Es ist beileibe nicht so, dass Jütlands südliche Hälfte eine einzige Baustelle wäre. Und dennoch: Wohin man schaut, werden auf dem dänischen Festland alte Bauwerke aufwendig restauriert, wachsen schmucke neue Gebäude aus dem Boden. Das Netz aus Fernstraßen und Autobahnen wird ausgebaut, die Infrastruktur modernisiert.
Das kommt auch dem Tourismus zugute, der eine Säule der dänischen Wirtschaft ist: Hotels und Campingplätze, Strände und Freizeiteinrichtungen erfüllen hohe Standards, sind familienfreundlich, die Gastgeber entspannt. An manchen Ecken – zum Beispiel am Nordseestrand Hvidbjerg bei Blavand – ist es sogar offiziell erlaubt, mit dem Wohnmobil direkt an den Sandstrand zu fahren: Wen das stört, der nutzt eben andere Bereiche – die Devise heißt „leben und leben lassen“.
Ein Ärgernis gibt es dennoch für den ein oder anderen Wohnmobilfreund: Außerhalb von Campingplätzen ist das Übernachten generell verboten – mag der Platz auch noch so romantisch, verschwiegen oder abgefahren sein. „Mitten in der Nacht von der Polizei geweckt zu werden, ist kein Vergnügen, und die Strafe außerdem ziemlich hoch“, warnt Steen Slaikjaer.
Als Betreiber einer Luxus-Campinganlage in Blavand ist er einer der vielen Nutznießer dieser strengen Regelung.
Die größte Universität
In Aarhus (zu deutsch: „Am Ende des Flusses“) begegnet man auffällig vielen jungen Menschen. 250 000 Einwohner hat die zweitgrößte Stadt Dänemarks und außerdem die größte Universität (45 000 Studenten) des Landes. Kein Wunder, dass das angesagteste Fortbewegungsmittel hier das Fahrrad ist. Und dass Aarhus über 450 Kilometer Radwege verfügt. Beim Aros-Kunstmuseum, markant durch einen gläsernen Rundgang auf dem Gebäude in den Farben des Regenbogens, startet unsere Stadtbesichtigung mit dem Rad – landestypisch ausgestattet mit Einkaufskorb am Lenker. Dazu gibt's einen Helm im Soldatenlook. Die Route führt durch enge, belebte Straßen hinunter zur Ostsee: Der frühere Industriehafen ist verschwunden, entstanden ist dort eine neue Verbindung zwischen Stadt und Meer. Ein komplett durchgestyltes Viertel mit Häusern und Geschäften, dazu Freizeitangebote, Sandstrand mit Bars zum Chillen, mit Jachthafen, öffentlichen Gärten und Beachvolleyballfeldern.
Kulturhauptstadt Europas
Im sogenannten Dokk 1 wohnen und arbeiten die Menschen mit Blick aufs Meer in futuristisch anmutenden Nullenergie-Häusern – eines etwa in der Form eines Eisbergs. Zum Gesamtkonzept gehören Nahversorgung, Dienstleistung, Stadthalle, Mehrgenerationenhaus. Die neue Straßenbahn von der Stadt zum Hafen ist schon fertig, Autoverkehr tabu.
Die Finanzkrise hat die Fertigstellung der „neuen Stadt“ verzögert, die umgerechnet gut eine Milliarde Euro verschlingen wird. „Ursprünglich sollte 2017 das ganze Gelände komplett neu bebaut und belebt sein. Jetzt peilt man 2024 an“, sagt Rune Vesterskov auf der Hafen-Radtour. 2017 war anvisiert, weil Aarhus dann den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ tragen wird. Gut trifft sich, dass es von dem neuen Areal ins Quartier Latin nur ein Katzensprung ist. Das Viertel besaß lange einen zweifelhaften Ruf; jetzt genießen Studenten, Künstler und Touristen die völlig neu gestalteten Gassen mit kleinen Häuschen, Galerien und feinen Läden, Gaststätten und Cafés. „Nirgendwo in Aarhus gibt es Kaffee und Smoerrebroed in so vielen Varianten und so gut wie dort“, erzählt Stadtführer Rune.
Verlässt man die Stadt und fährt auf breiten, sehr wohnmobilfreundlichen Straßen schnurstracks Richtung Westen, der Nordsee entgegen, zeigt Jütland ein völlig anderes Gesicht. Die Seenplatte im Südwesten von Silkeborg ist ein Naturparadies, eine Landschaft zum Träumen: Unberührte Uferabschnitte werden von Wäldern umsäumt. Das Wasser ist glasklar, seltene Vogelarten haben dort ihr Zuhause. Eine Attraktion ist nach einer Dreiviertelstunde Fahrt mit dem Dampfer Hjejlen der Himmelberg (147 Meter). Er galt lange als die höchste Erhebung Dänemarks – bis genauer nachgemessen wurde.
