Früher lief ein Winterurlaub so ab: Die Ski wurden neben den Schneeketten in einer Dachbox auf dem Auto verstaut. Dann ging es stundenlang Richtung Süden, inklusive Stau zwischen München und Salzburg. Gewohnt wurde in einer Pension, morgens schulterte man die Bretter und humpelte in Skischuhen zum Skibus. Nach dem Anstehen an der Gondel hieß es „Pistenkilometer machen“ – damit sich der Skipass auch lohnt. Mittags kamen Germknödel oder Gulaschsuppe in einer Hütte auf den Tisch. Und nach der letzten Abfahrt? Anstoßen mit Schnaps und Jagertee zu den Klängen von „Schatzi schenk mir ein Foto“. Doch die Zeiten ändern sich.
Der neue Trend heißt Wintergenuss. Sogenannte Wintergenießer, erklärt Constanze Köhler von Europas größtem Reiseveranstalter Tui, „suchen abseits des Pistentrubels einen reinen Erholungsurlaub in den Bergen“. Das Naturerlebnis im Schnee – wie Schneeschuhwanderungen oder Kutschfahrten durch verschneite Landschaften –, Wellness und gute Küche stehen dabei im Mittelpunkt. Eine Tourismusstudie aus Österreich zeigt zwar, dass in den zurückliegenden drei Jahren nur 1,6 Millionen Deutsche einen reinen Genussurlaub in der Alpenrepublik gebucht haben.
„8,7 Millionen Deutsche interessieren sich allerdings aktuell für diese Urlaubsform“, so Köhler weiter, die bei der Tui für das Produktmanagement Österreich zuständig ist.
In dem Land, das wie kein anderes für Pistengaudi steht, stellt man sich darauf ein. Die Kontraste, die sich daraus ergeben, erkennt man im Salzburger Land besonders gut: auf der einen Seite das beim Partyvolk beliebte, weil feucht-fröhliche Saalbach mit seinen Apres-Ski-Bars. Auf der anderen das eher verschlafene Leogang, das für besagte Wintergenießer einiges zu bieten hat.
Die Einheimischen sorgen für die Zugabe
Nicht, dass es dazu etwas Menschengemachtes gebraucht hätte. Das 18 Kilometer lange Dorf liegt idyllisch zwischen Steinernem Meer, Kitzbüheler Alpen, Pinzgauer Grasbergen und Leoganger Steinbergen. Vor allem am Morgen, wenn die Sonne die Gipfel in orangefarbenes Licht taucht und die Schneedecke noch jungfräulich und frei von Skikanten- und Fußspuren ist, präsentiert sich Leogang als Winterwunderland. Wenn das kein Wintergenuss ist . . .
Doch die Einheimischen sorgen sozusagen für die Zugabe. Eine davon ist das erst im Dezember 2016 auf einem Sonnenplateau eröffnete Vier-Sterne-Hotel „Puradies“. Das einst überschaubare Hotel mit angeschlossenem Hüttendorf hat die Familie Madreiter in ein alpines Wellnesshotel mit exklusiven Chalets verwandelt. Der Dreiklang aus Natur, Wellness und Küche ist hier Programm. In vier Saunen können die Gäste schwitzen. Dazu gibt es ein umfangreiches Spa-Angebot – gegen Aufpreis versteht sich. Und wer nicht nur massiert werden möchte, sondern auch gerne selbst massiert, kann die Technik in der hoteleigenen Massageschule erlernen.
Um die Feinschmecker unter den Gästen kümmert sich André Stahl in dem labyrinthartigen Restaurant, das sich trotz der modernen Architektur dank zahlreicher knorriger Holzbalken einen gewissen Hüttencharme bewahrt hat. Stahl gilt als einer der besten Köche Österreichs. Zwei Hauben und 16 Punkte im Gault Millau sprechen für sich. Exklusives Herzstück des Hotels ist aber die offene Lobbybar, eine aufwendige, geschwungene Eichenholzkonstruktion, wo sich am Abend die Gäste schon mal im Abendkleid oder im guten Anzug blicken lassen. Zu teurem Whiskey und edlen Weinen wird Lounge-Musik gespielt.
Die „Schatzi-schenk-mir-ein-Foto“-Stimmung ist hier ganz weit weg. Der ursprüngliche Wintergenuss wartet unterdessen hinter der Luxus-Bleibe. Auch in dieser Nacht hat sich Oberflächenreif gebildet: Die fragilen Eiskristalle sitzen wie weiße Schmetterlinge auf der dicken Schneedecke und glitzern in der Morgensonne. Durch die klare Luft ruft der Berg. Der Hausberg des „Puradies“ führt den Skifahrer fast auf direktem Weg dorthin. Nach wenigen Minuten erreicht man die Steinbergbahn, die die Wintersportler zum Asitz-Gipfel bringt.
