Da hat sich Josef II., ein Sohn Maria Theresias, was Feines ausgedacht. Gemäß seinem Ausspruch „Wo kein Pflug kann gehn, soll eine Rebe stehn“ leuchten in der Wachau die selbst auf dem kleinsten Fleckchen Erde angelegten Weinterrassen und ihre Weinstöcke hinunter ins Donautal. Was da heranwächst, schmeckt dort, wo ein Strohkranz vor der Tür im leichten Windhauch vibriert: beim Heurigen. Beim Buchinger in Mauternbach beispielsweise, bei dem das Speckbrot mit Kremser Kren und das Ferrari-Stangerl besonders lecker munden und gerade mal ein paar Euro kosten. Oder im Naturidyll des Heurigenkellers von Bernd Pulker am südlichen Donauufer inmitten von grün glitzernden Weinstöcken und duftenden Sommerblumen.
Während Grüner Veltliner im Glas und Topfenaufstrich auf dem Wachauer Laberl den Gaumen kitzeln, kann der Blick bis zum berühmten blauen Kirchturm in Dürnstein schweifen und zu den umliegenden Weinterrassen. Beim Heurigen, der laut Gesetz von einem privaten Winzer drei Monate angeboten werden darf, schimmert das Endprodukt der dort reifenden Früchte im Glas: der Junge Römer, das Federspiel, der Nobile oder Smaragad. In der Region von Krems bis Melk und nur um die 70 Kilometer von Wien entfernt, findet sich bis in den November hinein immer ein Wirt, der seinen Wein, selbst Geschlachtetes, selbst Gekeltertes anbietet.
In großem Stil ausgebaut werden die Wachauer Weine in der Genossenschaft Winzer Krems. Die Weinerlebniswelt ist mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Jeder kann hier unter fachkundiger Führung weinselig den Spuren des Rebensafts folgen. Draußen entzücken zunächst die Weinzeilen mit ihren duftenden Rosenstöcken an Anfang und Ende. Dann geht es in den Keller hinunter, der mit seinem verheißungsvollen Geruch Sinne und Geschmacksnerven kitzelt, und man erfährt dort, wie der Wein den Winzer das Jahr über auf Trab hält. Die warmen Tage im Donautal und die kühlen Nächte, die die Winde aus dem Waldviertel bringen, lassen die Trauben besonders süffig gedeihen und ihr einzigartiges Aroma entfalten.
Vom Klima profitiert auch die köstliche Marillensorte, die nur hier in Niederösterreich gedeiht und wegen ihrer Empfindlichkeit nicht ausgeführt werden kann. Statt dessen taucht sie vor Ort auf in Marillenknödeln, in Schnaps, Likör, Sirup und feincremiger Konfitüre.
Einmal im Jahr geraten die Betriebsabläufe der Genossenschaft für vier Wochen aus den Fugen. Dann wird in dem mit üppigen Oleanderbäumen geschmückten Hof eine Tribüne aufgebaut, ertönt im Rahmen des seit 15 Jahren stattfindenden Festivals „Glatt&Verkehrt“ Musik bis zum Abwinken. Das Programm dieses Sommerfestes ist opulent, durchzieht die gesamte Gegend an der Donau entlang bis zum Waldviertel. Aus Wirtshäusern, Heurigengärten, in Kirchen, Klöstern und am Donauufer swingt und klingt der Sound aller Donauländer und vieler internationaler Musiker-Gäste.
Vom Wasser aus – genügend Schiffe stehen für einen Donauausflug zur Verfügung – sieht die Welt ganz anders aus, scheinen die wärmenden Weinterrassen noch steiler, blinken die Marillen noch goldener. Hier kann der Passagier mit allen Sinnen den Zauber der Landschaft genießen, die reizvollen Ausblicke, das bräunliche Band der Donau, das nur in der Ferne so blau aussieht wie im Ohrwurm-Walzer. Mancher Kirchturm reckt sich über die Dächer der Häuser. In gut bürgerlichen Wirtshausküchen werden Donauschill, Eierschwammerl und Kaiserschmarrn zu erschwinglichen Preisen (von sechs bis 15 Euro) angeboten. Und wer's ein bisschen feiner will, findet gerade hier genügend Haubenrestaurants.
Die Kirchen am Fluss reihen sich wie Kleinode aneinander. In den Gotteshäusern erfährt man viel vom Kloster- und Kirchenwesen in der Wachau. Das prachtvolle Barockstift Melk mit seiner berühmten Bibliothek, zu dessen Füssen jährlich beim ältesten Freilichttheaterfestival Niederösterreichs starke Stücke aus der Weltliteratur gespielt werden, oder das nicht weniger aufwendig ausgestattete Stift Göttweig mit Kirche, Kaisertreppe und dem berühmten Deckenfresko von Paul Troger sind Wahrzeichen. Doch auch kleinere Gotteshäuser wie die Wehrkirche St. Michael bei Weißenkirchen, Kloster Schönbühel mit seiner Rosaliaquelle, das auf exponiertem Platz auf einem Felsen über dem Fluss klebt, oder die Kartause Aggsbach, früher von Serviten bewohnt und heute als Ort der Entschleunigung mit Meditationsgarten und Eremitenhäuschen neu geplant, sind einzigartige Sakralbauten und wahre Schätze für Menschen, die sich an Schönheit erfreuen.
