Vom Tellerwäscher zum Millionär: Zugegeben, dieses Bild ist abgegriffen. Aber es trifft nun mal zu, wenn es um Bernd Freier und seinen Modekonzern s.Oliver geht. Der bald 73 Jahre alte Unternehmer sollte eigentlich Karosseriebauer werden, fing dann aber an, Hemden zu verkaufen.
50 Jahre ist das jetzt her. Aus dem einfachen Verkauf von Hemden in einer Boutique – nicht größer als ein Wohnzimmer – in der Würzburger Herrnstraße ist mittlerweile ein Konzern mit 6400 Mitarbeitern in aller Welt geworden, 2000 davon in der Zentrale in Rottendorf bei Würzburg. Ein Konzern, der dazu beigetragen hat, dass Mainfranken in der Modebranche eine beachtete Adresse ist.

Das ist auch deshalb zu erwähnen, weil diese Modebranche in schwieriges Fahrwasser geraten ist. Zuletzt machten Strenesse und Gerry Weber wegen Insolvenz Schlagzeilen. Die Krisen von René Lezard in Schwarzach (Lkr. Kitzingen) oder Wöhrl mit diversen Filialen in Franken sind in Mainfranken Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. Und s.Oliver?
Das nach wie vor von Gründer Bernd Freier geführte Unternehmen könne sich im Haifischbecken des Mainstream-Segments "sehr gut behaupten", urteilt Fachjournalistin Ulrike Wollenschläger vom Frankfurter Wochenmagazin "Textilwirtschaft". Sie beobachtet s.Oliver seit Jahren. Die Umsätze seien robust, die Erträge stattlich. Den Konzern sieht sie in Deutschland "sehr stark verankert".
s.Oliver: Was in Rottendorf passiert
In 40 Ländern ist s.Oliver nach eigenen Angaben vertreten. Gut 6000 Geschäfte kommen da zusammen, die der Konzern entweder selber oder mit Partnern führt oder in denen seine Waren in anderer Konstellation zu finden sind.
Trotz dieser Verbreitung sind Hirn und Herz des Unternehmens nach wie vor in Rottendorf. 2008 ging die neu gebaute Zentrale in einem weitläufigen Gewerbegebiet im Osten der 5300 Einwohner zählenden Gemeinde in Betrieb. Dort sitzen die Designer, das Marketing und der Vertrieb. Hergestellt werden die Produkte dann in Europa, Asien und im Mittleren Osten, um dann von Rottendorf aus an die Läden und Kunden in aller Welt ausgeliefert zu werden. Drei Millionen Kleidungsstücke verlassen nach Unternehmensangaben jede Woche Rottendorf.
Welche Gerüchte es um s.Oliver-Chef Bernd Freier gibt
Eine Dimension, die sich Firmengründer Bernd Freier offenbar lange nicht vorstellen konnte. Die Größe seines Konzern sei ihm manchmal unheimlich, sagte der heute 72-Jährige einmal in einem Interview.
Apropos Freier und Interview: etwas Besonderes. Denn der Mann, der gerne als Milliardär bezeichnet wird, gilt als ausgesprochen medienscheu. Wenn man ihn in der Öffentlichkeit sieht, dann meistens bei Spielen der Würzburger Bundesliga-Basketballer. Seit Monaten gibt es Gerüchte und Schlagzeilen rund um seine Nachfolge. Freier schweigt dazu bislang.
Fahrt aufgenommen hatte das Thema im Oktober 2017, als Modemanager Gernot Lenz als neuer Leiter der Geschäftsführung und damit Nachfolger von Armin Fichtel vorgestellt wurde. Lenz trat seinen Job im Januar 2018 an – und war ihn nach zehn Monaten schon wieder los. Wegen "unterschiedlicher Auffassungen über die Führung des Unternehmens", wie es damals von s.Oliver hieß.