Pistenkilometer kann man hier viele machen. Die Skigebiete Saalbach, Hinterglemm, Leogang und Fieberbrunn sind mittlerweile zu einem „Skicircus“ verbunden. Alle Abfahrten bringen es zusammen auf 270 Kilometer. Während Saalbach mit etwas anspruchsvolleren Pisten lockt, darunter eine Weltcupabfahrt, geht es auf Leoganger Seite eher gemütlich zu. Auf den zahlreichen blauen Pisten fühlen sich vor allem Anfänger wohl. Und solche, die Entschleunigung nicht nur im Tal suchen. Mit langsameren Schwüngen lässt sich das Bergpanorama besser genießen. Genussvolles Skifahren eben.
Auch sonst wird am Asitz-Gipfel fortgesetzt, was im Ort beginnt: In der „hendl fischerei“ direkt gegenüber der Bergstation werden nicht nur Germknödel und Gulaschsuppe serviert. Neben dem Klassiker – das halbe Hähnchen, das Chef Hubert Oberlader höchstpersönlich in der Küche zubereitet – stehen auch Thunfisch-Steak auf marinierter Wakame Alge oder Kaviar vom sibirischen Stör auf der Karte. Wer was auf sich hält, reserviert für seine Mittagspause die beheizte „Champagner Box“ oder das „absperrbare Terrassen-Separee“ mit dem klangvollen Namen „Rich Box“.
Kaviar in der „Champagner Box“
Die „hendl fischerei“ gehört zur sogenannten Via Culinaria. Hinter dem italienisch klingenden Namen verbergen sich über 220 sogenannte Genussadressen im ganzen Salzburger Land – von der Almhütte bis zum Haubenlokal. Eines dieser Lokale ist der seit 1326 bestehende „Kirchenwirt“ in Leogang, das älteste Dortwirtshaus im Salzburger Land. Wer eine erlesene Weinkarte sucht, wird hier fündig. Wer es abends exklusiv, aber etwas rustikaler mag, besucht das zweite Standbein der Familie Oberlader: das Bergdorf Priesteregg.
Während Hubert Oberlader auf knapp 1800 Metern Höhe seine Grillhendl brät, kümmert sich Ehefrau Renate vor allem um den Erbhof in Familienbesitz. Auch hier kann man sich in Luxus-Chalets einmieten. Im Gasthaus wählt man am besten das „Hut-essen“: Dabei erhitzen kleine Flammen einen gusseisernen Kegel, dessen Form an einen Hut mit Krempe erinnert. Außen hat der Hut Widerhaken, an denen die Gäste kleine Filets vom eigens gezüchteten Rind selbst braten.
Wer nach dem Skifahren Wert auf Haubenküche, Zirbenholzsaunen und ein Glas Champagner für zwischendurch legt, packt offenbar nicht die eigenen Bretter in die Dachbox und steht stundenlang zwischen München und Salzburg im Stau. „Wir stellen eine verstärkte Nachfrage nach Flugreisen aus den Hauptherkunftsländern Deutschland, Benelux, Skandinavien und auch Großbritannien nach Salzburg fest“, sagt Christopher Losmann von der Salzburger Land Tourismus GmbH. „Das drückt sich in der steigenden Anzahl an Flugverbindungen von und nach diesen Märkten aus.
“ So habe etwa Eurowings seit Anfang des Jahres eine eigene Maschine in Salzburg stationiert um damit Köln, Düsseldorf, Brüssel, Paris und einige andere Städte zu bedienen.
Ski und Snowboard werden dann eben vor Ort geliehen. Gewedelt wird, solange genug Schnee liegt. Trotz Wellness und kulinarischem Chichi, ist die Piste noch lange nicht tot. Sie hat allerdings Konkurrenz bekommen.
Tipps zum Trip Anreise: Wer nicht mit dem Auto anreisen möchte, kann Leogang bequem mit der Bahn erreichen. Ab München fahren regelmäßig Regionalzüge über Kufstein und Wörgl direkt nach Leogang. Ab Würzburg dauert die Anreise rund fünf Stunden. Skipass: In der Hauptsaison (bis 17. März) kostet ein Tagesskipass für Erwachsene 52 Euro, sechs Tage gibt es für 250 Euro. In der Nachsaison (ab 18. März) kostet der Tagesskipass 47 Euro, für sechs Tage zahlt man 225 Euro. Preisbeispiel: Bei Tui kostet eine Woche im Hotel „Puradies“ in Leogang inklusive Frühstück ab 766 Euro pro Person im Doppelzimmer. Eine Woche im „Chaletdorf Fanningberg“ im Lungau kostet ohne Verpflegung bei vier Personen-Belegung 1945 Euro (beides Reisemonat März). Tui bietet bis Ende März eine sogenannte Schneegarantie: Eine gebührenfreie Umbuchung auf einen späteren Zeitpunkt oder ein anderes Ziel möglich, wenn bis sieben Tage vor Anreise wegen Schneemangels weniger als 75 Prozent der Lifte im jeweiligen Skigebiet laufen. ben