Hier zeigt sich, dass die zum UNESCO-Weltkulturerbe geadelte Flusslandschaft Wachau mehr zu bieten hat als altbackene „Mariandl-Seligkeit“ und das Lied vom Birnbaum. „Von diesem Image sind wir glücklicherweise mittlerweile weit entfernt“, bemerkt Jutta Mucha-Zachar vom Donau-Niederösterreich Tourismus. „Wir gehen in punkto Kultur und Urlaubsgestaltung unseren eigenen Weg.“ Die Gegend habe für jeden „etwas zu bieten“.
Das Karikaturmuseum in Krems beispielsweise, in dem neben politischer Karikatur und satirischen Zeichnungen vor allem Arbeiten von Manfred Deix zusammengetragen sind, einem Künstler, der das pralle Leben so festhält, dass es einem den Atem nimmt. Gegenüber in der Kunsthalle zeigt bis in den November hinein eine Retrospektive Werke von Francis Picabia, der sich als Maler und Poet in die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts eingeschrieben hat. Und wer die ganze Spanne der Wachauer Kunstmeile ausschöpfen will, fährt entweder abseits der großen Straße mit der Wachaubahn auf Entdeckungstour oder leiht sich eines der vielen Leihfahrräder und E-Bikes und macht sich mit Spaß und Rückenwind auf den Weg in das fünf Kilometer vom Fluss entfernte Ötz, wo auf der Wiese des Marillenbauern Kausl vier zeitgenössische Arbeiten international anerkannter Künstler staunen lassen. Und wer damit nicht so viel anfangen kann, kann zumindest einen Schluck Köstlichkeit aus Kausls Marillendestillerie nehmen.
Tipps zum Trip
Information: Donau-Niederösterreich Tourismus GmbH, Schlossgasse 3, A-3620 Spitz; Tel. 00 43/27 13/300 60 60, Fax 300 60 30. Internet: www.donau.com Österreich Werbung, Service-Tel. 00 800/ 400 200 00 (gebührenfrei aus Deutschland); Internet: www.austria.info/de
Anreise: Zwischen Würzburg und Krems liegen rund 550 Kilometer, die auf der A 3 beginnen. Der Weg führt über Regensburg bis Passau, anschließend auf die A 8 (in Österreich teilweise gebührenpflichtig), später auf die A 25. Bei Ausfahrt „Knoten Haid“ Richtung Wien/Linz/Ungarn/Tschechien einfädeln und weiter auf der A1/E60. Nach der Ausfahrt 80 (Melk) in Richtung Krems. Kulinarisches: Etwa zwei Drittel der besten von Gault Millau mit zwei und drei Hauben (15 bis 18 Punkte) ausgezeichneten niederösterreichischen Gourmetrestaurants befinden sich an der Donau. Infos: www.wachau- gourmet-festival.at
Führungen: Weinerlebniswelt Winzer Krems, Stadtgraben 11; Tel. 00 43/27 32/855 11 33: acht Stationen auf den Spuren des Rebensafts, Führungen für Einzelpersonen und Gruppen. Internet: www.sandgrube13.at
Karikaturmuseum Krems, Krems-Stein, Steiner Landstraße 3a; Tel. 00 43/27 32/90 80 20. Internet: www.karikaturmuseum.at
Kirchen am Fluss: im Internet unter www. kirchen-am-fluss.at
Stift Göttweig, Tel. 00 43/27 32/855 81 231, Internet: www.stift-goettweig.at
Stadt Melk und Kloster Melk, Tel. 00 43/27 52/ 55 52 25 und 00 43/676/40 19 215. Termine: Im nächsten Jahr beginnt das Festival „Glatt&Verkehrt“ am 29. Juni. Im Juli gibt es verschiedene Musiktermine beim Heurigen, ab 24. Juli 2013 starten dann die großen Konzerte bei Winzer Krems. Sommerspiele Melk (www.sommerspiele-melk.at). Leitlinie sind große Stoffe der Weltliteratur zwischen Macht und Ohnmacht, Suche und Versuchung. Den Spielplan 2013 gibt es ab Oktober im Internet einzusehen.
Wandern: Unter der Überschrift „Natur.Wein. Wandern“ gibt es Themenwanderungen wie zum Beispiel Literarische Wanderungen oder Genusswanderungen. Infos: www.donau.com Welterbesteig Wachau: 180 Kilometer Weitwanderweg am Nord- und am Südufer der Donau mit 14 Etappen auf den Spuren der reichen Geschichte und anregenden Gegenwart der Wachau. Internet: www. welterbesteig.at und www.wachau.at
Radfahren: Die Mietpreise für E-Fahrräder liegen bei 4/12/18 Euro pro Stunde, pro Halbtag, pro Tag. E-Mountainbikes: 18/25 Euro pro Halbtag, pro Tag.
Busse: Tageskarte Wachau 10 Euro für alle Busse der Wachau-Linien und drei Donaufähren, Kinder 5 Euro. Marillenhof-Destillerie Kausl, Ötz 16, Tel. 004 3/676/38 09 465, Internet: www. marillenhof.at