Durchaus überraschend dann die Tatsache, dass Bernd Freier das Steuer wieder selbst übernahm. Von dieser Position hatte sich der Freund von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder 2014 eigentlich verabschiedet. Die Nachfolger blieben dann höchstens zwei Jahre auf dem Sessel.
Auch um sie herum war es in der Führungsriege unruhig: So ging Ende 2018 der operative Chef (COO), Andreas Baur. Auf eigenen Wunsch, lautete die offizielle Sprachregelung. Bei Liebeskind warf Chefin Birgit Adels hin – wegen "unterschiedlicher Vorstellungen über die künftige strategische Ausrichtung des Unternehmens", wie es damals in einer Mitteilung hieß.

Im Februar wurde die Geschäftsführung von s.Oliver mit Michael Picard auf sechs Mitglieder erweitert. Geblieben ist die Frage: An wen gibt Bernd Freier endgültig das Zepter ab? Erst im Juli war der Name Claus-Dietrich Lahrs gehandelt worden. Ob es der von Freier geschätzte Ex-Boss von Hugo Boss wirklich wird, ließ s.Oliver offen. Kein Kommentar, war kürzlich aus Rottendorf zu hören.
Spannend bleibt, ob die Belegschaft an diesem Freitag etwas erfährt. Denn dann kommt sie in nicht-öffentlicher Runde in Giebelstadt bei Würzburg zur 50-Jahr-Feier zusammen. Dieser Zahl hatte Bernd Freier schon mal eine besondere Symbolik gegeben: "Mir reicht es. 50 Jahre sind genug, um die nächsten 50 Jahre soll sich jemand anderes kümmern", zitierte ihn im vergangenen Dezember das "Manager Magazin".
Das klingt gleichermaßen trotzig und erstaunlich. Schließlich ist Bernd Freiers Lebenswerk eine Art individuelles Wirtschaftswunder. So etwas in andere Hände zu geben, verlangt grundsätzlich ein hohes Maß an Sensibilität vom Gebenden und vom Nehmenden. Das merkt man auch bei großen Firmen wie Brose oder Trigema, wo ebenfalls schillernde Vertreter der Gründerfamilien an der Spitze stehen und wo es ebenfalls immer wieder Gerüchte und Schlagzeilen um deren Nachfolge gibt.
Wie der s.Oliver-Gründer seinen Erfolg sieht
Freier entwuchs einem armen Elternhaus, um mit viel Disziplin, Mut und Beharrlichkeit – so beschreiben ihn Kenner – eine der bekanntesten Modemarken in Deutschland aufzubauen. "Ich hatte keinen Masterplan. Ich habe Gelegenheiten genutzt, und ich hatte Glück, zur richtigen Zeit die richtigen Leute zu haben", wird Freier in einer Mitteilung seines Konzerns zitiert.
Die richtigen Leute zu haben, das ist für Adressen wie s.Oliver im derzeit äußerst turbulenten Fahrwasser der Modebranche wichtig. Der Spagat zwischen stationärem Handel und Online-Shop ist für viele Unternehmen schmerzhaft geworden.
Experte: Modebranche hinkt weit hinterher
Experte Jochen Strähle ist sich sicher, dass der Vorsprung von Riesen wie Amazon oder Zalando für die deutschen Modeanbieter nicht mehr einzuholen sei. Der Professor für Internationales Fashion Management an der Hochschule in Reutlingen ist davon überzeugt, dass die Branche hierzulande "noch im Kutschenzeitalter feststeckt", wie er in dieser Woche in einem Interview der "Augsburger Allgemeine" sagte.
Bei s.Oliver will man sich Mühe geben, den Zeichen der Zeit gerecht zu werden. So wurde im Mai im Konzern eine Art Start-up mit dem Namen "s.O.Excited!" eingerichtet, das digitale Neuerungen testet. Dabei gehe es unter anderem um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Onlinegeschäft oder 3D-Produktentwicklung, ließ s.Oliver wissen.
s.Oliver als Arbeitgeber: Die einen sagen so, die anderen so
Über den Modekonzern und damit Bernd Freier als Arbeitgeber gibt es unterschiedliche Urteile. Zum einen hat das Unternehmen zum Beispiel einen eigenen Kindergarten und legte ein Sportprogramm für die Belegschaft auf. Zum anderen aber gibt es keinen Betriebsrat.