Auch an der Seenplatte zeigt sich, dass es viele Dänen zu Wohlstand gebracht haben: Die Bootsfahrt von Silkeborg aus führt vorbei an noblen Villen mit perfekt gepflegten Gärten und Pavillons mit Seezugang und Bootanlegestelle. Der Mix der Stile erinnert an eine Architektur-Ausstellung, an ein „Who-is-who“ der neuesten Häuserkreationen.
„Silkeborg ist die schönste Stadt der Welt“, schreibt Unternehmer Lars Larsen in seiner Biografie. 1979 hat der einst bettelarme Jütländer das „Dänische Bettenlager“ gegründet, ist in Aarhus mit einer furiosen Sonderposten-Aktion durchgestartet. Wenn der 67-Jährige demnächst die Geschäfte an seinen Sohn abgibt, wird Jakob Larsen Herr über 2300 Filialen weltweit sein. Eine Villa in Silkeborg haben aber zum Beispiel auch die Inhaber der Weltfirmen ecco (Schuhe) oder Danfoss (Heizungszähler), ebenso Größen aus Politik, Kultur und Sport.
Sportlich und historisch
Viele Dänen sind leidenschaftliche Sportangler. „Die Hälfte meiner Gäste kommt deswegen zu uns“, erzählt Jorgen Hansen, Inhaber der Campinganlage Hessellund bei Karup: Zwei Seen auf dem Gelände und das Karup-Flussufer sind von Anglern bevölkert. Wir allerdings gehen leer aus: zehn Kandidaten, zwei Stunden angeln, kein einziger Fisch. „Da ist doch nichts im See“, behaupten wir keck – bis zum Gegenbeweis: Lone, die Tochter des Platzchefs, holt innerhalb weniger Minuten zwei kapitale Regenbogenforellen aus dem Teich. Abendessen gerettet, der begeisterten Sportanglerin sei Dank.
Doch wozu angeln, wenn der Platz in Karup über eine 18-Loch-Fußballgolf-Anlage verfügt. Statt mit Golfball, Driver und Eisen gehen wir mit Sportschuhen und Lederball ans Werk: Ziemlich viel geht daneben, es wird wild debattiert, erfolglos an der Taktik gefeilt. Immer wieder muss der Ball aus stacheligem Gebüsch oder hohem Gras gekickt werden, wir verlieren haushoch. Dass der dänische Ex-Nationalspieler Thomas Gravesen zur Eröffnung ein „Hole in one“ geschafft, sprich den Ball mit einem Schuss versenkt hat, scheint uns fast wie Zauberei.
Doch statt sportlich geht es auch historisch. Wer sich für dänische Geschichte interessiert, kommt an Ribe nicht vorbei, der ältesten Stadt des Landes: Das Wikingermuseum ist lebensnah gestaltet, verfügt über eine Mittelalter-Abteilung, wo Kinder und Kindgebliebene Ritter spielen dürfen, sich beispielsweise beim Schwertkampf austoben können.
Von dort sind es nur noch 90 Kilometer bis Flensburg – die Jütland-Tour im Schnelldurchgang hat Appetit auf mehr gemacht. Und wundern Sie sich nicht: Im Wohnmobil wird man gelegentlich ein wenig bestaunt, weil für die meisten Dänen so ein Gefährt bei 180 Prozent Luxussteuer unbezahlbar ist.
Tipps zum Trip
Information: Visit Denmark, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg; Tel. (01 805) 32 64 63 (14 Ct/Min.), Fax (040) 32 02 11 11; Internet: www.visitdenmark.de Camping: In Dänemark gibt es 19 Themenrouten für Wohnmobilisten. Übernachten ist nur auf Campingplätzen erlaubt, die Campingcard ist Pflicht. Preisbeispiel: Hessellund Camping Karup: die ganze Familie im eigenen Wohnwagen sechs Nächte zu Ostern 110 Euro pro Nacht, normale Saison 73 Euro. Fünf-Sterne-Anlage Hvidbjerg-Strand Blavand: zur Hoch- saison Wohnmobil für eine Familie mit eigener Dusche/Klohäuschen ab 135 Euro pro Nacht.
Sondervig: Besonders beliebt in dem Nordseeort mit weiten Sandstränden ist der Park der Sandskulpturen: 60 Tonnen Sand sind für eine einzige nötig, jedes Jahr entstehen Hunderte neu: 2014 ging es um die Wikinger, 2015 um die Dinosaurier. Und in dem Park können Kinder (und Erwachsene) selber Skulpturen bauen, ihrer Kreativität freien Lauf lassen.
Messe CMT in Stuttgart: Dänemark ist Camping-Partnerregion der Messe CMT (Caravan, Motor, Touristik) vom 16. bis 24. Januar in Stuttgart und präsentiert sich dort mit einem umfangreichen Angebot an Tourismusunternehmen. Weitere Informationen zur Messe im Internet: www.messe-stuttgart.de/cmt