort – und alle sprechen Französisch, die ausschließliche Amtssprache der Provinz Quebec. Doch die meisten Quebecer – vor allem die Jüngeren – können auch Englisch.

    Die größte Stadt ist Montreal mit 1,7 Millionen Einwohnern. In der Hauptstadt Quebec City leben 540 000 Menschen. Von Montreal aus ist man in etwa einer Stunde in der Natur – was vor allem viele Großstädter zu schätzen wissen. Viele Montrealer besitzen ein Ferienhaus am See, an dem sie die Wochenenden verbringen. Fischen, Kajak fahren, wandern, Hundeschlitten fahren oder jagen – Kanada ist ein Paradies für Outdoor-Aktivitäten.

    An den größten und schönsten Seen liegen die beliebtesten – und mitunter teuersten – Hotels. So wie am Lac Sacacomie. Der sechs Kilometer große See ist umgeben von Wäldern. Hoch auf einem Berg thront das gleichnamige Hotel, von dessen Terrasse aus man einen atemberaubenden Blick auf den See hat. Wer im Lacacomie schwimmen, Kajak fahren oder sich an seinem sandigen Ufer sonnen will, muss einen etwa 15 Minuten langen Weg den Berg hinunterlaufen. Holzstege und -stufen führen durch den Wald nach unten.

    In den Wäldern und Seen kann man nicht nur Bibern begegnen. Auch Wölfe, Elche und Schwarzbären leben hier. „Etwa 85 000 Schwarzbären gibt es in Quebec“, erzählt Wildführer Jonathan, während er mit einer Gruppe Besucher darauf wartet, dass sich ein Bär auf der Lichtung zeigt. „Sie dürfen geschossen werden – aber nur zu bestimmten Zeiten.“

    Jonathan spricht mit ruhiger Stimme, damit er die Bären nicht verschreckt. „Schwarzbären können nicht so gut riechen, aber sehr gut hören.“ Auf der Lichtung steht ein Fass, in das Mais gefüllt wurde – für die Tiere ein Leckerbissen. Es ist ganz ruhig auf der Lichtung. Eichelhäher und Eichhörnchen bedienen sich an dem Futter. Die Besucher im Hochstand warten – und bewegen sich so wenig wie möglich. Nach etwa 20 Minuten zeigt sich der erste Bär. Kurz darauf der Zweite. „Sie wissen, dass Menschen in der Nähe sind“, sagt Jonathan. Aber sie lassen sich davon nicht stören. Langsam senkt sich die Dämmerung über den Wald. Alles ist ruhig. So ruhig, dass man das Kauen der Bären hören kann.

    Beim Husky-Rennen einen Tag später ist es mir der Ruhe vorbei. Das Bellen und Kläffen der Hunde ist ohrenbetäubend. 85 Huskys leben auf dem Anwesen von Peter W. Boutin und seiner Frau Carole in Rawdon, etwa 60 Kilometer nördlich von Montreal. Der ehemalige Sportlehrer hat die kleine Farm vor zwölf Jahren gekauft, um dort mit Hunden und Menschen zu trainieren. Das Laufen mit Hunden ist für ihn nicht nur Spaß, sondern auch Therapie. „Es kann helfen, nach einer Verletzung, schneller wieder gesund zu werden“, sagt er. Zwei Stunden am Tag trainieren er und seine Tochter Lola mit den Tieren, die in einem Waldstück in Hundehütten leben. Im Winter ziehen die Tiere einen Schlitten, wenn kein Schnee liegt, einen Wagen. Cani-Kart nennt sich diese Aktivität, bei der Mensch und Hund Spaß haben. Zehn Huskys spannt Lola vor einen Wagen. Die Hunde können kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Ihr Jaulen und Bellen wird immer lauter.

    Zwei Personen haben in dem Wagen Platz. Lola steht hinten dran und lenkt. Über 30 Kilometer die Stunde kann so ein Gefährt erreichen. Es geht über Stock und Stein, durch Matsch und Pfützen. Lola passt auf, dass sich die Tiere an Steigungen nicht überanstrengen – und dass jeder Hund zieht. „Man muss die Tiere richtig verteilen. Der da vorne ist der Stärkste, aber er ist auch etwa faul“, sagt sie und lacht. Nach 30 Minuten Fahrt sind die Hunde wieder an ihrem Gehege. Alle warten geduldig, dass Lola sie aus dem Geschirr befreit – und für ihre Arbeit lobt.