Deswegen gab es Ende 2015 Zoff mit der Gewerkschaft Verdi. Sie hatte die Mitarbeiter zur Wahl aufgerufen. Doch die Sache sei von der Geschäftsleitung unter anderem dadurch ausgehebelt worden, dass sie zuvor die eigene, außerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes laufende Mitarbeitervertretung "For Us" ins Leben gerufen hatte, erinnert sich Verdi-Funktionär Peter König in Würzburg.

Wie wenig die Konzernleitung offenbar bis heute von Betriebsrat und Gewerkschaft hält, bekam König 2015 hautnah zu spüren: Er musste sich erst beim Notar eine "Versicherung an Eides Statt" besorgen, um sich bei s.Oliver als Gewerkschaftsvertreter ausweisen und damit das Firmengelände betreten zu können. Solch ein umständliches Prozedere sei völlig unüblich, so König.
Bis heute ist s.Oliver nicht tarifgebunden. Das sei für ein "so vermeintlich modernes Unternehmen" mit einem Konzerngewinn von zuletzt 262 Millionen Euro nicht passend, kritisiert König. Dennoch zolle er dem Lebenswerk von Bernd Freier großen Respekt. Schon deshalb, weil er Tausende Jobs geschaffen habe. "Das muss man ihm echt anrechnen."
s.Oliver Konzern, Mode: Das 1969 gegründete Unternehmen ist bis heute in der Hand von Bernd Freier und seinen vier Kindern. Weltweit 6400 Mitarbeiter sind bei s.Oliver beschäftigt, 2000 davon am Stammsitz in Rottendorf. Unter dem Dach des Konzerns sind die Modemarken s.Oliver, S.Oliver Black Label, Q/S designed by, Triangle, comma, comma casual identity und Liebeskind Berlin. Damit bediene s.Oliver "verschiedene Preisgenres mit zeitgemäßer Mode", urteilt Ulrike Wollenschläger vom Fachmagazin "Textilwirtschaft". Allerdings müsse das Unternehmen darauf achten, das internationale Geschäft auszubauen. Der Konzern mache schließlich 70 Prozent seines Umsatzes (zuletzt 1,3 Milliarden Euro) allein in Deutschland. Der Name s.Oliver geht auf die berühmte Romanfigur Oliver Twist zurück. Bernd Freier nannte sein erstes Geschäft "Sir Oliver". Nach einem Namensstreit mit einem anderen Unternehmen verkürzte er 1978 den Namen auf "s.Oliver", der im folgenden Jahr als Marke eingetragen wurde. Sport-Sponsoring ist ein Bereich, in dem der Modekonzern intensiv genannt wird. Zuvorderst sind die Bundesliga-Basketballer von s.Oliver Würzburg zu nennen, in die Freier nach Insider-Informationen schon Millionen Euro gesteckt hat. In diesem Zusammenhang hat der Unternehmer die Zukunftsstiftung Würzburg ins Leben gerufen, die den Bau einer Multifunktionsarena in der Stadt vorantreiben soll. Sie wäre dann neue Spielstätte der Basketballer. Auch andere, zum Teil sehr namhafte Sportler trugen auf ihren Trikots schon das Firmenlogo von s.Oliver: etwa die Legenden Ivan Lendl (Tennis), Wladimir Klitschko (Boxen), Ralf Schumacher (Formel 1) und natürlich Würzburgs Vorzeige-Basketballer Dirk Nowitzki. Zudem waren unter anderem die Fußball-Bundesligisten Bayern München und Borussia Dortmund sowie Drittligist Würzburger Kickers schon Sponsoring-Partner der Rottendorfer.