    27 Nationalparks gibt es in Quebec. Der älteste heißt Mont-Tremblant und liegt 130 Kilometer nordwestlich von Montreal. Hier gehen viele Kanadier und US-Amerikaner im Winter Skifahren (der höchste Berg ist allerdings gerade mal 968 Meter hoch) und im Sommer Wandern, Fahrrad fahren oder Schwimmen. Auch wenn die Berge – verglichen mit den Alpen – nicht sehr hoch sind, ist die Aussicht von den Gipfeln doch spektakulär: grüne Hügel bis zum Horizont und dazwischen immer wieder Seen und Flüsse. Ende September verfärben sich die Laubbäume gelb und rot und die Wälder scheinen zu leuchten. Zum Indian Summer zieht es besonders viele Menschen nach Quebec.

    Auf Seilen den Berg runterrutschen – und dabei die Aussicht genießen

    Vom Mont Tremblant gibt es noch eine ganz besondere Möglichkeit wieder nach unten zu kommen: per Zipline. Wer schwindelfrei ist und den Nervenkitzel nicht scheut, kann an Seilen über die Baumgipfel ins Tal rutschen. Insgesamt fünf Ziplines – die längste ist fast einen Kilometer lang – führen nach unten. Nicht nur die Aussicht ist dabei atemberaubend.

    Weitaus ruhiger als im Skigebiet Mont-Tremblant geht es im Reservoir Baskatong zu. Der etwa 400 Quadratkilometer große Stausee mit zahlreichen Seitenarmen und Inseln liegt etwa 290 Kilometer nordwestlich von Montreal. „Im Sommer kommen viele mit ihren Booten zum Angeln her“, erzählt Martin. Der 50-Jährige hat vor über zehn Jahren ein großes Stück Land an dem Stausee gekauft. Er vermietet dort Hütten und bietet Ausflüge an. Im Sommer mit Booten, im Winter mit dem Snowmobil über den zugefrorenen See. Die Hütten sind groß und luxuriös. Viele haben einen Whirlpool und einen eigenen Bootssteg. Auch in der Wildnis muss man nicht auf Annehmlichkeiten verzichten.

    Wer keine Lust hat, den Abend in seiner Hütte zu verbringen, und lieber Gesellschaft hat, kommt in die große Hütte am See, die irgendwie alles ist: Kneipe, Wohnzimmer, Spielzimmer und Restaurant. Dort stehen ein Billardtisch, ein Klavier, ein Regal voller Bücher – und jede Menge ausgestopfter Tiere. Ein Schwarzbär schaut den Besuchern, die sich auf dem Sofa lümmeln, über die Schultern und Martin erzählt von seinem Leben fernab der großen Städte und von seiner Frau Dominique, die er vor zehn Jahren auf einem Berggipfel geheiratet hat. Ruhig ist es in der kanadischen Wildnis, aber nicht einsam.

    Tipps zum Trip Informieren: Umfangreiche Informationen zur kanadischen Provinz Quebec gibt es unter www.quebecoriginal.com, der offiziellen Tourismusseite der Provinz Quebec. Die Seite gibt es bisher nur auf Englisch und Französisch. Hinkommen: Air Canada und Lufthansa fliegen von Frankfurt aus einmal täglich nach Montreal. Der Flug dauert etwa acht Stunden. Mitbringen: Der Ahornsirup aus Quebec ist weltbekannt. Über 80 Prozent der weltweiten Produktion werden in der Provinz Quebec erwirtschaftet. Viele Familien haben ihre eigenen Ahornbäume und verkaufen selbst gemachten Ahornsirup. Beachten: Im Sommer können Stechmücken an den Seen zur echten Plage werden. Daher unbedingt ein Insektenschutzmittel einpacken. Das Wetter kann in Kanada sehr unbeständig sein. Selbst im Sommer kann es recht kalt werden. Im Herbst sind Minusgrade in der Nacht nicht ungewöhnlich. Im Winter wird es mitunter auch mal bis zu Minus 40 Grad. ani

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